Samstag, 30. März 2013

Heirs / Ascetic:

Heirs / Ascetic: / Atomic Neon

27.03.13 FZW, Dortmund

Das FZW in Dortmund erhält bekanntlich Fördermittel von der Stadt, weshalb im Gegenzug nichtkommerzielle Veranstaltungen im Club zum Zweck der Jugendkulturförderung durchgeführt werden. Die Tor de australischen Bands Heirs und Ascetic: fand deshalb nicht als normales Konzert statt, sondern wurde vom Jugendamt Dortmund unter dem Begriff "Australian Explorers" für läppische vier Euro Eintritt präsentiert:
"Unter dem Motto "Music Experience" startet die neue "Global Community" - Veranstaltungsreihe unter Beteiligung von Bands und Musikgruppen aus anderen Kontinenten. Dabei geht es keinesfalls um die Manifestierung "typischer Stereotypen" einer bestimmten Kultur, sondern vielmehr um die Zeichnung einer Vielfalt und Ausdruckstärke, individueller und selbstbestimmter Lebensstile, denen in der Umkehrung wiederum ein gemeinsam erfahrbares und identitätsstiftendes globales "Branding" innewohnt." (Quelle: FZW)

Ascetic:

Doch zuerst wurden von der Essener Band Atomic Neon leider doch typische Stereotypen verbreitet, nämlich die von der überflüssigen Vorgruppe. Das Quintett mit Gruftie-Keyboarderin und -Bassistin und Metal-Gitarrist überraschte zunächst mit einem rockigen, fast an Killing Joke erinnernden Stück, bei dem der untersetzte Sänger, auch im dunklen Club ständig eine Sonnenbrille tragend, noch kräftig röhrte. Doch danach erfüllten sie meine Erwartungen, die ich nach Hören ihrer letzten EP hatte: eine schlechte Cure-Coverband ohne gute Cure-Songs. Sogar stimmlich wurde Robert Smith imitiert, allerdings misslungen. Nun, dass sie mir nicht gefielen, war nicht weiter schlimm, so etwas kommt vor. Dann geht man halt raus, raucht eine Zigarette und schaut sich z. B. die sehenswerten Animationen am Dortmunder U an.

Dortmunder U bei Nacht

Manche kamen auf ähnliche Ideen und gingen mal eben zum Kiosk auf ein Bierchen. Doch als sie eine halbe Stunde später wiederkamen, mussten sie entsetzt feststellen, dass die Band immer noch spielte. Erst nach sage und schreibe genau einer Stunde war der Spuk endlich vorbei, eine ungewöhnlich, ja geradezu unverschämt lange Spielzeit für eine lokale Vorgruppe.

Ascetic:

Danach konnte man sich endlich der Kultur des australischen Kontinents widmen, zunächst in Form von Ascetic:. Natürlich hörte man auch bei ihnen ihre Einflüsse wie z. B. Nick Cave (die Blaupause für alles Dunkle aus Australien schlechthin) oder die Swans deutlich raus, aber verkam ihre Musik nie zu einer bloßen Kopie, sondern hatte eindeutig eigenständigen Charakter. So brachen sie die Dark Wave-Strukturen immer wieder durch krachende Passagen auf, die hierbei vor allem vom Bass getragen wurden.


Nach 35 Minuten war Schluss, wobei ich hier gerne noch länger hätte zuhören können. Wer auf den Geschmack gekommen sein sollte, dem sei ihr Album bei Bandcamp ans Herz gelegt. Bei der folgenden Umbaupause blieben die drei Herren von Ascetic: gleich auf der Bühne und wurden komplettiert durch den Gitarristen und Heirs-Kopf Brent Stegemann, der aussah wie der Biker von den Village People mit Mr. T-Frisur. Als optischer Effekt wurden kleine Neonröhren auf der Bühne platziert, die sich auch gleich als sinnvoll erwiesen.

Heirs

Während schon das Intro lief, frickelte Stegemann noch wild an seinem Effektbrett herum, einem schier undurchsichtigen Gewirr aus Pedalen und Kabeln.Irgendwo stimmte was nicht und hektische Betriebsamkeit setzte ein, wobei die Neonröhren das benötigte Licht spendeten. Die Verbindungen wurden geprüft und erst nach fast zehn Minuten schien alles wieder in Ordnung zu sein und der Gig konnte beginnen. Heirs' Musik lässt sich in dem ausufernden Genre Postrock einordnen, instrumentale Musik von meist epischer Breite und teils brachialer Soundgewalt. Für dieses Inferno war die Bühne passenderweise die ganze Zeit in rotes Licht getaucht und ein Nebel des Grauens waberte immer wieder durch den Club des FZW.


