Im Februar feierte das Ox-Fanzine seine 100. Ausgabe mit einem Festival in der Solinger Cobra, bei dem auch EA 80 spielten wie schon beim 20jährigen Jubiläum 2009 an gleicher Stelle. Damals waren auch die Boxhamsters am start, also dachten sich die Macher vom Ox wohl, keine Feier oder die kleinen Jungs aus Gießen und luden diese zum Nachschlag in den Bahnhof Langendreer ein. Eigentlich sollte das EA 80-Nebenprojekt The Devil In Miss Jones spielen, die aber absagen mussten, wofür dann als Ersatz EA 80 selber einsprangen und so für ein Dèja Vu sorgten, spielten beide Bands doch schon im November 1993 an gleicher Stelle.
EA 80 machten zwar offiziell die Vorgruppe, doch ein Blick auf die Setlist mit 17 Stücken ließ einen längeren Auftritt erwarten. Den Auftakt machten mit Kleine Welt und Licht! zwei ältere Songs, letzterer passend mit den Worten eingeleitet "Der Altersdurchschnitt heute ist eindeutig zu hoch, wir sollten das Licht ausmachen".
Der Gangart angemessen wuselte ein Moshpit vor der Bühne, in den sich Junge bei Definitiv: Nein! auch begab. Eine Zugabe wurde gefordert und gewährt. Unter hinweis auf alte Ängste der Boxhamsters, die bei gemeinsamen Auftritten, bei denen sie nach EA 80 spielten, immer die ausufernden Sets fürchteten, wurde die erste Zugabe einfach ausgelassen und nur noch Die Suche gespielt, ja immerhin fast eine Viertelstunde lang. Ließ man das Lied in Düsseldorf im November letzten Jahres langsam im Feedback ausklingen, war diesmal Junge aggressiver am Werke und warf seine Gitarre gegen den Verstärker, ehe er sie mit malträtierten Saiten am Boden zurück ließ.
Hatten EA 80 noch ein Drittel ihres Sets mit Songs ihres neuen Albums bestritten, machten die Boxhamsters danach eine kleine Nostalgiereise, was ihnen auch gestattet sei, ist ihre aktuellste Veröffentlichung Thesaurus Rex doch eine Zusammenstellung aus ihren frühen Alben bis 1996. Als Opener wählten sie etwas überraschend Prost Neujahr, gefolgt von Es regnet.
Der Sound war gut, die ganzen alten Lieder sorgten für Freude und dennoch fehlte dem Auftritt etwas. Sänger Co merkte man noch so etwas wie Herzblut an, doch gerade Bassist und Gitarrist versprühten die Energie einer Solarzelle bei Nacht. Die Boxhamsters waren zwar nie eine überragende Liveband gewesen und auch nicht für eine extrovertierte Bühnenshow bekannt, aber während man bei EA 80 immer noch bei jedem Lied eine Angepisstheit spürt und den Drang, der Welt die eigene Musik um die Ohren hauen zu wollen, wirkten die Hamster distanziert bis an der Grenze zur Lustlosigkeit.
Da konnte man schon verstehen, warum die Band z. B. letztes Jahr einen Auftritt in Düsseldorf kurzfristig absagte, weil man auf der Anfahrt im stau stand und daraufhin keinen Bock mehr hatte.
Aber ich will hier nicht zu hart mit ihnen ins Gericht gehen, denn dafür spielten sie einfach zu viele schöne Songs.
Während des Auftritts sah man immer wieder Junge von EA 80 am Bühnenrand mitwippen und ich fragte mich, ob es da vielleicht noch ein kleines Duett geben würde. Und tatsächlich kündigte Co als letzte Zugabe ein ungeprobtes Stück an, was sich dann beim Intro als Blumen vom gemeinsamen Nebenprojekt Die Böse Hand entpuppte. Junge übernahm den Gesang und drehte zum Abschluss jeden einzelnen Verstärker der Hamster voll auf, als ob er damit andeuten wollte, dass ihm auch etwas gefehlt hatte.
