Mittwoch, 30. Mai 2012

30. Pfingst Open Air Werden

30. Pfingst Open Air Werden

w/ Cloud Nothings / You Say France & I Whistle / KMPFSPRT

Es ist Pfingstmontag, die Sonne strahlt heiß, da verbringt man doch den Tag am liebsten im Schwimmbad.
Die Badeanstalt meiner Wahl war das Strandbad in Essen-Werden, idyllisch im Löwental direkt an der Ruhr gelegen. Zum 30. Mal fand hier das inzwischen traditionelle Pfingst Open Air statt, eine Umsonst&Draußen-Veranstaltung, auf der ich in früheren Jahren schon Bands wie Fehlfarben, Hot Water Music, Biffy Clyro oder The Lemonheads gesehen habe.
Letztes Jahr fiel das Festival aus, da man nach dem Unglück bei der Love Parade in Duisburg die verschärften Sicherheitsmaßnahmen nicht umsetzen konnte. Dieses Jahr wurde die maximale Besucherzahl auf 13.000 festgesetzt (vor zwei Jahren waren ca. doppelt so viele da) und durch Zählungen an den Einlassgattern sicher gestellt, dass bei Erreichen der Kapazitätsgrenze keine weiteren Besucher auf das Gelände gelassen wurden.
Richtig große Namen fehlten zwar, aber drei Bands wollte ich mir gerne anhören und zum Glück spielten diese drei auch noch direkt hintereinander am späten Nachmittag, so dass ich dem üblichen Gedrängel am S-Bahnhof nach Festivalende aus dem Weg gehen konnte.
Ich kam gegen 16 Uhr am Gelände an und alles war entspannt. Für die einzige Anspannung sorgte die gerade aufspielende Ska Big Band, die zwar optisch fein rausgeputzt war, sich die Namensnennung aber durch so furchtbare, krampfhaft lustige Lieder wie Ich hasse Brokkoli nicht verdiente.

KMPFSPRT
Danach gab es KMPFSPRT aus Köln. Und wer da meint, das ist doch kein Name für 'ne Band, der zitiert damit den Titel ihrer Debüt-EP, die musikalisch und textlich im deutschen Punkrock der Marke Turbostaat oder frühe Muff Potter liegt. Vor allem der leicht kehlige Gesang hebt sie angenehm von anderen neuen Bands wie Frau Potz ab. Live konnten sie auch mit fettem Sound und sympathischer Art überzeugen und füllten zunehmend den Raum vor der Bühne und brachten die Leute dazu, trotz der Hitze ausgiebig zu pogen.


Mit komischen Bandnamen ging es weiter, denn You Say France & I Whistle aus Schweden standen nun auf dem Programm. Das Quintett bot beschwingten Indie Dance Pop, der von den Melodien her deutlich an I'm From Barcelona erinnerte. Dazu sprühten sie einfach vor unbändiger Spielfreude, man merkte ihnen den Spaß am Auftritt zu jedem Zeitpunkt an, es wurde wild herumgetobt und sich gegenseitig angeflachst

You Say France & I Whistle
Diese ausgelassene Stimmung übertrug sich auf das Publikum, dass begeistert mitfeierte. Und die Band bedankte sich dafür auf nette Art. Da sie nach ihrem Auftritt noch einen Flug erwischen müssten, hätten sie keine Zeit, um Merchandise zu verkaufen und so warfen sie einfach einen Schwung CDs und T-Shirts ins Publikum. Sie präsentierten sich überhaupt nicht als Angry Men, dem Titel ihres ersten und bislang einzigen Albums, sondern als ausgelassene Rasselbande, die genau den richtigen Ton für eine Beach Party traf.


Bereits drei Alben haben die Cloud Nothings aus den USA veröffentlicht und werden schon mit Größen wie The Strokes verglichen. Dabei schaffen sie den Spagat zwischen eingängigen Songs und auch Sonic Youth-haftem Geschrammel.


