Donnerstag, 25. August 2011

Descendents

Descendents / Face To Face / H2O

24.08.11 o2 Brixton Academy, London

Wiedergutmachung war angesagt. Nachdem ja Milo Aukerman, dem Sänger der Descendents, zu Ostern im Shepherds Bush Empire nach drei Stücken die Stimme versagt hattee und die Show mit improvisierten Gastauftritten über die Bühne gebracht werden musste, der zweite Abend sogar komplett ausfiel, gab es nun quasi das Nachholkonzert in der doppelt so großen Brixton Academy, zu dem alle Ticketbesitzer vom April freien Eintritt hatten.
Also wurde wieder per Billigflieger von Dortmund aus die Reise in die britische Hauptstadt angetreten, zumal sich auch das Vorprogramm mit Face To Face und den in letzter Minute noch verpflichteten H2O sehen lassen konnte.
Das Warten auf den Einlass wurde sehr unterhaltsam von einem der Ordner vor der Brixton Academy verkürzt, der die zunächst recht spärlich eintreffenden Besucher verzweifelt zum Schlange stehen animieren wollte, während die Leute es vorzogen, gemütlich verteilt rumzustehen, weil einfach noch keine Notwendigkeit für eine Schlange bestand.

o2 Brixton Academy
Um 19:00 öffneten sich dann die Tore und eine Dreiviertelstunde später standen H2O als erste Band auf der Bühne.und legten gleich mit Nothing To Prove los. Sänger Toby Morse hechelte ständig von einem Bühnenende zum anderen und auch immer wieder nach vorne ans Absperrgitter und hielt den Fans das Mikro ins Gesicht. Doch der eigentliche Blickfang des Auftritts war sein Sohn Max, der am Rande der Bühne wild mitrockte und einmal auch von seinem Vater auf die Bühne geholt wurde, um wie ein alter Hase den nächsten Song anzusagen. Neben vielen Songs vom letzten Album Nothing To Prove wurden in der halben Stunde Spielzeit auch ältere Klassiker wie One Life, One Chance gespielt und War Pigs von Black Sabbath gecovert, ein gelungener Auftakt des Abends.

H2O
Nach kurzer Umbaupause dann Face To Face, die sich dieses Jahr mit ihrem ersten Album nach fast zehn Jahren aus dem Winterschlaf zurück meldeten. Ich hatte sie 1994 mal im Vorprogramm von Lagwagon gesehen, und sie waren sie mir dabei nicht sonderlich in Erinnerung geblieben, eine der unzähligen amerikanischen Punkbands halt, sicher nicht schlecht, aber auch nicht so gut, dass sie sich nachhaltig ins Gedächtnis einprägen. Dieser Eindruck wurde bestätigt, solides Handwerk, sicherlich eingängige Songs, aber nichts Weltbewegendes. So waren die ebenfalls 30 Minuten, die Face To Face spielten, zwar kurzweilig, aber vom Druck und der Energie werden sie von neueren Bands wie Dear Landlord oder Nothington locker an die Wand gespielt. Aber schlecht waren sie nicht, keine Frage.