Man merkte der Band an, dass sie durch die technischen Probleme zu Beginn nicht gerade in allerbester Spiellaune waren und auch das Publikum, knapp 80 Besucher dürften es nach meiner allerdings fast immer unzuverlässigen Schätzung nach gewesen sein, wirkte wegen der vorgerückten Uhrzeit nicht mehr besonders enthusiastisch. Und so ertönte nach gut 40 Minuten bereits die wunderschöne Bass-Melodie von Drain von ihrem zweiten Album Fowl und läutete das ende des Abends ein, denn auf eine Zugabe wurde verzichtet.


Ein Abend mit zwei tollen australischen Bands, die ich mir das nächste Mal sicher gerne wieder ansehen werde, wurde durch technische Probleme und vor allem eine überflüssige und viel zu lang spielende deutsche Band leider etwas geschmälert, aber zum Glück nicht ruiniert.

Sonntag, 24. März 2013

Divorce

Divorce / Pfandflasche

23.03.13 Baustelle Kalk, Köln

Glasgow verfügt sicher über eine der lebendigsten Musikszenen der Welt und daher verwundert es auch nicht, dass sie auch für so ein abseitiges Genre wie Noise-Rock einen reichhaltigen Nährboden bietet, wie z. B. die leider verblichenen Take A Worm For A Walk Week. Eines der dort blühenden Nachtschattengewächse sind Divorce, die für das Genre untypisch nur ein männliches Mitglied am Schlagzeug haben. Nach diversen Singles und EPs hat das Quartett letztes Jahr sein erstes Album veröffentlicht und tourt damit nun durch Europa, wobei sie mit dem T.A.W.F.A.W.W.-Nachfolge-Projekt Rungs den Tour-Auftakt letzten Sonntag im Nice'N'Sleazy bestritten, man kennt sich halt in Glasgow.

Divorce

In NRW machten sie dabei nur in einem Hinterhof Station. Die Baustelle Kalk ist ein Kulturverein, der sich zu seinem einjährigen Bestehen mit einer Ferienschule vorstellt und das Konzert stellte die Eröffnungsfeier dar. Als Vorgruppe hatte man daher eine lokale Schülerband gesucht und in Pfandflasche auch gefunden. Die vier Jungs scheinen, wie man aus den Gesprächen der anwesenden Freunde und Mitschüler entnehmen konnte, gerade ihr Abitur gemacht zu haben. Offenbar gingen sie sehr ambitioniert an ihren Auftritt heran. Der Sänger/Keyboarder trug etwas, das man mit gutem Willen als dandyhaften Morgenmantel bezeichnen könnte, während der Bassist auch schon vor dem Auftritt ständig eine Sonnenbrille trug. Als sie erfuhren, dass sie nur eine halbe Stunde Zeit hätten und daher ihre Setlist etwas optimieren müssten, setzten bandinterne Diskussionen ein, wie man dennoch die ausgewogene Struktur des Sets wahren könnte. Die Musik entpuppte sich dann als deutschsprachiger Indie-Pop á la Die Sterne. Bei den Texten merkte man deutlich an, dass es noch eine sehr junge Band ist, aber gut gespielt war die Musik, auch wenn sie manchmal doch den älteren Anwesenden wie u. a. dem Sänger von EA 80 ein Schmunzeln entlockten, während die Kids vor der Bühne heftig abtanzten. Dem als Direktor der Ferienschule fungierenden Künstler Dejan Spasovski gefielen sie aber scheinbar so gut, dass er ihnen eine Zugabe zugestand und mit frischem Wodka-O in der Hand auf der Bühne mittanzte.

Divorce

Tanzmusik war von Divorce nicht zu erwarten, pendelt ihre Musik doch zwischen fast atonalem Lärm und rhythmischer Monotonie, wobei über allem Sängerin Jennie Fulks sägendes Organ liegt. Für den Auftritt in Köln hatte sie sich in ein Bärchen-Karnevalskostum gepackt, in dem sie ständig durch den kleinen Raum nicht nur hin und her wuselte, sondern auch manchmal rauf und runter, wenn sie den Halt verlor und unfreiwillig auf dem Boden landete.


Eine Dreiviertelstunde wurde geschrien und gerockt, wobei ich überraschenderweise die Musik auf Platte als noch intensiver und verstörender empfinde, was auch daran liegen mochte, dass gerade meine Lieblingsstücke Cunts In A Circle und Pencils Giant Pencils nicht gespielt wurden. doch dafür versöhnte das großartige Stabby Stab. Zeit für eine Zugabe war auch noch und um kurz nach zehn war dann Schluss, der Hinterhof-Lage und den Nachbarn geschuldet.