Live konnte das allerdings nicht durchgängig überzeugen. Die schnellen Songs waren richtig gut, doch drifteten sie schnell ab. Fall In in langem Feedback enden zu lassen, das dann nahtlos ins nächste Lied überging, war noch ok, doch irgendwann wurde es schmerzhaft. Minutenlang groovte der Rhythmus vor sich hin, während Sänger Dylan Baldi vor seinem Monitor fast regungslos stand und seiner Gitarre schrillstes Gefiepe entlockte, dass sich selbst der Mann am Mischpult die Ohren zuhalten musste. Ob Hunde auf dem Festivalgelände daraufhin Amok liefen, ist allerdings nicht bekannt. Erträglich wurde das Ganze nur durch den Drummer, ein Hüne hinter einem dazu winzig wirkenden Schlagzeug, der virtuos für Abwechslung im Lärm sorgte.

Cloud Nothings
Man merkte auch an der Reaktion des Publikums, dass die Cloud Nothings damit etwas den Bogen überspannt hatten, denn zu mehr als höflichem Applaus reichte es nach dem Set nicht.
Danach ging es dann nach Hause, die beiden restlichen Bands schenkte ich mir. Insgesamt wurden ca. 11.500 Besucher gezählt, es war sehr entspannt im sonnigen Löwental, so dass weiteren Ausgaben des Festivals wohl nichts im Weg stehen dürfte.

Montag, 28. Mai 2012

Immanu El / Honig

Immanu El / Honig

27.05.12 Hafenliebe, Dortmund

Dortmund hat malerische Ecken, auch wenn natürlich an jeder die dreckige Arbeiterstadt um die Ecke schaut. Eine davon ist der Hafen, keine pompöse Touristenattraktion wie in Hamburg, sondern ein reiner Güter- und Industriehafen. Mit uns stiegen aus der Bahn ca, 20 weitere Leute aus, die optisch durchaus wie typische Besucher eines Indie-Konzerts wirkten. Sollten wir etwa einen möglichen Hype um die schwedische Band Immanu El verpasst haben und es würde ein proppevolles Konzert werden? Doch die Massen drängelten nur an Bord der Santa Monica, eines Fahrgastschiffs, das die heimischen Kanäle abfährt und diesmal Schauplatz einer Indierock-Party war und das gegenüber der Hafenliebe vor Anker lag.

Altes Hafenamt, Dortmund
Die Hafenliebe selber ist ein Gebäude in Schiffsform unterhalb des spektakulären Alten Hafenamts mit einem Biergarten direkt am Kanal, den man angesichts des herrlichen Wetters natürlich direkt aufsuchte. Gegen neun kamen auf einmal lautere Töne aus dem Gebäude gefolgt von Applaus, ein Zeichen, sich ebenfalls ins Innere zu begeben und die Vorgruppe Honig anzuschauen.

Honig
Honig besteht aus dem Düsseldorfer Stefan Honig, der solo seine Lieder zum Besten gab. Dabei weckte er sofort Assoziationen zu John K. Samson oder in noch sanfteren Momenten auch an Sufjan Stevens. doch Honig verfügt trotz seines Aussehens wie ein Deutschlehrer (zumindest wie meine) über eine bei Bedarf kräftigere Stimme, die so seinen Songs Ecken und Kanten verleiht und sie im Ohr bleiben lässt. Zudem vefügt er auch noch über Humor, bat er doch um den Kauf seiner CDs zur Finanzierung seines Projekts "Arbeitslosigkeit 2012". Gegen Ende des Sets schaffte er es dann auch noch, den eindruck zu erwecken, es stünde eine ganze Band auf der Bühne, indem er seine Gitarre und Stimme loopte und so vervielfältigte.


Sein neues Album erscheint zwar erst im September, aber die live daraus gespielten Stücke machen Lust darauf.
Während anschließend auf der Bühne nicht viel umzubauen war, setzte geschäftiges treiben im Raum ein, denn mittels einer wackeligen Leiter wurden die Scheinwerfer unter der Decke ausgeschaltet. Immanu El spielen nämlich am liebsten im Dunkeln und zudem sollen so die Projektionen auf die Wand hinter der Bühne besser wirken.

Immanu El
Die Videoaufnahmen wurden nämlich von der Band selber während einer Seereise von Schweden nach China, die sie als Teil der Crew eines Segelschiffs mitmachte, aufgenommen und dienten als Inspiration für ihr aktuelles, im November letzten Jahres erschienenes Album In Passage. Die Symbiose aus Bild und Ton passte hervorragend und bannte auch die gut 70 Zuhörer, die angenehm still und andächtig lauschten und staunten.