Face To Face
Dann wuchs die Spannung, würde Milos Stimme dieses Mal halten? Um halb zehn begannen Descendents mit Descendents ihren Auftritt. Milos Stimme war zwar nicht überragend, was auch am für die Brixton Academy überraschenderweise nicht so tollen Sound liegen mochte, aber als er Coolidge als drittes Stück einwandfrei beendet hatte, atmete ich innerlich auf. Im Gegensatz zum Auftritt in April konnte er diesmal auch die längeren, gesanglich anspruchsvolleren Stücke wie Clean Sheets meistern. Vor allem Bill Stevenson und Stephen Egerton zeigten sich in Spiellaune, so wurden die ALL-O-Gistics mittendrin mal angejazzt und gerade die verfrickelten Sachen wie Van klangen sehr gut. Das Publikum ignorierte die Verbotsschilder und sorgte mit Crowdsurfing-Einlagen für Schweißausbrüche bei den Ordnern und sang lautstark mit, vor allem I'm The One scheint inzwischen einer der beliebtesten Descendents-Songs überhaupt zu sein.
Nach nur 50 Minuten verabschiedete sich die Band dann etwas abrupt nach I'm Not A Loser, hatte aber in der Zeit immerhin mehr als 25 Stücke gespielt. Für eine Zugabe kamen sie aber wieder und bei Thank You kam Milo dann das erste und einzige Mal an von der Bühne runter zu den Fans. Anschließend wirbelte wieder der Sohn des H2O-Sängers über die Bühne und sammelte geschwind die Setlists ein. Doch der Abend war noch nicht vorüber, denn es sollte noch ein Zugabenblock mit drei Coverversionen folgen. Nach einem Stück der Band X in gewohnter Besetzung wurden wieder die Instrumente getauscht und der Bogen zum Osterkonzert schloss sich, denn Stephen ging ans Schlagzeug, Milo übernahm den Bass, Bill die Gitarre und Bassist Karl Alvarez übernahm das Mikrofon für zwei Black Flag-Songs und badete dabei wieder wie im April in der Menge.
Nach gut 70 Minuten war dann endgültig Schluss und eine Schuld angemessen beglichen.

Descendents
Setlist:
Descendents
Hope
Coolidge
Rotting Out
Silly Girl
My Dad Sucks
I'm The One
Pervert
Van
Myage
Nothing With You
I Wanna Be A Bear
Clean Sheets
I Don't Want To Grow Up
ALL-O-Gistics
Weinerschnitzel
No, ALL!
Talking
I Like Food
When I Get Old
Everything Sucks
Get The Time
Coffee Mug
Suburban Home
Kabuki Girl
Bikeage
I'm Not A Loser
------------------------
Sour Grapes
Thank You
------------------------
Johnny Hit And Run Paulene (ohne Gewähr) [X]
Nervous Breakdown [Black Flag]
Revenge [Black Flag]


Samstag, 20. August 2011

OFF! / Fucked Up

OFF! / Fucked Up / Hammerhead

19.08.11 Underground, Köln

Generationentreffen im Underground, 35 Jahre Hardcore-Geschichte trafen an diesem Abend zusammen und dementsprechend war der Laden ausverkauft
Als um acht Uhr Fucked Up gerade ankamen, ihre Shirts und CDs zum Merchstand im Biergarten trugen und ihr Equipment in den Club rollten, begannen schon Hammerhead. Die Rheinländer haben auch bereits 20 Jahre Bandgeschichte auf dem Buckel, gelten als eine der ersten deutschen Hardcore-Bands, hatten sich eigentlich 2004 aufgelöst, spielen aber seit zwei Jahren wieder Konzerte. Ihre vom 80er Jahre Ami-HC beeinflusste Musik mit schrägen deutschen Texten passte natürlich hervorragend zu OFF! und Fucked Up bekamen einen kleinen Seitenhieb verpasst, indem Sänger Scheiße mal eben klar stellte, dass Hammerhead ja eigentlich die erste Punk-Oper verfasst hätten und zudem noch auf deutsch.
Eine halbe Stunde Spielzeit und eine weitere halbe Stunde Umbauzeit später betraten dann die sechs Kanadier von Fucked Up die Bühne. Vor drei Monaten spielten sie bereits hier, aber nun ist ihr epochales Meisterwerk David Comes To Life erschienen und sogar Spiegel Online lobte die Band und bezeichnete Sänger Damian Abraham als "Pavarotti in Unterhose". Nun ja, das ist halt der Fluch eines Konzeptalbums, das zu Recht als Punk-Oper bezeichnet wird und eines der absoluten Highlights des Musikjahres 2011 darstellt.