Herzlichen Glückwunsch an die Baustelle Kalk zum ersten Geburtstag und dass sie diese tolle Band nach Köln geholt haben.

Freitag, 22. März 2013

RVIVR

RVIVR / Dogjaw

20.03.13 Haus Mainusch, Mainz

Manchmal bringt wachsender Erfolg einer Band Reisestrapazen mit sich. Mit frischem Album The Beauty Between im Gepäck sind RVIVR gerade zum dritten Mal auf Deutschland-Tour und spielen Anfang April wie schon auf beiden Tourneen zuvor im Kölner Aetherblissement. Doch diesmal ist der Auftritt bereits im Vorfeld so schnell restlos ausverkauft, dass ich mir eine Alternative suchen musste und mich daher auf den Weg nach Mainz machte. Auch das Mainzer Konzert war im Vorfeld aus"reserviert", hier konnte man keine Tickets erwerben, sondern sich anmelden und musste die Reservierung bis halb neun abends einlösen.


Also in Dortmund den ICE direkt nach Mainz geentert, Ankunft um kurz nach halb acht sollte ja auch locker reichen. Doch die Bahn macht ihre Fahrten immer mehr zu Abenteuerreisen, denn kurz nach Wuppertal kam die Durchsage, dass man wegen einer Stellwerk-Störung in Köln noch nicht wisse, ob, wie und wann es weitergehe. Nach Umleitungen erreichte ich schließlich mit über vierzig Minuten Verspätung um kurz vor halb neun den Mainzer Hauptbahnhof und war eine Viertelstunde später im kleinen autonomen Haus Mainusch am Uni-Gelände. Die netten Leute vor Ort hatten die Reservierung auch noch nicht verfallen lassen, so dass der entspannte Teil der Reise beginnen konnte.
Um 21:15 begannen Dogjaw, RVIVR-Freunde und ebenfalls  aus Olympia, WA., mit ihrem Set. Sie rockten in der Tradition von Bands wie Bikini Kill und überzeugten damit das Publikum, denn der kleine Anbau in Doppelgaragen-Größe, in dem das Konzert stattfand, füllte sich zusehends.

Dogjaw
Mich überzeugten vor allem die langsameren Stücke und auch die kleine Spielerei mit einem Loop-Gerät zum Ende. Anhören kann man sich die Band auf ihrer Bandcamp-Seite.
RVIVR zählen seit ihrem ersten Album zu meinen Lieblingsbands und haben mit The Beauty Between für mich das bislang beste Album im Jahre 2013 abgeliefert, selten klang eine Auseinandersetzung mit Gender-Themen und Teenage Angst so positiv. Viele der neuen Songs waren mir schon bekannt, denn zwei erschienen bereits letztes Jahr auf der Belebend-Single zur damaligen Tour und drei weitere sind ebenfalls 2012 auf dem Solo-Album von RVIVR-Sängerin/Gitarristin Erica Freas zu finden, auch hier lohnt ein Klick auf ihre Bandcamp-Seite.

RVIVR

Als RVIVR gegen viertel nach zehn anfingen, war der Konzertraum rappelvoll, doch nach kurzem Gedränge hatten scheinbar alle ihre Position gefunden, so dass man nicht befürchten musste, dass Chaos ausbrach, denn es gab keine Bühne, die Band spielte ebenerdig und bei wildem Pogo wäre schnell jemand ins Equipment gepurzelt. Wirkte Sänger Matt Canino schon mal leicht angespannt bei Konzerten, hatte er an diesem Abend offenbar gute Laune und ließ sich diese auch durch mehrfache Saitenrisse nicht vermiesen.
Während er andere Saiten aufzog, überbrückte Erica die Pausen. Sie erzählte von ihrem Besuch auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände am Morgen, wo sie nicht widerstehen konnte und die braunen Ruinen einfach anpinkeln musste. Das scheint ein natürlicher Reflex zu sein, denn vor Jahren überkam mich an gleicher Stelle ebenfalls dieser unwiderstehliche Harndrang. Bei einer anderen Reparatur-Unterbrechung spielte sie Real Mean einfach schon mal alleine an, ehe die Band nach vollzogenem Saitenwechsel dann einstieg.


Nach einer Dreiviertelstunde war Schluss, aber nach einer Stärkung mit einer Runde Jägermeister, scheinbar ein Service des Hauses für Bands und Besucher gab es noch zwei Zugaben mit Cut The Cord als finaler Hymne. Natürlich hätte ich gerne noch mehr gehört, z. B. Seethin' oder The Hunger Suite vom neuen Album, aber auch so war diese Stunde mehr als befriedigend und sorgte für genug positive Energie und Adrenalin, um auch die anschließenden dreieinhalb Stunden im IC zurück nach Dortmund wie im Flug vergehen zu lassen.