Es gibt Jubiläen, die fallen erst im Nachhinein auf. Der 3. Februar 2012 war so eins, denn die Show von Scream im Kölner Underground war mein 1000. Konzert.
Als schlimmer Pedant habe ich natürlich sorgfältig Buch geführt und so kann ich genau nachhalten, wen ich wann und wo gesehen habe, ordentlich dokumentiert in einer Excel-Tabelle.
Die folgenden Rückblicke auf verschiedene Events sind weniger ein Best Of... als vielmehr eine manchmal sogar willkürliche Auswahl von Ereignissen aus den letzten mehr als 28 Jahren, die immer noch in meinen Erinnerungen fest verankert sind.
19. Juni 1983: Supertramp (Dortmund - Westfalenstadion)
Ich war 15 und es war mein erstes Mal und wie bei fast allen war es eigentlich gar nicht so toll, wie ich es erhofft hatte. Aber wenigstens dauerte es länger als die andere Sache... Supertramp waren damals eine große Nummer und hatten nach ihrem Album Famous Last Words angekündigt, sich nach ihrer Tour aufzulösen (wie man weiß, haben sie sich leider nicht daran gehalten). Zwei Wochen zuvor war ich das erste Mal im Westfalenstadion gesehen, bei einem furiosen 6:4-Sieg am letzten
Spieltag meiner Borussia gegen den Namensvetter aus Dortmund, das ganze übrigens vor nur 15.000 Zuschauern. Bei Supertramp waren es deutlich mehr, Vorgruppe war ein damals an der Schwelle zum Durchbruch stehender Chris De Burgh.
An das Konzert habe ich kaum noch Erinnerungen, umso deutlicher jedoch an etwas anderes. Es war noch sonniger Nachmittag, fast alle im Innenraum des Stadions saßen, nur ein sichtlich nervöser Mann stand und hielt ein kleines Radio ans Ohr gepresst. Schalke 04 spielte nämlich an diesem Tag in der Relegation gegen Bayer Uerdingen um den Klassenerhalt. Und kurz nach 17 Uhr sackte der Mann plötzlich wie ein Häufchen Elend zusammen - Schalke war abgestiegen.
18. Juni 1989: Pixies (Bochum - Zeche)
In den ersten Jahren ging ich fast ausschließlich auf große Konzerte, häufig in der Dortmunder Westfalenhalle (z. B. Queen, Deep Purple, Prince, Sting, Pink Floyd), aber das sollte sich ändern, hauptsächlich weil sich mein Musikgeschmack wandelte. Durch The Jesus And Mary Chain und Hüsker Dü hatte ich schrägere Musik für mich entdeckt und war auch hier schon auf einigen kleineren Konzerten gewesen (z. B. Phillip Boa & The Voodooclub in der Coesfelder Fabrik im Jahr zuvor). doch ab 1989 fuhr ich immer öfter in die Clubs und es gefiel mir bedeutend besser als die oftmals zu sehr durchchoreographierten Hallenshows mit ihren Mitklatschorgien. Symptomatisch war der Juni, denn nach den Simple Minds in der großen Westfalenhalle schaute ich mir zwei Tage später die Pixies in der ausverkauften Zeche an und war überwältigt. Sie waren so gut, dass ein Freund und ich eine Woche später nach Bielefeld ins PC 69 fuhren und ich zum ersten Mal eine Band mehrmals auf einer Tour sah. In Bielefeld lernten wir dann auch Stefan, damals aus Düsseldorf, kennen, ebenfalls exemplarisch für die vielen netten Menschen, die ich ohne die Konzerte nie im Leben getroffen hätte.