Fucked Up
Der einstündige Walkürenritt wird mit Queen Of Hearts eröffnet und auch danach rollten die Stücke von David Comes To Life wie aus einem Guss, wenn auch in veränderter Reihenfolge und nicht komplett. Und natürlich stand die Rampensau Damian Abraham mit seinem massigen Körper im Mittelpunkt. Verschmitzt hatte er schon zu Beginn angekündigt, was jeder, der die Band schon einmal live gesehen hat, eh wusste, dass er einen engen Kontakt zum Publikum während eines Auftritts pflegt, nicht nur den Leuten das Mikro ins Gesicht hält, sondern sie auch gerne Huckepack nimmt und überhaupt jede Ecke des Club bewandert. Dies machte er natürlich auch im vollgepackten Underground. Und in diesen Momenten musste man sogar dem Spiegel zustimmen, der Fucked Up als "Berserker der Liebe" bezeichnete, denn trotz der aggressiven Musik, dem manchmal bedrohlich wirkenden Grimassen Abrahams, verströmte er eine unglaubliche positive Energie, klatschte Fans ab, die Stagediver hoch halfen oder einfach nur gut gelaunt aussahen.Nach 50 Minuten verließ die Band die Bühne, kam aber noch einmal für eine Zugabe zurück und spielte dabei sogar den alten Fucked Up-Klassiker Police. Ein Set, das eines Headliners würdig gewesen wäre.

mehr Bilder bei Scene2Act
Hammerhead gründeten sich 1990, Fucked Up 2001 und OFF! erst 2009. aber OFF! sind ja in dem Sinne keine "neue" Band, setzen sie sich sich doch aus alten Hasen zusammen wie Bassist Steven McDonald von Redd Kross oder Schlagzeuger Mario Rubalcada, der schon in mehr Bands trommelte, als manche Songs im Repertoire haben, und natürlich Sänger Keith Morris, mittlerweile fast 56 Jahre alt und Gründer von Black Flag. Es scheint eine besondere Generation von Performern zu sein, die Ende der Siebziger anfingen. Wie Jello Biafra vor gut drei Wochen untermalte Morris seinen Gesang ebenfalls durch ausdrucksstarke Mimik und Gestik und hielt auch mehrfach zwischen den Songs längere Monologe, allerdings keine politischen Statements, sondern eher Biographisches. Er erzählte von seinen Drogenerfahrungen mit Tranquilizern für Elefanten (!), gemischt mit Bier und PCP, in der Einleitung zu Peace In Hermosa oder von den vielen musikalischen Weggefährten, die inzwischen verstorben sind, bei Jeffrey Lee Pierce. Dabei musste er die ganze Zeit auf die Zähne beißen, denn vor wenigen Tagen war Morris in München in der Dusche ausgerutscht und auf den Rücken gefallen und die Schmerzen merkte man ihm noch immer an. So musste er sich immer am Mikrofonständer abstützen und langsam wie ein Ischias geplagter Rentner herablassen, um die auf dem Bühnenboden stehenden Wasserflaschen zu erreichen, die ihm auch ein Roadie oder Bandkollege reichen können.

OFF!
Musikalisch wurde die First Four EPs komplett gespielt inklusive des Bonustracks Sexy Capitalists sowie Compared To What von einer neuen im Mai erschienenen Single. Diese achtzehn Stücke waren natürlich in weniger als einer halben Stunde durchgespielt, doch die Band kam zu einer Zugabe wieder. Keith Morris erläuterte, dass sie nicht mehr Songs hätten und es daher wie schon in den Anfangszeiten von Black Flag machen würden: sie spielten die ersten drei Lieder des Sets einfach noch einmal. Doch nach insgesamt 35 Minuten war dann endgültig Schluss, zumal auch Morris immer stärkere Schmerzen zu haben schien. Es war schon bemerkenswert genug, wie er durchgehalten und dabei immer noch unglaublich viel Charisma versprüht hatte.
Dennoch waren für mich Fucked Up die beste Band des Abends, die einfach mit ihrer Musik mehr meinen Geschmack treffen, denn ich war halt nie so ein Hardcore-Kiddie, die auch an diesem Abend wieder mit ausgefahrenen Ellenbogen den harten Mann machten zum Leidwesen der Umstehenden. Wie es auch anders geht, zeigten die Berserker der Liebe.
Setlist OFF!

