Dienstag, 14. Januar 2020

Best Of 2019

Das erste Konzert des neuen Jahres 2020 habe ich schon gesehen, also ist es allerhöchste Eisenbahn, endlich meine Favoriten aus 2019 zu verkünden.

Letztes Jahr sorgten überraschend viele alte Helden wie Robert Forster (früher The Go-Betweens), Frankie Stubbs (Leatherface) oder Craig B (Aereogramme, The Unwinding Hours., zuletzt A Mote Of Dust), deren Musik und Liveauftritte mich zum Teil schon seit Jahrzehnten begleiten, für herausragende Erlebnisse, aber den Rang abgelaufen hat ihnen Zebra Katz, den ich vor dem Konzert überhaupt nicht kannte und der mich vielleicht gerade deshalb so begeistert hat.





Beste Konzerte




  • Zebra Katz (Bochum - Schauspielhaus)


  • Ich war an dem Abend im Schauspielhaus wegen Sophia Kennedy und Angel-Ho, aber der eher düstere, experimentelle Hip Hop.von Zebra Katz war die Show des Abends.




  • Frankie Stubbs (Düsseldorf - Stone)


  • Der Leatherface-Kopf schaute nach langer Bühnenpause mal wieder vorbei und spielte solo und akustisch seine alten Hits, ohne in bierselige Nostalgie abzudriften.




  • Anguish (Bonn - Kreuzung an St. Helena)


  • Wenn ich Zebra Katz' Musik als eher düsteren, experimentellen Hip Hop bezeichnet habe, dann ist das im Vergleich zu Anguish luftige Popmusik. Was u.a. dälek, der schwedische Jazz-Saxofonist Mats Gustafsson (hat schon mit Sonic Youth und Merzbow gearbeitet) und Faust-Keyboarder Hans Joachim Irmler in Bonn servierten, war sicher nicht leicht verdaulich, aber dennoch verdammt unterhaltsam.




  • Benjamin Clementine (Dortmund - Konzerthaus)


  • Benjamin Clementines Hang zur sympathischen Divenhaftigkeit machen ihn eh schon live sehr sehenswert, aber dazu noch mit einem Streichquartett im Rücken war es auch musikalisch  ganz ausgezeichnet.




  • Robert Forster (Münster - Gleis 22)


  • Der Mann ist live eine Bank und hat mich noch nie enttäuscht und hat auch mit seinen über 60 Jahren immer noch selber einen solchen Spaß auf der Bühne, dass es einfach ansteckend wirkt..




  • A Mote Of Dust (Düsseldorf - Kassette)
  • A Mote Of Dust (Glasgow - Mono)


  • Craig B zeiht sich aus dem Musikgeschäft zurück und ging noch einmal auf große Abschiedstour (drei Konzerte in Deutschland und zwei in Schottland). Vor allem das Konzert in Düsseldorf ging unter die Haut, weil man bei jedem Song spüren konnte, wie viel seine Lieder den Besuchern bedeuten.  Und beim allerletzten Auftritt in Glasgow war es das Duett mit der bezaubernden Kathryn Joseph, das für den vielleicht schönsten Konzertmoment des ganzen Jahres sorgte.





  • Massive Attack (Frankfurt - Jahrhunderthalle)


  • Das komplette Mezzanine-Album gespielt mit den Gästen Horace Andy und Elizabeth Fraser, auch optisch, wie man es von Massive Attack gewohnt ist, brillant in Szene gesetzt.




  • DBUK (Oberhausen - Druckluft)


  • Das Nebenprojekt zu Slim Cessna's Auto Club spielte yerqueren Folksongs ganz unspektakulär im Sitzen und schaffte es dennoch dabei, eine unglaubliche Energie auszustrahlen.




  • The Twilight Sad (Duisburg - Landschaftspark Nord)
  • The Twilight Sad (Hamburg - Mojo)


  • Wem James Grahams Stimme nicht packt, ist ein schlechter Mensch. Wenn Menschen, die The Twilight Sad vorher nicht kannten, von ihrer Version von Frightened Rabbits Keep Yourself Warm zu Tränen gerührt wurden, ohne die Geschichte dahinter zu kennen (eine Homage an Frightened Rabbit-Sänger Scott Hutchison, der sich 2018 das Leben nahm), dann sagt das genug über die Live-Qualitäten aus.




  • Amanda Palmer (Essen - Colosseum)


  • Amanda Palmer hatte an dem Abend keine Lust auf ihr normales Programm und spielte stattdessen ein Wunschkonzert und erzählte Anekdoten aus ihrem Leben, traurige und humorvoll zugleich.




    Was darüber hinaus sehr gut war von den insgesamt 73 Konzerten, aber knapp an den Top Ten vorbei schrammte: z. B. Envy (Oberhausen - Druckluft), Off With Their Heads (Köln - Helios 37), Ebony Bones! (Duisburg - Landschaftspark Nord), Moving Targets (Münster - Gleis 22), Grandbrothers (Bochum - Schauspielhaus), Stephen Malkmus & The Jicks (Duisburg - Landschaftspark Nord) oder PeterLicht  (Dortmund - Schauspielhaus).



    Beste Alben

    Ein Musikgeschmack sollte nicht in Stein gemeißelt sein, Horizonte erweitern sich, Vorlieben verschieben sich, manchmal in Entwicklungen über Jahre hinweg. Dieses Jahr spiegelt sich meine immer schon vorhandene Liebe zu abseitigen, schrägen und oft auch nervend-lärmigen Klängen auch in der Bestenliste für 2019 wieder. Gleich ein Quartett an Alben liegt vorne und ich möchte mich nicht festlegen, welches mir tatsächlich am besten gefällt, auch wenn die Reihenfolge schon eine gewisse Andeutung liefert.