10. August 1991: Drive / Leatherface (London - The Venue)
Im Sommer 1991 war ich mit meiner damaligen Freundin vier Wochen in London (kennengelernt hatten wir uns übrigens im Jahr zuvor bei einem Festival in Schüttorf mit David Bowie, New Model Army und den Pixies) und natürlich wuren auch einige Konzerte mitgenommen, u.a. ein Gratiskonzert von Luciano Pavarotti im Hyde Park. Kurz vor unserer Abreise lasen wir dann, dass sonntags morgens der exklusive Vorverkauf für zwei Shows von David Bowies damaliger Band Tin Machine in der Brixton Academy im November begann. Damals brachte ein Vorverkaufsstart nicht die Server der Online-Ticket-Dienste ins Straucheln, sondern man stellte sich noch brav an den Vorverkaufsstellen an. Samstags sah ich dann mein erstes Spiel von Arsenal, gegen Tottenham im altehrwürdigen Wembley Stadium, fuhr danach nach New Cross, um mir Drive anzusehen, eine britische Poppunk-Band, die inzwischen längst vergessen ist, während die mir damals unbekannte Vorgruppe Leatherface mich umhaute und mich auch heute noch zu ihren Konzerten treibt. Nach dem Konzert gings dann per Bus von New Cross nach Brixton, wo meine Freundin sich schon ein Plätzchen in der bereits imposanten Warteschlange gesichert hatte. Die Ordner verteilten Tee und man unterhielt sich mit den anderen, um sich die Zeit bis zur Öffnung der Kassen um 10 Uhr morgens zu vertreiben. Ich war zwar auch schon mal zuvor nur wegen eines Konzerts ins Ausland gefahren, aber eine Autofahrt nach Enschede kann man ja nicht wirklich mit einem Flug nach London vergleichen, es war quasi der nächste Schritt in Sachen Musikbegeisterung.
24. August 1991: Rheinrock Festival (Köln - Tanzbrunnen)
Festivals gab es auch schon damals reichlich, das Bizarre Festival z. B. oder die vom WDR veranstalteten Rocknächte in der Philipshalle, aber dieses Festival in Köln war neu, fand damals zum ersten Mal im Rahmen der Popkomm statt. Und es war so besonders, war es doch das erste Mal, dass ich Nirvana sehen sollte. Von Smells Like Teen Spirit war noch nicht die Rede, auch wenn bereits der Duft in der Luft lag. Aber ich hatte durch die grandiose Sliver-7" auch die Bleach wiederentdeckt und wollte sie unbedingt sehen. Da sie bereits mittags spielen sollten, waren wir entsprechend früh da, aber scheinbar umsonst. Denn es wurde mitgeteilt, dass die Band noch im Stau auf der Anreise aus England steckte und es nicht sicher war, ob sie überhaupt spielen würden. Sie schafften es zum Glück noch nach Köln und wurden noch ins Line Up gequetscht, weil die nachfolgenden Bands auf Spielzeit verzichteten. Um eine längere Umbaupause zu vermeiden, spielten Nirvana einfach auf dem Equipment der vor ihnen aufgetretenen Rausch und legten in einer halben Stunde alles in Schutt und Asche. Ich habe selten so viele Leute mit offenen Mündern staunend ob dieser unglaublichen Energie gesehen. Bob Mould kühlte zwar mit einem akustischen Set die Gemüter etwas ab, aber Dinosaur Jr danach spielten auch ihr vielleicht wildestes Set, so dass zum Abschluss bei Sonic Youth nur noch Langeweile aufkam.
24. Juni 1992: Nirvana (Paris- Zénith)
Kein Jahr später war Nirvana eine große Nummer und die Grunge-Welle in vollem Gange. Mit Pearl Jam war auch die nächste Sensation am Start. Die hatte ich kleiner Trottel im März noch in Köln verpasst, weil das Konzert kurzfristig vom Luxor in die Live Music Hall verlegt wurde und ich an der Luxemburger Straße stand und nicht wusste, wie man da nach Ehrenfeld kommt (so etwas ist heutzutage im Zeitalter der Smartphones mit ihren Fahrplan-Apps undenkbar). Doch nach einem überragenden Auftritt beim Pinkpop fuhr ich kurzentschlossen nach Hamburg (ein Katzensprung von Hannover aus, wo meine Freundin lebte) und ergatterte sogar noch die fünftletzte Karte an der Abendkasse für ihre Show in der Großen Freiheit. Zwei Wochen danach wollten ein Freund und ich eigentlich zu den Screaming Trees ins Luxor, lasen aber dann, dass an dem gleichen Abend Nirvana in Paris spielen würden. Also gings erneut kurzentschlossen an die Seine. Da das Konzert ausverkauft war, musste der Schwarzmarkt her halten, auf dem wir damals unglaubliche 300 Francs (ca. 90 DM) für ein Ticket zahlten. Wenn man bedenkt, dass man heutzutage für Transusen wie Xavier Naidoo regulär mehr bezahlt, war das sogar ein Schnäppchen. Denn das Konzert war jeden Pfennig wert..