Donnerstag, 18. August 2011

Listener

Listener

16.08.11 Steinbruch, Duisburg

Würde man Dan Smith, die Stimme von Listener, als Rapper bezeichnen, könnte dies ein falsches Bild von ihm erzeugen trotz seiner Hip Hop-Vergangenheit in den 90er Jahren, zumal er auch stimmlich definitiv kein Sänger ist, sondern vielmehr ein rhythmischer Erzähler. Das deutsche Wort Sprechgesang trifft es da geradezu perfekt, kategorisieren Listener ihren Stil selber gerne als Talk Music, wobei Smiths Texte auch ohne musikalische Untermalung als Gedichte bestehen und somit das Schaffen des amerikanischen Duos sicher in der Tradition der Beat Poetry oder des Talking Blues eingeordnet werden kann.
Aufmerksam geworden bin ich auf Listener durch puren Zufall, denn die Duisburger Band Kokomo, neulich live bei Gifts From Enola in Oberhausen im Vorprogramm, postete auf ihrer Facebook-Seite einen Link zur Konzertankündigung im Steinbruch. In Erwartung, dass sich hinter Listener eine weitere gitarrenschwere Postrock-Band verbergen würde, suchte ich im Netz nach Hörproben und landete fasziniert auf ihrer Bandcamp-Seite und war sofort angefixt. Und scheinbar gibt es noch mehr Leute mit offenen Ohren, denn auch ohne große Präsenz in den einschlägigen Medien war das Steinbruch sehr gut gefüllt.
Schon vor Beginn des Konzerts suchte Dan Smith Kontakt zum Publikum, sprach einfach irgendwelche Besucher an, ehe er kurz nach neun mit seinem Partner Chris Nelson, der für die musikalische Vertonung von Smiths Lyrik verantwortlich ist, die Bühne betrat. Mit You Have Never Lived Because You Have Never Died vom aktuellen, zweiten Album Wooden Heart, allerdings schon vor gut einem Jahr erschienen, gings los, Nelson an der Gitarre, Smith am Bass und die restliche Musik vom Laptop.
Wie auch auf Platte spuckte Smith seine Texte geradezu aus, ständig war sein Kopf in Bewegung, dabei um das Mikrofon kreisend, es beinahe mehr als Ansprechpartner denn als Werkzeug benutzend, während Nelson fast stoisch am Rand spielte. Dieser eruptive Stil, seine ganze Körpersprache vermittelte dabei eine Intensität, die die Zuhörer sofort gefangen nahm und beinahe beängstigend wirkte. Zum Glück nahm Smith selber zwischen den Stücken durch seine Ansagen immer etwas den Wind aus den Segeln, erzählte scheinbar absichtlich schlechte Witze und forderte als Running Gag das Publikum bei fast jedem Song auf, gerne mitzusingen, was bei Listeners Art von Musik eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist. Er suchte ständig Kontakt zum Publikum, fragte nach, ob sie etwa Fragen an ihn hätten oder sonst jemand etwas mitzuteilen hätte. Zwar erntete er dabei meistens Schweigen, da der normale Konzertbesucher es einfach nicht gewohnt ist, derart in einen Auftritt einer Band einzugreifen, doch Smith spielte auch mit dieser an sich peinlichen Situation, ließ das Schweigen nie unangenehm werden, fand im Gegenteil diese aufmerksame Stille sehr angenehm, denn schließlich wollen Listener gehört werden. In seiner Einleitung zu Building Better Bridges erläuterte er quasi seine Überzeugung, dass die Kommunikation zwischen den Menschen für ihn das Wichtigste sei, getreu der Textzeile "Our lives are a bridge for us to give, I want to buiild a better bridge". Daran hielt sich Smith auch konsequent den Auftritt über und kam so unglaublich sympathisch rüber.