Sänger Claes Strängberg schien der Auftritt, der Abschluss einer dreiwöchigen Tour und zugleich ihr erster in Dortmund überhaupt, zu gefallen, grinste er doch fast ständig wie ein bekifftes Honigkuchenpferd.
Der Sound war für so einen kleinen Laden erstaunlich gut und klar und auch die wenigen brachialeren Passagen waren zwar laut aber nie unangenehm. Mit Agnes Day, einem dieser seltenen Gitarrengewitter, endete nach gut einer Stunde das reguläre Set im Stroboskop-Feuer. Hier durfte sich auch Schlagzeuger Jonatan Josefsson mal so richtig austoben und so weckte das Stück nicht nur bei mir Assoziationen an die Schotten von Aereogramme.

Immanu El
Enthusiastischer Beifall holte die fünf Schweden noch einmal zurück auf die Bühne und als Zugabe sorgte dann Under Your Wings I'll Hide von ihrem Debütalbum They'll Come, They Come für einen würdigen Abschluss eines großartigen Abends.


Sonntag, 27. Mai 2012

Bridge And Tunnel

Bridge And Tunnel / Above Them / Goodbye Fairground

25.05.12 Aetherblissement, Köln

Ein sonniger Freitag im Mai, junge Menschen stehen gemütlich beisammen und trinken das ein oder andere Bierchen, dazwischen wuselt ein älterer Italiener in Schlappen und Feinripp-Unterhemd herum, also Alltag in Köln-Ehrenfeld.
Einige betraten auf Grund der Menschenansammlung schon mit gezückter Brieftasche das Aetherblissement, um dann gesagt zu bekommen, dass der Sonic Ballroom eine Tür weiter ist, wo auch das große Schild den Namen des Clubs weithin sichtbar verkündet.

Goodbye Fairground
Daher war es gegen halb zehn, als Goodbye Fairground den musikalischen Teil des Abends eröffneten, noch recht überschaubar vor der Bühne. Aber das schien dem Sänger durchaus recht zu sein, stand er doch mehr vor als auf der Bühne, wo es mit ihm trotz der heutigen Quintett-Besetzung statt des üblichen Sechser-Packs auch recht eng geworden wäre. Goodbye Fairground konnten wieder überzeugen mit ihren Gaslight Anthem-Referenzen und dem Midtempo-Gainesville-Sound, nur die Bühnenpräsenz abseits des Sängers war noch etwas schüchtern und ist ausbaufähig.


Danach kamen dann die Briten von Above Them, eine weitere Band, die wie auch verwandte Combos wie die Bangers oder Milloy ihre Existenz wahrscheinlich Leatherface schulden, auch wenn hier und da eine Prise Doctor Bison zu schmecken war. Aber das sind ja eine wahrlich gute Referenzen und so konnte das Quartett mit seinem englischen Punkrock und rauem Gesang sicherlich viele neue Freunde finden.

Above Them
Bridge And Tunnel sind wie RVIVR aus der Asche von Lattermann entstanden und teilen zudem die gleichgeschlechtlich verteilte Quartett-Besetzung. Doch anders als RVIVR mit ihren Hymnen, die zum Mitsingen geradezu geschaffen wurden, stehen Bridge And Tunnel eher für die introvertierte Seite.
Auch sie rockten zwischendurch gewaltig, aber immer war es eine Spur zu vertrackt oder zu langsam, um die ebenfalls gewaltige Energie in Bewegung umsetzen zu können.


Doch dies soll keineswegs als Kritik verstanden werden, denn dafür waren sie einfach zu gut. Das Set bestand hauptsächlich aus Stücken des zweiten Albums Rebuilding Year, das bereits im September 2011 erschienen war. Nach gut vierzig Minuten war Schluss. doch eine Zugabe konnte das mittlerweile gut gefüllte Aetherblissement der Band abringen.

Bridge And Tunnel
Ich weiß zwar nicht, wie gut die italienische Band Red Ska war, die parallel im benachbarten Sonic Ballroom spielte, aber ich bin mir sicher, auf dem besseren Konzert gewesen zu sein.