20. November 2004: Aereogramme (Glasgow - Cottier's Theatre)
Über die Jahre kristallisieren sich Lieblingsbands raus, die man immer wieder gerne live sieht, gerne auch mehrmals auf einer Tour und für die man auch mal kleine Reisen unternimmt. Dies fiel mir immer leicht, da ich es als eingefleischter Fußballfan gewohnt war, hunderte von Kilometern zu einem Auswärtsspiel (gerne auch ins ausland, wenn der Erfolg die eigene Mannschaft mal international spielen lässt). Musiker wie Therapy? oder Grant Hart habe ich so sehr häufig in meinem Leben gesehen und immer wieder kamen neue Bands hinzu, die ich packten und denen ich dann verfallen war. Aereogramme gehören dazu, sind aber doch etwas Besonderes. Als normaler Fan hatte ich sie bereits mehrmals gesehen, war sogar einmal extra für ein Konzert am Silvester-Abend nach Glasgow geflogen (das lag aber mehr oder weniger auf dem Weg, weil ich eh zwischen Weihnachten und Neujahr auf der Insel war, um mir mehrere Fußballspiele anzuschauen). Im Internet hatte dann die Band angefragt, ob ich eine deutschsprachige Sektion ihres Forums als Moderator betreuen wollte, da ich in diesem Forum recht aktiv war und sie in Deutschland erfolgreicher als in ihrer Heimat waren. Im November 2004 spielten dann Aereogramme quasi eine Release-Show für ihr neues Album in ihrer Heimatstadt in einer alten Kirche und da an dem Tag auch das Glasgower Old Firm Derby zwischen Rangers und Celtic stattfand, leistete ich mir den Luxus eines Kurztrips nach Schottland. Dabei hatte ich dann das Glück, die Band und ihre Freunde persönlich kennen zu lernen und daraus entwickelte sich über die Jahre eine Freundschaft, die dazu führte, dass ich in den folgenden Jahren jede Gelegenheit nutzte, die Jungs zu sehen, wenn sie auf Tour waren.
18. Juni 2005: The New Bomb Turks (Solingen - Cobra)
Die New Bomb Turks waren immer eine der besten Livebands, die ich je gesehen habe. Sie waren der Grund für meinen ersten besuch im Gleis 22, damals waren sie als unbekannte Band im Vorprogramm der Devil Dogs im Jib zu Gast, ein Stockwerk über dem heutigen Gleis und der Auftritt wurde von der Polizei wegen Lärmbelästigung beendet. Sie lösten sich nie auf, sondern beschlossen, kein neues material mehr einzuspielen, aber noch ab und zu mal für eine Handvoll Konzerte in Europa aufzutauschen. Die erste dieser Reunion-Shows fand in Solingen statt und war unglaublich. Es war ein heißer Sommerabend und die New Bomb Turks hatten mächtig eingeheizt, fast jeder im Publikum war schweißgebadet, als nach der vermeintlich letzten Zugabe bereits die Musik vom Band einsetzte, das eigentlich unpassende Karma Chameleon von Culture Club. Und plötzlich ertönte hinter dem Bühnenvorhang wieder die Stimme von Sänger Eric Davidson, der sich einfach ein Mikro geschnappt hatte und zu der Musik vom Band sang. Diese Energie und Spielfreude, einfach nicht genug zu bekommen, habe ich in all den Jahren bei kaum einer anderen Band erlebt. Wer diese band live nie gesehen hat, weiß nicht, wonach Rock'n'Roll riecht..