Listener
Aber Listener boten ja nicht nur Lyrik mit Hintergrundmusik, der Soundtrack zur Poesie war vielmehr vielschichtig und auch für sich hörenswert. Bei besonders emotionalen Stücken wie Wooden Heart schwebte ein feiner atmosphärischer Gitarrenteppich durch den Raum, zwei Tracks wurden auch komplett ohne Musik als reine Gedichte vorgetragen, schließlich ist Wooden Heart auf der Bandcamp-Seite auch als reine Spoken-Word-Version erhältlich. Mal setzte Smith an der Trompete musikalische Kontrapunkte, offenbarte dabei durchaus Schwächen in der Beherrschung des Instruments, was allerdings schlicht und ergreifend seiner Atemlosigkeit durch seinen kraftraubenden Vortragsstil zuzuschreiben sein mag. Neben klassischer Americana-Musik blitzte zwischendurch auch der Indierock bei Stücken wie Falling In Love With Glaciers durch, bei denen dann Gitarrist Chris Nelson plötzlich explodierte und man sich auf einem normalen Rock-Konzert wähnte. Nicht umsonst wurde mit Priests And Paramedics ein Song der Emo-Legende Pedro The Lion gecovert. Smiths Hip Hop-Wurzeln, die auf dem ersten Listener-Longplayer Return To Struggleville in Songs wie Ozark Empire noch durchscheint, blieben live außen vor.
Nach gut 75 Minuten verabschiedeten sich Smith und Nelson von den  begeisterten Zuhörern, kehrten aber noch einmal für zwei Zugaben zurück. Dabei wurde zum Abschluss noch einmal die Magie, die diesen Abend ausmachte, deutlich. Listener suchten die Nähe zum Publikum, setzten sich auf den Bühnenrand und baten alle, sich doch auch hinzusetzen, was auch brav befolgt wurde, so dass Death By Shotgun bei Lagerfeueratmosphäre einen wunderbaren Auftritt beendete.
"Come on and sew us together, we're just tattered rags stained forever. We only have what we remember" sang Smith in Wooden Heart und es war in der Tat ein unvergesslicher Auftritt.


Mittwoch, 3. August 2011

Jello Biafra And The Guantanamo School Of Medicine

Jello Biafra And The Guantanamo School Of Medicine / Angel City Outcasts

01.08.11 FZW, Dortmund

Eine lebende Legende schaute vorbei und eine Bildungslücke wurde somit geschlossen. Die Dead Kennedys waren sicherlich eine der bedeutendsten amerikanischen Punk-/Hardcore-Bands der späten 70er, frühen 80er Jahre und als sie im Dezember 1982 im benachbarten Recklinghausen spielten, war ich im zarten Alter von fast 15 Jahren noch ein unwissender Barclay James Harvest-Hörer.1986 kam dann das Ende der Dead Kennedys und Sänger Jello Biafra veröffentlichte Platten mit D.O.A., Nomeansno, Steel Pole Bathtub und den Melvins, mit Leuten von Ministry unter dem Namen Lard und brachte diverse Spoken-Work-Alben raus. Während seine ehemaligen Mitstreiter Anfang des Jahrzehnts als billige Kopie ihrer eigenen Vergangenheit wieder auf Tour gingen. dauerte es bis 2009, ehe er wieder als Jello Biafra And The Guantanamo School Of Medicine Musik in der Tradition der Dead Kennedys unter seinem eigenen Namen aufnahm. Deren zweites Album Enhanced Methods Of Questioning ist gerade erschienen und im Zuge dessen spielte er ein recht kurzfristig angesetztes, aber dennoch ausverkauftes Konzert im kleinen Club des FZW.
Die erste Vorband wurde noch beim Bierchen in der dieses Jahr so seltenen Abendsonne verpasst, doch die Angel City Outcasts bekamen wir noch mit. Die vier Jungs aus Los Angeles machen Hochgeschwindigkeits-Rock'n'Roll im Stile der Hellacopters, allerdings mit Defiziten im Posing. Einzig der Bassist, klischeesicher zwischendurch an einer Flasche Jim Beam nippend, konnte hier punkten. Musikalisch machten sie ihre Sache recht gut in einem wahrlich ausgenudelten Genre, auch wenn ihre Huldigungen an Kiss mit ihrer in LA Rock City umbenannten Version eines Klassikers sowie ihr Cover von AC(DCs Whole Lotta Rosie doch etwas daneben gingen.