Sonntag, 20. Mai 2012

Nothington

Nothington / All Aboard / Stand Fast

16.05.12 MTC, Köln

Es gibt Bands, die scheinen ständig auf Tour zu sein. Nothington waren erst letztes jahr in Europa, pünktlich zur Veröffentlichung ihres Albums Borrowed Time. Und nur neun Monate später reisen sie schon wieder über einen Monat kreuz und quer über den Kontinent. Im August 2011 hatte ich sie im winzigen Waldmeister in Solingen gesehen und es war schön, dass sie diesmal das ungleich größere MTC in Köln scheinbar mühelos füllten.
Doch zunächst galt es, zwei Vorbands zu überstehen. Nein, dieser sonst so übliche Satz passte diesmal nicht, denn Stand Fast aus Münster und All Aboard aus Mönchengladbach kannte ich bereits, sind sie doch regelmäßig im Vorprogramm diverser Ami-Punk-Bands und freute mich auf sie.
Pünktlich um halb neun begannen Stand Fast und fegten wie ein Wirbelwind über die kleine Bühne. Ihre Mischung aus hyperaktiven Hardcore-Songs und Midtempo-Mitgröhlstücken war erneut ansteckend und der Spaß, den die fünf auf der Bühne zu haben schienen, übertrug sich mühelos auf das anfangs noch recht scheue und Sicherheitsabstand wahrende Publikum.

Stand Fast
Nach exakt 30 Minuten war Schluss, der strenge Zeitplan musste scheinbar eingehalten werden. Als nächstes dann All Aboard, die mich bislang live nicht immer überzeugt hatten. Gestern gab es musikalisch nichts zu meckern, sie rockten fett, das Bühnen-Outfit war gut gewählt (na gut, wer ein Off With Their Heads Shirt trägt, hat bei mir immer einen Stein im Brett) und auch der Raum vor der Bühne war nun sehr gut gefüllt und bereit zur Party. Nur Sänger David wirkte nicht so gut drauf, nöhlte mal hier mal da etwas rum und schien nicht so richtig bei der Sache zu sein. Vielleicht wirds beim nächsten Mal ein rundum gelungener Auftritt.

All Aboard
Nothington wechseln ja live häufiger die Musiker. Letztes Jahr half der Bassist von Spanish Gamble aus, dieses Mal Tim Browne, der Sänger von Elway, am Schlagzeug. Eigentlich sollte er auch noch solo ein paar Songs spielen, doch auf Grund des engen Zeitrahmens fiel sein Auftritt leider aus, da um 23 Uhr Schicht sein musste.

Nothington
Inzwischen war es richtig voll im MTC und die Luft zum Schneiden. Die ersten beiden Stücke war das Publikum noch etwas zurückhaltend, doch bei A Mistake wurden dann die Fäuste in die Luft gereckt, mitgegröhlt und dem Bewegungsdrang hemmungslos gefröhnt. Ab da war auch der Band der Spaß am Konzert nicht mehr aus dem Gesicht zu bekommen und sie rockten sich mit Hochgeschwindigkeit durch ihr Set. Dabei mischten sie die Songs ihrer bislang drei Alben bunt durcheinander, wobei der Auftritt wie aus einem Guss wirkte und auch von der Reaktion des Publikums kein Unterschied zwischen alten und neuen Liedern zu spüren war.

Nothington
Nach für ihre Verhältnisse langen 40 Minuten Spielzeit gingen sie das erste Mal von der Bühne, doch natürlich war noch Zeit für Zugaben. Dabei wurde dann kurzer Hand die Bühne von den Musikern von All Aboard und Stand Fast geentert, nachdem sie zuvor teilweise dezent im Hintergrund gestanden und vor allem Sänger Jay Northington immer wieder mit Getränken versorgt hatten. Mit Territorial Pissings von Nirvana schien es einen würdigen Schlusspunkt gegeben zu haben, aber es waren ja noch gut fünf Minuten Spielzeit über. Also setzte sich Jay die Brille auf, schnappte sich noch einmal die Gitarre und spielte fast solo This Time Last Year als erprobten Rausschmeißer.


Nothington bestätigten mühelos ihren Spitzenplatz in der Reihe der amerikanischen sogenannten Fest-Bands mit u. a. Dear Landlord und Banner Pilot, die ja als nächstes im August/September mal wieder vorbeischauen und nicht verpasst werden sollten.