17. April 2007: Therapy? (Bukarest - Fire Club)
Wenn der beste Freund 40 wird und einen fragt, ob man sich ein paar tage rund um seinen Geburtstag frei halten kann, ahne ich schon, dass es etwas mit Musik zu tun haben muss. Therapy? hatte ich zufällig 1991 in London im Vorprogramm der Babes in Toyland entdeckt und über die Jahre die Treue gehalten. Keine andere Band habe ich bislang häufiger gesehen (bislang 47mal) und keine Band habe ich öfter im Ausland gesehen. So waren wir neben den nahen Autofahrten ins benachbarte Holland, Belgien oder Luxemburg auch schon 2003 einmal nach Florenz zu einem Therapy?-Konzert geflogen, weil es einfach eine Billigflieger-Verbindung gab und wir an dem Wochenende nichts anderes geplant hatten. Daher waren sie auch diesmal der Grund für eine Reise, spielten sie doch an Michaels Geburtstag in Bukarest und man kam ziemlich günstig von Dortmund aus in die rumänische Hauptstadt. Es war schön zu sehen, dass auch an einem scheinbar exotischen Ort wie Bukarest die Leute gleich auf Musik reagieren. Man hätte optisch auch genauso gut in irgendeinem Club in Köln stehen können, nur die Begeisterung war noch größer, merkte man den Leuten an, dass es noch nicht alltäglich war, dass Bands dort auf Tour kamen. Dementsprechend begeistert reagierte das Publikum vor allem auf die alten Troublegum-Hits und die Band spürte, wie sehr sie den Leuten eine Freude machte und spielte deutlich engagierter als bei den regelmäßigen Touren in unseren Breiten.Tags drauf bekamen wir sogar noch die Gelegenheit, neben dem Konzert- einen Fußball-Länderpunkt zu machen, konnten wir uns doch noch das rumänische Pokal-Halbfinale zwischen Steaua Bukarest und Poli Timisoara anschauen, also Kultur pur.
17. Oktober 2010: The Unwinding Hours (Glasgow - Oran Mor)
Noch sind Therapy? meine meist gesehene Band, aber Aereogramme / The Unwinding Hours sind ihnen aus weiter oben genannten Gründen ganz dicht auf den Fersen. Nachdem sich Aereogramme 2007 aufgelöst haben, machen Craig und Iain weiter als The Unwinding Hours weiter Musik, was dazu führte, dass ich 2010 wegen ihnen dreimal nach Glasgow geflogen bin. Der Auftritt im Oktober im Oran Mor war der Auftakt für ihre zweite "Europa"-Tour in diesem Jahr, sieben Konzerte in Holland und Deutschland und damit die erste Tour einer Band, die ich komplett mitgemacht habe. Schon im April war ich parallel zu der Band einen Teil der Tour durch die Gegend gezogen, was bei einem Reiseplan von Berlin, München, Wien, Dresden und Hamburg an aufeinander folgenden Tagen das Gefühl für Zeit und Raum komplett schwinden lässt. Der Auftritt im Oran Mor in Glasgow war aber etwas Besonderes, weil er mal wieder mein ganzes Leben auf den Kopf stellte, indem dort der Grundstein für meine jetzige glückliche Beziehung gelegt wurde.
20. Mai 2011: Iron Chic (Köln - Aetherblissement)
Neben all den persönlichen Highlights der ganzen Konzerte, für die Musik nur am Rande etwas kann, sind es letztlich aber die Bands auf der Bühne, die es nach all den Jahren immer wieder schaffen, mir den Kick zu geben und die es einfach nicht langweilig werden lassen, sich die Abende in komischen kleinen Läden mit lauter Musik um die Ohren zu schlagen. Hier für steht stellvertretend die amerikanische Band Iron Chic, die letztes Jahr das erste Mal in Europa spielte und in Köln restlos begeisterte. Der Auftritt fand im Aetherblissement statt, einem kleinen Schuppen, unscheinbar in Köln neben dem Sonic Ballroom gelegen. Es gibt keine Leuchtreklame oder ähnliches, nur eine weiße Tür, die in eine art Werkstatt-Garage führt und die nur an Hand der vielen Band-Aufklebern erahnen lässt, dass sich dahinter ein Etablissement verbirgt. Selten habe ich eine Punkshow mit so einer positiven Energie erlebt, die gleichermaßen Band und Publikum ausgestrahlt haben.