Angel City Outcasts
Gegen 22:15 betrat dann der von den Nomeansno-Freunden Victims Family ausgeliehene Gitarrist Ralph Spight mit zugetapetem Mund die Bühne und frickelte ein paar Minuten auf seiner Gitarre rum, ehe der Rest der Guantano School Of Medicine den OP betrat, darunter der ehemalige Rollins Band-Bassist Andrew Weiss.

Ralph Spight (Guantanamo School Of Medicine)
Mit The Terror Of Tinytown, dem Opener des Erstlings The Audacity Of Hope, ging es dann los und Jello Biafra kam mit Sonnenbrille und einer modisch äußerst abschreckenden rot-schwarz karierten Jacke auf die Bühne und explodierte sofort. Ein störender Monitor wurde mal eben aus dem Weg befördert (wie später auch ein Rucksack und ein Sweatshirt, die unbedachte Zuschauer am Bühnenrand abgelegt hatten), denn der inzwischen 53jährige hatte immer noch Hummeln im Hintern, war praktisch ständig in Bewegung auf der Bühne, am Rand und auch im Publikum. Dabei schnitt er auch noch ständig Grimassen und untermalte pantomimisch seine Texte. Auch seine berüchtigten Tiraden gegen die Reichen und die Mächtigen ließ er als Einleitung zu den Stücken ab, dabei wetterte er u. a. gegen die Gentechnik (zu The Cells That Will Not Die) und machte Werbung für Anti-Kriegs-Organisationen (zu Victory Stinks). Auch fand er lobende Worte für die Hartnäckigkeit der Anti-Atomkraft-Bewegung in Deutschland, deren Beharrlichkeit sich ja letztlich auszahlte, wenn auch bedingt durch die Katastrophe in Fukushima.
Der Rest der Band wirkte im Gegensatz zum Energiebündel Jello fast verhalten im Hintergrund, nur Ralph Spight wirbelte ebenfalls wie ein Derwisch herum und begab sich ebenfalls häufig an den Bühnenrand. Musikalisch standen natürlich die Lieder der beiden GSM-Alben im Vordergrund, darunter auch ein bislang unveröffentlichter Song namens John Dillinger, aber plötzlich ertönten die ersten Zeilen von California Über Alles und die ohnehin schon gute Stimmung im heißen Club schwappte über. Es folgten später noch weitere Ausflüge in seine alten Werke mit dem DK-Klassiker Bleed For Me und Forkboy vom Lard-Album The Last Temptation Of Reid, ehe nach gut 65 Minuten erst einmal Schluss war. Doch natürlich folgte eine Zugabe, deren Abschluss Holiday In Cambodia bildete, bei dem der ganze Saal geschlossen "Pol Pot" mitgröhlte. Danach erwarteten viele nichts mehr, doch die Band kam noch einmal zurück und es ertönte das markante Riff eines meiner Lieblingssongs der Dead Kennedys, Moon Over Marin. Mit I Won't Give Up, quasi einem Manifest des Politikers Jello Biafra, endete über 90 Minuten schließlich ein mehr als beeindruckendes Konzert einer Punklegende, der man in jedem Augenblick abnahm, das sie noch eine Botschaft unters Volk zu bringen hat und die es immer noch spielend schaffte, die Zuschauer in ihren Bann zu ziehen, denn schließlich lauteten die letzten Worte das letzte Liedes so passend:
I won't give up
It's not an option.


Jello Biafra And The Guantanamo School Of Medicine