Tu Fawning

Tu Fawning

15.05.12 FZW, Dortmund

Seine neue Platte A Monument zu nennen, könnte man als Größenwahn auslegen. Doch bei Tu Fawning sind Albumtitel und die begeisterten Rezensionen gerechtfertigt, zumal die Band das live auf der Bühne auch noch souverän bestätigen kann.
Vor zehn Monaten begeisterte das Quartett aus Portland mich und die übrigen Anwesenden im Druckluft so sehr, dass schon vor Einweihung des Monuments der Auftritt im FZW zum Pflichttermin wurde. Die ersten Hördurchgänge bestätigten die hohen Erwartungen, denn A Monument ist atmosphärisch aus einem Guss und knüpft nahtlos an seinen Vorgänger Hearts On Hold an.

Tu Fawning
Kurz nach neun kamen die vier auf die Bühne und direkt beim ersten Stück dachte ich, es würde kein guter Abend. Corrina Repp brach mitten im Lied ab, weil etwas mit ihrem Gitarren-Sound nicht stimmte und wirkte ziemlich genervt. Drummer Joe Haege kam zu Hilfe, das Problem schien behoben und er zählte den Song noch einmal an. Doch Repp wirkte immer noch nicht zufrieden. Daraufhin zählte er das Lied erneut an, diesmal mit lauterer und bestimmterer Stimme und ab da war alles gut.


Wieder schafften es Tu Fawning durch ihre Instrumentierung, einen unglaublich dichten, aber vielfältigen Sound zu kreieren und dabei auch auf der Bühne so viel Spektakel zu veranstalten, dass man gar nicht wusste, wohin man schauen sollte. Zwar wechselten sie die Instrumente nicht mehr ganz so wild wie letztes Jahr, nur Repp und Haege wechselten die Positionen an Schlagzeug und Gitarre, während Toussaint Perrault hinter seiner Percussion-Batterie blieb und dort manchmal zur Trompete griff und Liza Rietz die ganze Zeit am Keyboard verweilte mit der Geige in Griffweite.

Tu Fawning
Natürlich standen die neuen Stücke wie Anchor im Mittelpunkt, aber immer wieder wurden alte Songs wie das erneut umwerfende Out Like Bats von ihrere allerersten EP Secession eingestreut.
Nach gut 75 Minuten schien Schluss zu sein, doch die gut 150 anwesenden verlangten lautstark nach mehr, so dass die Band noch einmal zurückkehrte und mit einer A Cappella-Version von Multiply A House ein beeindruckendes Konzert beendete.


Diese Band hat definitiv ein größeres Publikum verdient und ist einfach so gut, dass sie es auch über kurz oder lang bekommen wird.

Sonntag, 13. Mai 2012

A Whisper In The Noise

A Whisper In The Noise / L'Oeillère

12.05.12 Aetherblissement, Köln

Immer diese Entscheidungen. Eigentlich wollte ich mir ja The Lemonheads im Luxor anschauen und tags drauf A Whisper In The Noise in Münster. Aber da sonntags ja eine örtliche Kickertruppe zum Trachtenumzug aufgerufen hatte und so Abfahrt und Rückkehr von und nach Dortmund zu einer Love Parade werden konnten, entschied ich mich, A Whisper In The Noise in Köln zu sehen, zumal The Lemonheads zwar It's A Shame About Ray komplett spielen sollten, dies aber eigentlich auf den doch recht zahlreichen Touren von Evan Dando in den letzten Jahren, egal ob er solo oder mit Band unterwegs war, eh passiert war, fiel das Los auf einen gemütlichen Abend in Köln-Ehrenfeld.
Während ich auf dem Weg zum Aetherblissement einen Blick in den proppevollen Innenhof der Live Music Hall werfen konnte, wo die Donots ihr furchtbares, neues Album live präsentierten (scheinbar teilen einige meine Meinung, denn das Konzert wurde aus dem doppelt so großen E-Werk dorthin verlegt), herrschte in dem mit 100 Leuten bereits überfüllten Club noch gähnende Leere. Scheinbar taten die vier Jahre Pause seit der letzten Deutschland-Tour der Bekanntheit von A Whisper In The Noise nicht gut.