Mal schauen, vielleicht fahre ich auf gut Glück auch noch nach Köln und hoffe, dort noch irgendwie an ein Ticket zu kommen, denn wert sind es RVIVR auf jeden Fall.

Dienstag, 19. März 2013

Yo La Tengo

Yo La Tengo

12.03.13 Zakk, Düsseldorf

Mein Lieblingssong von Yo La Tengo ist Blue Line Swinger mit seiner hypnotischen Repetition, in der die Gitarrensoli sich verlieren. Dieses Merkmal bestimmt auch das aktuelle Album Fade, allerdings mit deutlich gesetztem Drive, so dass man fast von einem Alterswerk reden könnte. Dem ruhigeren Grundton gemäß erwartete ich einen besinnlichen Abend im Zakk, gepaart allerdings mit einer gehörigen Portion Neugier, angefacht durch einen Tweet, der zwei Live-Sets für den Abend ankündigte.
Die Bühne war vollgestopft mit mehreren Keyboards, zwei (!) Schlagzeugen, eins im Hintergrund und eins am Rand der Bühne sowie dekorativen Pappbäumen. Um kurz nach halb neun kamen Ira Kaplan, Georgia Hubley und James McNew hinzu und Ira schaute kurz an den Bühnenrand, ob sich auch alle an die Aufforderung auf den Zetteln hielten und stellte nach positivem Check zufrieden fest, dass man ja anfangen könne.

Appell an die vorderen Reihen im Zakk

Eine Dreiviertelstunde standen ruhige Töne im Vordergrund, die Hälfte der neuen Platte wurde gespielt, dabei spielte Georgia ihr vorderes Schlagzeug hauptsächlich mit Besen und zwischendurch auch mal Keyboard, während James häufiger in die Saiten einer akustischen Gitarre griff als den Bass zu zupfen. Auch Iras Gitarrenspiel war sehr reduziert. Mit dem Lovin' Spoonful-Song Butchie's Tune wurde auch die erste Coverversion des Abends eingestreut, der Klassiker Big Day Coming in der langsamen Version beendete dieses erste Set. Dabei entlockte Georgia ihrer E-Gitarre an Walgesänge erinnernde Töne und gab so einen Ausblick auf den zweiten Teil des Konzerts.


Eine halbe Stunde wurde danach umgebaut, das vordere Schlagzeug und die Keyboards von Georgia und Ira verschwanden, die Deko wurde weiter nach hinten gerückt. Die zweite Hälfte begann mit Stupid Things, der Vorab-Single vom neuen Album, einem gemäßigten Einstieg, ehe es mit We're An America Band zum ersten Mal so richtig laut wurde. Autumn Sweater in seiner gitarrenlosen Schönheit erinnerte an einen Remix während Sugarcube so richtig rockte. Danach wurde der Opener Ohm noch einmal gespielt und gefiel mir in der lauteren Version noch besser, groovte wie ein hypnotisierendes Mantra vor sich hin.

Yo La Tengo
Parallel lief die Champions League und was die Mannschaften dort nicht schafften, gab es im sehr gut gefüllten Zakk: eine Verlängerung, allerdings erst nach 110 statt 90 Minuten.
Gleichzeitig schien der Zugabenblock die Kür zu sein, denn nun wurden nur noch Fremdkompositionen dargeboten. Los ging es mit The Velvet Underground, bekanntlich einer der größten Einflüsse auf Yo La Tengo, gefolgt von den Troggs und Neil Young, ehe Yellow Sarong von The Scene Is Now, aber eigentlich eher bekannt durch Yo La Tengos Version auf Fakebook, den Abend akustisch nach über zwei Stunden beendete.


Live gefallen mir die krachigeren Töne doch noch eine Spur besser, was aber nur bedeutet, dass sie noch großartiger klangen als die ruhigeren. Denn egal, ob laut oder leise, Yo La Tengo sind immer für herausragende Konzerte gut und so eins war der Auftritt im Zakk auf jeden Fall.

Setlist:
Ohm
Is That Enough
Double Dare
Butchie's Tune
The Point Of It
Cornelia And Jane
I'll Be Around
Black Flowers
Big Day Coming
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Stupid Things
We're An American Band
(Straight Down To The) Bitter End
Autumn Sweater
Well You Better
Shaker
Sugarcube
Ohm
More Stars Than There Are In Heaven
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She's My Best Friend
With A Girl Like You
Time Fades Away
Yellow Sarong