Es ist symptomatisch, dass inzwischen mittels des Internets eine organisierte Szene existiert, die Bands jenseits der Konzertagenturen nach Europa bringen kann und sogar für ausverkaufte Häuser sorgt. Der Kartenvorverkauf findet via E-Mail oder ticketdirect statt, Bands aus den USA finanzieren sich Touren über Kickstarter (z. B. RVIVR) und verkaufen ihre Musik direkt über Bandcamp.
Ob ich es noch auf weitere 1000 Konzerte bringen werde, ist fraglich, aber die bislang gesehenen möchte ich nicht missen, nicht einmal so Sünden wie BAP oder Barclay James Harvest.
Und solange auf der Bühne Leute meines Alters so viel Spaß haben wie Superchunk letztes Jahr in London, so lange kann ich mich vor der Bühne auch noch vergnügen.
Rock On!
Sonntag Abend, Tatort-Zeit. Ganz Deutschland schaute Jan-Josef Liefers zu, wie er in Münster mal wieder irgendeinen Mordfall löste. Ganz Deutschland? Ein kleines Häufchen Musikfans verirrte sich stattdessen ins Bonner Bla, um sich ein recht kurzfristig angesetztes Konzert der Ermittler von CSI: Jena, auch bekannt unter dem Namen Dÿse, anzuschauen.
Auf der kleinen Bühne waren bereits Schlagzeug und ein überdimensioniertes Effektbrett aufgehört, die den ungeübten Ermittler zu dem Schluss zwangen, dass es keine Vorband geben würde. Doch gegen halb neun traten drei Männer auf die Bühne und spielten gut 20 Minuten altmodischen 90er Jahre Noiserock.
unbekannte Vorband
Leider blieb das Trio für mich namenlos, weil nicht der Sänger mit seinem Mikro sondern der Schlagzeuger die Ansagen machte und eine eventuelle Nennung des Bandnamens leider unterging. Die Musik konnte jedenfalls überzeugen und als Instrumentalduo wären sie sogar sehr gut gewesen, da das Keifen des Sängers leider etwas störend wirkte.
Dÿse sind ja bekannt für ihren Humor, hatte auf ihrer Facebook-Seite auch den Auftritt mit den Worten "gleich nach'm Tatort" angekündigt. Sie bauten dann bereits ihren Soundcheck in ihre Show ein, ehe es dann kurz vor halb zehn richtig begann. Tags zuvor hatten sie in Köln beim Blowfest gerockt, am Montag stehen sie mit den Beatsteaks in Basel auf einer ungleich größeren Bühne. Da hätte man meinen können, dass so eine Show vor vielleicht 25 Anwesenden mal eben so runtergespult würde. Doch Routineshows scheint es bei ihnen nicht zu geben.
Sie hatten merklich Spaß auf der Bühne, bauten mal wieder Lieder, die man gerne vergessen würde, in ihr Set ein (diesmal Live Is Life von Opus, das nahtlos in Rhythmus überging) und erwiesen sich als Meister des gepflegten Kalauers (ich sage nur "Costalis kegelt"). Endlich gab es auch ein Lebenszeichen in Form eines neuen Songs, einer kurzen, knackigen Nummer mit dem Arbeitstitel Geld.
Gitarrist André verriet auch, dass dieses Jahr ein neues Album in Angriff genommen wird, die Demos sollen bereits im April eingespielt werden, die eigentlichen Aufnahmen dann im Sommer erfolgen und für 2013 ist dann eine große Welttournee geplant, na ja zumindest meinte er, dass sie nächstes Jahr auch wieder nach Dortmund kommen wollen.