L'Oeillère

Um halb zehn wurde dann vor gut 20 Anwesenden der Abend musikalisch vom in Brüssel lebenden Franzosen Nicolas Gadrat aka L'Oeillère eröffnet. Er spielte recht virtuos auf seiner Gitarre, wechselte dabei zwischen experimentellen Passagen und eingängigem Geschrammel und das alles teils mehrmals in einzelnen Stücken, die auch mal gerne etwas länger dauerten. Das ist definitiv keine Musik zum Entspannen auf dem Sofa, aber dennoch unglaublich interessant. Die Anwesenden lauschten jedenfalls gebannt, so dass es angenehm mucksmäuschenstill bei Gadrats Auftritt war, selbst die Thekencrew traute sich nicht, das Geschirr und die Flaschen unter dem sonst üblichen Geklirre wegzuräumen.


Danach traten die zum Duo geschrumpften A Whisper In The Noise dann auf die kleine Bühne. Nach dem Erfolg von Dry Land (immerhin damals Platte des Monats in der VISIONS) entließ Flüsterkopf West Thordson seine Mitstreiter und nahm in den folgenden Jahren fast im Alleingang das neue Album To Forget auf, nur von der Geigerin Sonya Larson. Dementsprechend wurde der Sound noch trauriger, ja fast sakraler, da Schlagzeug und Gitarre noch mehr in den Hintergrund gedrängt wurden. Live bediente Thordson fast nur Keyboards, setzte gelegentlich E-Drums ein und griff nur bei älteren Stücken mal zur Gitarre, die aber auch hier nur sanft klang und somit keine knarzenden Ausbrüche wie z. B. in Sons mehr zuließ.


A Whisper In The Noise schafften es aber dennoch mühelos, eine so dichte Atmosphäre zu erzeugen. unterstützt vom spärlichen, aber effektiven Licht, das die Flohmarktdekoration an den Wänden des Fuchsbaus zu einem fast gespenstischen Bühnenbild werden ließ. Wie bei L'Oeillère herrschte andächtige Stille und auch der Sound war in dem sonst für laute Klänge berüchtigten Garagenclub angenehm klar und leise, auch wenn der Soundmensch.einige Feedbackpatzer einbaute.

A Whisper In The Noise
Nach gut einer Stunde verabschiedete sich das Duo, ließ sich aber zu einer Zugabe überreden und beendete mit As We Were ein beeindruckendes Set.und bestätigte mich darin, sie an diesem Abend den Lemonheads vorgezogen zu haben.


Sonntag, 6. Mai 2012

Chixdiggit / Nimrods

Chixdiggit / Nimrods

04.05.12 The Tube, Düsseldorf

Es ist Freitag Abend, ich sitze im Regionalexpress von Dortmund nach Düsseldorf, um mir dort erneut die großartigen Kanadier Chixdiggit sowie die nicht minder famosen Oberhausener Meister der drei Akkorde, die Nimrods, anzusehen und blättere während der Fahrt auf dem Smartphone durch die mehr oder weniger belanglosen Tweets, als meine Augen auf dem Display von einem Link, den ausgerechnet der in London lebende und für den Guardian schreibende deutsche Fußball-Kolumnist Raphael Honigstein postete, kleben zu bleiben. Es war die Nachricht vom Tode Adam Yauchs, besser bekannt als MCA von den Beastie Boys. Gerade 47 Jahre alt wurde er und starb nicht den kläglichen Tod einer Amy Winehouse oder Whitney Houston, die sich ihr Leben selbst durch Drogen und/oder Alkohol versauten, sondern es war der bereits 2009 diagnostizierte Krebs, der den längeren Atem hatte, nachdem es so aussah, als hätte er ihn zwischenzeitlich besiegt, zumal die Beastie Boys ja erst letztes Jahr ein neues Album veröffentlicht hatten.
Mir fiel wieder der 20. Juni 1994 ein, als die Beasties gerade Ill Communication veröffentlicht hatten und allein schon wegen der Vorab-Single Sabotage jeder das Konzert in der Live Music Hall sehen wollte. Die Halle war über ihr Fassungsvermögen hinaus ausverkauft und wir kamen trotz gültiger Eintrittskarten nur mit Glück noch rein, es war sommerlich warm draußen und dementsprechend in der überfüllten Halle tropisch, so dass schon ehe die Band auf die Bühne kam, der Schweiß von den Wänden und der Decke perlte. Die Beastie gehörten zu den Guten im Geschäft und dementsprechend wirkte wirklich jeder über die Todesmeldung betroffen. Am treffendsten formulierte es jemand so: "I feel that if you don't like at least one thing about the Beastie Boys (a song, a video, a joke, the attitude), not one, you're not human."
Ich war mir nicht sicher, ob mir die Vorfreude auf einen unterhaltsamen Abend mit punkiger Partymusik nicht verhagelt war, doch letztlich fand sich das passende Motto auf der Rückseite der Gitarre von KJ Jansen, dem Sänger der Chixdiggit:


In diesem Sinne: R.I.P. MCA and Rock On!

