Letztes Jahr sorgten überraschend viele alte Helden wie Robert Forster (früher The Go-Betweens), Frankie Stubbs (Leatherface) oder Craig B (Aereogramme, The Unwinding Hours., zuletzt A Mote Of Dust), deren Musik und Liveauftritte mich zum Teil schon seit Jahrzehnten begleiten, für herausragende Erlebnisse, aber den Rang abgelaufen hat ihnen Zebra Katz, den ich vor dem Konzert überhaupt nicht kannte und der mich vielleicht gerade deshalb so begeistert hat.
Beste Konzerte
Ich war an dem Abend im Schauspielhaus wegen Sophia Kennedy und Angel-Ho, aber der eher düstere, experimentelle Hip Hop.von Zebra Katz war die Show des Abends.
Der Leatherface-Kopf schaute nach langer Bühnenpause mal wieder vorbei und spielte solo und akustisch seine alten Hits, ohne in bierselige Nostalgie abzudriften.
Wenn ich Zebra Katz' Musik als eher düsteren, experimentellen Hip Hop bezeichnet habe, dann ist das im Vergleich zu Anguish luftige Popmusik. Was u.a. dälek, der schwedische Jazz-Saxofonist Mats Gustafsson (hat schon mit Sonic Youth und Merzbow gearbeitet) und Faust-Keyboarder Hans Joachim Irmler in Bonn servierten, war sicher nicht leicht verdaulich, aber dennoch verdammt unterhaltsam.
Benjamin Clementines Hang zur sympathischen Divenhaftigkeit machen ihn eh schon live sehr sehenswert, aber dazu noch mit einem Streichquartett im Rücken war es auch musikalisch ganz ausgezeichnet.
Der Mann ist live eine Bank und hat mich noch nie enttäuscht und hat auch mit seinen über 60 Jahren immer noch selber einen solchen Spaß auf der Bühne, dass es einfach ansteckend wirkt..
Craig B zeiht sich aus dem Musikgeschäft zurück und ging noch einmal auf große Abschiedstour (drei Konzerte in Deutschland und zwei in Schottland). Vor allem das Konzert in Düsseldorf ging unter die Haut, weil man bei jedem Song spüren konnte, wie viel seine Lieder den Besuchern bedeuten. Und beim allerletzten Auftritt in Glasgow war es das Duett mit der bezaubernden Kathryn Joseph, das für den vielleicht schönsten Konzertmoment des ganzen Jahres sorgte.
Das komplette Mezzanine-Album gespielt mit den Gästen Horace Andy und Elizabeth Fraser, auch optisch, wie man es von Massive Attack gewohnt ist, brillant in Szene gesetzt.
Das Nebenprojekt zu Slim Cessna's Auto Club spielte yerqueren Folksongs ganz unspektakulär im Sitzen und schaffte es dennoch dabei, eine unglaubliche Energie auszustrahlen.
Wem James Grahams Stimme nicht packt, ist ein schlechter Mensch. Wenn Menschen, die The Twilight Sad vorher nicht kannten, von ihrer Version von Frightened Rabbits Keep Yourself Warm zu Tränen gerührt wurden, ohne die Geschichte dahinter zu kennen (eine Homage an Frightened Rabbit-Sänger Scott Hutchison, der sich 2018 das Leben nahm), dann sagt das genug über die Live-Qualitäten aus.
Amanda Palmer hatte an dem Abend keine Lust auf ihr normales Programm und spielte stattdessen ein Wunschkonzert und erzählte Anekdoten aus ihrem Leben, traurige und humorvoll zugleich.
Was darüber hinaus sehr gut war von den insgesamt 73 Konzerten, aber knapp an den Top Ten vorbei schrammte: z. B. Envy (Oberhausen - Druckluft), Off With Their Heads (Köln - Helios 37), Ebony Bones! (Duisburg - Landschaftspark Nord), Moving Targets (Münster - Gleis 22), Grandbrothers (Bochum - Schauspielhaus), Stephen Malkmus & The Jicks (Duisburg - Landschaftspark Nord) oder PeterLicht (Dortmund - Schauspielhaus).
Beste Alben
Ein Musikgeschmack sollte nicht in Stein gemeißelt sein, Horizonte erweitern sich, Vorlieben verschieben sich, manchmal in Entwicklungen über Jahre hinweg. Dieses Jahr spiegelt sich meine immer schon vorhandene Liebe zu abseitigen, schrägen und oft auch nervend-lärmigen Klängen auch in der Bestenliste für 2019 wieder. Gleich ein Quartett an Alben liegt vorne und ich möchte mich nicht festlegen, welches mir tatsächlich am besten gefällt, auch wenn die Reihenfolge schon eine gewisse Andeutung liefert.