Nach gut einer Stunde wollten sie sich verabschieden, aber eine Zugabe wurde verlangt und so wurde zum Abschluss der Zebramann präsentiert, denn ein Sonntag Abend hat erst ein gelungenes Ende, wenn die Tatort-Ermittler den Schurken präsentieren konnten.
Was soll man von einem Konzert erwartenn, dass Leatherface-Bassist Graeme Philliskirk auf ihrer Facebook-Seite so ankündigt:
"So Munster tonight, the last show of the tour! Frankie's broken collar bone is getting better, his voice is going and fears he may be unemployed by the end of the tour? Dickies throat infection is worse and he can't speak, which is nice as his hand gestures seem to mean something now? Skruff is exhausted! Mick thinks his head will be fucked for sometime upon his return home and my broken hand feels slightly better? Bring it on tonight..."
Doch bevor die Invaliden-Combo aus Sunderland sich ins Grab spielen konnte, durften erst einmal drei Herren aus Auckland, Neuseeland den Abend eröffnen. Kerretta nannten sich die drei und hätten musikalisch besser zu Bands wie And So I Watch You From Afar oder Gifts From Enola gepasst. Instrumentaler Rock, mit Hingabe gespielt und live deutlich überzeugender als auf Platte, entlockte auch den mit dieser Musik sicherlich nicht so vertrauten anwesenden Punks reichlich Applaus.
Kurz nach zehn kamen dann Leatherface als Quartett auf die Bühne. Frankie Stubbs trug seinen linken Arm wegen eines gebrochenen Schlüsselbeins in einer Schlinge, stilecht aus einem Schal seines Lieblingsvereins Sunderland FC. Für ihn spielte ein junger Bursche der Sunderlander Band Loudmouth Gitarre. Dennoch ließ es sich Mr. Stubbs nicht nehmen, immer wieder zu seinen Shuffle über die Bühne anzusetzen, auch wenn er sich manchmal dann doch schmerzverzerrt an die Schulter packen musste. Aber mindestens genauso oft huschte ein Lächeln über sein Gesicht, waren die letzten Auftritte im Gleis doch immer grandiose Shows und das an diesem vernieselten Montag im Vergleich zu früheren Jahren nicht ganz so zahlreiche Publikum feierte ihn gebührend ab. Seine Stimme war zwar wie angekündigt nicht die beste, dafür klang sein kehliger Gesang ohne Gitarre noch ausdrucksvoller.
Die Setlist unterschied sich kaum von der der letzten zwei Jahre seit Erscheinen des letzten Studioalbums The Stormy Petrel. Nach dem Ende des regulären Sets mit Dead Industrial Atmosphere versorgte Gitarrist Dickie Hammond wieder den am durstigsten aussehenden Fan in der ersten Reihe mit Bier (vielen Dank dafür). Im Zugabenteil wurden dann bei Hops & Barley wieder alle traditionell über den aktuellen Trainer von Sunderland informiert ("Martin O'Neill's red and white army"), da sich das ja seit der letzten Tour mal wieder geändert hatte.
Doch auch danach war noch nicht Schluss. doch statt des in den letzten Jahren gewohnten Rausschmeißers You Are My Sunshine ließ sich Frankie Stubbs zur Überraschung aller doch die Gitarre umschnallen und der Auftritt endete mit Not Superstitious. Mr. Stubbs zog noch einmal zum Dank seinen Xaver-Unsinn-Gedächtnis-Hut vor dem Münsteraner Publikum und nach 75 Minuten war ein erneut grandioses Konzert vorüber.
Setlist:
Springtime
Never Say Goodbye
God Is Dead
My World's End
I Want The Moon
Watching You Sleep
Diego Garcia
Little White God
Hoodlum
Peasant In Paradise
Broken
Disgrace
Pale Moonlight
Dead Industrial Atmosphere
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Not A Day Goes By
Colorado Joe / Leningrad Vlad
Hops & Barley
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Not Superstitious