The Tube liegt direkt in der Düsseldorfer Altstadt und ist wie so viele Altstadt-Kneipen eigentlich nur ein langer, schmaler Schlauch, an dessen ende halt eine kleine und auch nicht besonders tiefe Bühne steht.
Eine Woche zuvor im Joe's in Oer-Erkenschwick hatten die Bands genug Platz zum Rumtoben und zudem eine Lichtanlage im Rücken, die gerade die Posen der Nimrods in für sie sicherlich ungewöhlichem Glanz erstrahlen ließ. Doch auch durch die Enge ließen sich die drei Oberhausener nicht beirren, auch wenn Gitarrist und Bassist sich einige Mal ineinander verhakten. Vielmehr inspirierte sie die Enge zu neuen artistischen Verrenkungen.

Nimrods

Wie immer saßen die Sonnenbrillen korrekt und auch die Konfetti-Bombe und Wunderkerzen kamen zum Einsatz. Kepi Ghoulie sang erneut Johnny B. Goode mit ihnen, auch wenn man ihn mehrmals rufen musste, da er in den Katakomben des Tube verschollen zu sein schien.

Nimrods w/ Kepi Ghoulie

Sogar eine Zugabe wurde den Nimrods abgerungen, die übrigens im Juni ihr 15jähriges Bestehen mit einem Konzert im Druckluft begehen, bei dem auch Kepi im Rahmen seiner Solotour zu Gast sein wird.



Um halb elf begannen dann Chixdiggit ihr Set wie eine Woche zuvor mit Welcome To The Daiso. Sah es bei den Nimrods noch so aus, als könnte die Provinz Oer-Erkenschwick die Weltstadt Düsseldorf in puncto Zuschauerzahlen und Stimmung schlagen, wurde schon bei den ersten Takten klar, wo der Punk seine Bierchen trinkt. Der Raum vor der Bühne war sehr gut gefüllt und die Anwesenden waren auch gewillt, sich von KJ animieren zu lassen und eine Party zu feiern. Eine feste Setlist gab es nicht, Wünsche wurden gerne erfüllt, mal prompt, mal mit Verspätung. So setzte KJ z. B. nach Zuruf von Henry Rollins Is No Fun zu einer längeren Geschichte an, wie einst angeblich eine Postkarte von Rllins erhalten habe, um dann doch ein völlig anderes Lied zu spielen, ein anderes Mal wurde nach. I Hate Basketball verlangt und sofort geliefert, allerdings umbenannt in I Hate Wuppertal.


Da die Band offensichtlich fürsorglich betreut worden war und mit dem lokalen Kräutergebräu Killepitsch Bekanntschaft gemacht hatte, ließen sie sich davon gleich eine Flasche auf die Bühne bringen.
Auch von technischen Widrigkeiten zeigten sie sich unbeeindruckt. So löste sich Kepis Bassgurt komplett vom Instrument, so dass er sein Instrument nur mühsam aufs Knie gestützt weiterspielen konnte, doch eine waghalsige Notoperation von Dr. Killer Nimrod am offenen Song rettete die Situation.

Chixdiggit

Natürlich wurde das Publikum auch wieder reichlich zum Mitsingen animiert und hier zeigte sich Düsseldorf dann besonders textsicher und auch in puncto Lautstärke den Erkenschwickern überlegen, wie man es von einem (Noch-)Zweitligisten gegenüber einem Oberligisten auch erwarten durfte.