  • Petula - Fuck This Shit


  • Sebastian Cleemann spielte früher bei den unterbewerteten Kate Mosh und macht seit fast zehn Jahren als Petula Musik, die ganz gut in die Schublade Indietronic passt. Mit Fuck This Shit ist ihm sein meiner Meinung nach Meisterwerk gelungen, intime Hymnen für den Club unter der eigenen Bettdecke, in der Tat A Life Well Spent.





  • Lingua Ignota - Caligula


  • Ein fast unerträglicher Brocken, der Katharsis schreit und bietet und an dem du dich als Hörer abarbeiten musst, dich dann aber erschöpft und bewegt zurück lässt.




  • Zonal - Wrecked


  • Justin Broadrick (Godflesh, Jesu) hat sich bei der Hälfte der Stücke Moor Mother mit ins Boot geholt und so ist ein dunkel wummerndes Biest entstanden.




  • A Winged Victory For The Sullen - The Undivided Five


  • Erhaben schwebende Schönheit.




  • Ben Lee – Quarter Century Classix


  • Ben Lee covert die Indieklassiker seiner Jugend (u.a. Fugazi, The Breeders, Sonic Youth, Pavement), alles aus dem Jahre 1994, alles bekannt aus der eigenen musikalischen Sozialisierung. Das (semi-)akustische Gewand steht den zeitlosen Songs.




  • Moor Mother - Analog Fluids of Sonic Black Holes


  • Neben ihrem Mitwirken bei Zonal veröffentlichte Moor Mother auch ein eigenes Album, mehr Poetry als Hip Hop, eine dunkle Schwester Kate Tempests.




  • Kim Gordon - No Home Record


  • Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an.. Kim Gordon, die Königin des Indie-Rock und ehemalige Sonic Youth-Ikone veröffentlicht ihr erstes Soloalbum, zum Teil sehr elektronisch und sehr abwechslungsreich und sehr gut.




  • Holly Herndon - Proto


  • Künstliche Intelligenz ist eines der Themen der Zukunft und Holly Herndon hat den Soundtrack dazu geschaffen, indem sie KI-Software für dieses Album entwickelte und einsetzte und das Ergebnis ist faszinierend.




  • Pharmakon - Devour


  • Lingua Ignota ohne Rock, akustisch mindestens so fordernd,, aber ein kontrolliertes Kunstwerk und daher emotional nicht so aufwühlend, aber dennoch natürlich nur mit Anstrengung konsumierbar.




  • Off With Their Heads - Be Good


  • (Emo-)Punk ist nicht tot, aber Off With Their Heads sind eine der wenigen Bands, die mich da noch begeistern können.




  • Angel-Ho - Death Becomes Her


  • Sie inszeniert sich als glamouröse Diva, aber die teils schrögen Beats führen immer zum Hintereingang als zum Roten Teppich der Stars.




  • Brandt Brauer Frick - Echo


  • Eine gelungene Mischung aus Jazz und Post-Rock und Elektronik.




  • Bersarin Quartett - Methoden und Maschinen


  • siehe Brandt Brauer Frick




  • The Düsseldorf Düsterboys - Nenn mich Musik


  • 2018 waren International Music in meiner Bestenliste, diesmal ist es das Nebenprojekt The Düsseldorf Düsterboys., skurril und spannend zugleich.




  • Lysistrata - Breathe In/Out


  • Noiserock aus Frankreich, sie haben letztes Jahr Die Nerven an die Wand gespielt.




  • Dis Fig - Purgec


  • Es ist das Jahr der interessanten Frauen, die düster-elektronische Musik machen.



  • FKA twigs - Magdalene


  • siehe Dis Fig, die etwas poppigere, massenkompatiblere Variante, ohne im geringsten glatt poliert zu klingen..







  • clipping - There Existed An Addiction To Blood


  • Hip Hop auf dem Sub Pop-Label, das verspricht abgefahrebne Beats und Rhymes gepaart mit Lärm und genau das ist es auch.




  • Meursault - Crow Hill


  • Schottland bleibt mein Andockpunkt für gepflegte Indiemusik, hier sehr opulent.




  • A Mote Of Dust - A Mote Of Dust II


  • Das Abschiedswerk, leider.



  • Sharon Van Etten - Remind Me Tomoroow


  • Schon wieder eine Frau, klassische Indiemusik, aber deutlich besser als die Alben von Angel Olsen oder Better Oblivion Community Center..



  • The Murder Capital - When I Have Fears


  • Irischer Postpunk, aber kantiger als Fontaines DC oder Girl Band und nicht so verkopft wie black midi..



  • Nick Cave & The Bad Seed - Ghosteen


  • Er ist der Großmeister und auch dieses sehr atmosphärische und ruhige Album ist wieder einmal toll, auch wenn es nicht an die Vorgängeralben herankommt.



  • Leitkegel - Wir sind für dich da


  • Wer Titel wie Tocotronic darf niemals siegen hat, macht vieles richtig..



  • Anna Meredith - Fibs


  • Zum Abschluss noch einmal eine Frau (10 von 25 Alben in dieser Liste!), Anna Merediths neues Album kommt zwar an den Vorgänger Varmints nicht ran, ist aber immer noch gut genug für meine Bestenliste.



    Statt eines Ausblicks auf 2020 warne ich euch kurz noch vor den Enttäuschungen von 2019, macht einen Bogen darum, auch wenn euch viele Jahreslisten etwas anderes erzählen: Fortuna Ehrenfeld und Thees Uhlmann, beides textlich und musikalisch leider ganz, ganz schlimm.