Ein Musikgeschmack sollte nicht in Stein gemeißelt sein, Horizonte erweitern sich, Vorlieben verschieben sich, manchmal in Entwicklungen über Jahre hinweg. Dieses Jahr spiegelt sich meine immer schon vorhandene Liebe zu abseitigen, schrägen und oft auch nervend-lärmigen Klängen auch in der Bestenliste für 2019 wieder. Gleich ein Quartett an Alben liegt vorne und ich möchte mich nicht festlegen, welches mir tatsächlich am besten gefällt, auch wenn die Reihenfolge schon eine gewisse Andeutung liefert.
Sebastian Cleemann spielte früher bei den unterbewerteten Kate Mosh und macht seit fast zehn Jahren als Petula Musik, die ganz gut in die Schublade Indietronic passt. Mit Fuck This Shit ist ihm sein meiner Meinung nach Meisterwerk gelungen, intime Hymnen für den Club unter der eigenen Bettdecke, in der Tat A Life Well Spent.
Ein fast unerträglicher Brocken, der Katharsis schreit und bietet und an dem du dich als Hörer abarbeiten musst, dich dann aber erschöpft und bewegt zurück lässt.
Justin Broadrick (Godflesh, Jesu) hat sich bei der Hälfte der Stücke Moor Mother mit ins Boot geholt und so ist ein dunkel wummerndes Biest entstanden.
Erhaben schwebende Schönheit.
Ben Lee covert die Indieklassiker seiner Jugend (u.a. Fugazi, The Breeders, Sonic Youth, Pavement), alles aus dem Jahre 1994, alles bekannt aus der eigenen musikalischen Sozialisierung. Das (semi-)akustische Gewand steht den zeitlosen Songs.
Neben ihrem Mitwirken bei Zonal veröffentlichte Moor Mother auch ein eigenes Album, mehr Poetry als Hip Hop, eine dunkle Schwester Kate Tempests.
Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an.. Kim Gordon, die Königin des Indie-Rock und ehemalige Sonic Youth-Ikone veröffentlicht ihr erstes Soloalbum, zum Teil sehr elektronisch und sehr abwechslungsreich und sehr gut.
Künstliche Intelligenz ist eines der Themen der Zukunft und Holly Herndon hat den Soundtrack dazu geschaffen, indem sie KI-Software für dieses Album entwickelte und einsetzte und das Ergebnis ist faszinierend.
Lingua Ignota ohne Rock, akustisch mindestens so fordernd,, aber ein kontrolliertes Kunstwerk und daher emotional nicht so aufwühlend, aber dennoch natürlich nur mit Anstrengung konsumierbar.
(Emo-)Punk ist nicht tot, aber Off With Their Heads sind eine der wenigen Bands, die mich da noch begeistern können.
Sie inszeniert sich als glamouröse Diva, aber die teils schrögen Beats führen immer zum Hintereingang als zum Roten Teppich der Stars.
Eine gelungene Mischung aus Jazz und Post-Rock und Elektronik.
siehe Brandt Brauer Frick
2018 waren International Music in meiner Bestenliste, diesmal ist es das Nebenprojekt The Düsseldorf Düsterboys., skurril und spannend zugleich.
Noiserock aus Frankreich, sie haben letztes Jahr Die Nerven an die Wand gespielt.
Es ist das Jahr der interessanten Frauen, die düster-elektronische Musik machen.
siehe Dis Fig, die etwas poppigere, massenkompatiblere Variante, ohne im geringsten glatt poliert zu klingen..
Hip Hop auf dem Sub Pop-Label, das verspricht abgefahrebne Beats und Rhymes gepaart mit Lärm und genau das ist es auch.
Schottland bleibt mein Andockpunkt für gepflegte Indiemusik, hier sehr opulent.
Das Abschiedswerk, leider.
Schon wieder eine Frau, klassische Indiemusik, aber deutlich besser als die Alben von Angel Olsen oder Better Oblivion Community Center..
Irischer Postpunk, aber kantiger als Fontaines DC oder Girl Band und nicht so verkopft wie black midi..
Er ist der Großmeister und auch dieses sehr atmosphärische und ruhige Album ist wieder einmal toll, auch wenn es nicht an die Vorgängeralben herankommt.
Wer Titel wie Tocotronic darf niemals siegen hat, macht vieles richtig..
Zum Abschluss noch einmal eine Frau (10 von 25 Alben in dieser Liste!), Anna Merediths neues Album kommt zwar an den Vorgänger Varmints nicht ran, ist aber immer noch gut genug für meine Bestenliste.
Statt eines Ausblicks auf 2020 warne ich euch kurz noch vor den Enttäuschungen von 2019, macht einen Bogen darum, auch wenn euch viele Jahreslisten etwas anderes erzählen: Fortuna Ehrenfeld und Thees Uhlmann, beides textlich und musikalisch leider ganz, ganz schlimm.