Als KJ ankündigte, noch zwei Lieder zu spielen, dann kurz auf der Bühne einen zu trinken, um dann anschließend als Zugabe 27 weitere Songs zum besten zu geben, hielt er das noch für einen Scherz. Doch die Anwesenden machten dermaßen Rabatz und wünschten sich einfach noch so viele bis dahin ungespielte Lieder, dass der Abend in harte Arbeit für die Kanadier ausartete. Kepi bastelte aus den zahlreichen Forderungen noch schnell einen verbindlichen Zugabenblock zusammen, den KJ in seiner chaotischen Art gleich wieder umwarf. So wurde noch kurzfristig Hemp Hemp Hooray eingebaut und dafür ein Gastsänger aus der Oberhausener Gang auf die Bühne geholt.
Nach 75 Schweiß treibenden Minuten war dann aber doch Schluss und man brauchte nur in die strahlenden Gesichter der Band zu schauen, um Sänger KJ seine Worte abzunehmen, dass es ihnen sehr viel bedeute, wenn bei inzwischen nur noch 20-30 Konzerten, die die Band im Jahr spielen würde, sie bei ihrem Aufenthalt in Europa auf so positive Resonanz stoßen würden.
Da kann man nur hoffen, dass ihr nächster Urlaub sie wieder nach Nimrodland führt und beide Bands wieder zusammen irgendwo in NRW auf der Bühne stehen werden.



The Jon Spencer Blues Explosion

The Jon Spencer Blues Explosion / Brat Farrar

03.05.12 Zakk, Düsseldorf

Oh, Jon Spencer kommt mit seiner Blues Explosion auf Tour, da wird er doch bestimmt neue Songs am Start haben? Weit gefehlt, weiterhin ist Damage von 2004 das letzte reguläre Studioalbum der Band, die seitdem nur ihre alten Alben wiederveröffentlicht hat. Aber dennoch ist Herr Spencer immer einen Besuch wert, sind seine Livequalitäten doch berühmt.
Doch zunächst stand Brat Farrar auf dem Programm. Das war kein Singer/Songwriter, sondern der Name eines australischen Garagenpunk-Trios. Die drei rockten mächtig los und erinnerten so an Bands wie die Cosmic Psychos, konnten aber wie auch auf ihrer CD das Tempo nicht halten und glitten immer in fuzziges Geschrammel ab, so dass sie letztlich doch nicht komplett überzeugen konnten.

The Jon Spencer Blues Explosion

Um halb zehn betraten dann Jon Spencer, Judah Bauer und Russell Simins die überdimensioniert wirkende Bühne, nahm ihr spärliches Equipment aus Schlagzeug und ein paar antiquiert wirkenden Verstärkern doch nur wenig Platz ein. Aber mehr brauchten die drei auch nicht, denn eingehüllt in wunderbar kontrastreiches Licht zeigten sie, worauf es ankommt., nämlich die Musik.
Obwohl sie schon seit über 20 Jahren zusammen auf der Bühne stehen, versprühten sie eine Energie, als wären sie junge Hüpfer. Dabei gab Jon Spencer den Hohepriester des dreckigen Garagen-Rock/-Blues, schrie immer wieder "THE BLUES EXLOSION!", als lobpreiste er den Herrn persönlich und fiel ihm zu Ehren auch mehrmals auf die Knie. Eine Dreiviertelstunde lang ging es Schlag auf Schlag, wie entfesselt übrigens von Schlagzeuger Russel Simins getragen, während Judah Bauer eher gesetzt wippend den Ruhepol auf der Bühne zum Derwisch Spencer bildete. Ohne Pause wurde durch die Bandgeschichte gerockt. Dabei schien kein Song länger als zwei Minuten zu dauern, manche wurden sogar nur kurz angespielt.
Nach einer kurzen, Feedback untermalten Pause ging es dann auch im Zugabenteil noch einmal fast eine halbe Stunde weiter, ehe Bellbottom den Schlusspunkt setzte. Mangels neuer Stücke und damit verbundener Medienpräsenz war das Zakk zwar nicht einmal zur Hälfte gefüllt, doch so blieb den überwiegend älteren Semestern genug Platz, um ausgiebig die Hüften zu schwingen und in die ekstatischen Ausrufe des Meisters einzustimmen.
Live war und ist die Blues Explosion eine Bank, auch wenn es sicherlich schön wäre, gäbe es in naher Zukunft mal wieder neues Material zu hören. Dann könnte man vielleicht eine neue LP in die niedlichen Baumwollbeutel stecken, die es am Merchstand zu kaufen gab.