Montag, 29. April 2013

Small Beast w/ Manorexia

Small Beast

w/ Manorexia / Paul Wallfisch

26.04.13 Schauspielhaus, Dortmund

Der letzte Freitag im Monat, d. h. Zeit fürs Small Beast. Und diesmal war Gastgeber Paul Wallfisch ein besonderer Coup gelungen, konnte er doch das allererste Deutschland-Konzert von Manorexia präsentieren, einem der zahlreichen Projekte von Industrial-Legende J. G. Thirlwell aka Foetus. Und weil der Maestro mit einem Streichquartett anreiste, fand der natürlich ausverkaufte Auftritt nicht im beengten Institut, sondern wieder eine Etage höher im Studio statt.


Doch zunächst war etwas Geduld angesagt, denn das Ensemble hatte zehn Stunden Fahrt von Kopenhagen nach Dortmund hinter sich und daher verzögerte sich der Einlass etwas, ehe Paul Wallfisch dann wie gewohnt am Klavier das Vorspiel bestritt.
Er kündigte sein Programm als The Best Of Theater Dortmund On Tour an, da er die meisten Songs bereits die Woche zuvor im Vorprogramm von John Parish (u. a. Produzent für PJ Harvey) gespielt hatte.  Und daher bestand das Set aus Liedern aus Der Meister und Margarita, Small Beast-Klassikern wie Coincidence und ausgewählten Cover-Versionen von Jacques Brel (Next, an Alex Harveys Version angelehnt) bis The Kinks.


Dabei wirkte Wallfisch weniger redselig als sonst, sang dafür umso noch inbrünstiger. Und schlug auch einen Bogen zum nachfolgenden Ereignis, indem er zwei instrumentale, geradezu experimentelle Stücke spielte, einmal vom typischen Klang einer New Yorker U-Bahn-Linie inspiriert, sowie etwas Glenn Gould. Zum Schluss setzte er sich dann noch für ein Stück eine Maske auf, schließlich war man ja im Theater.

Paul Wallfisch

In der obligatorischen Pause lief Mr. Bungle vom Band, die perfekte Überleitung zu der Musik von Manorexia, die streckenweise wie ein Soundtrack klingt, bei dem man geradezu auf den abstrakten Gesang Mike Pattons wartet.
Manorexia traten als Septett auf: ein Pianist, ein Percussionist, vier Streicherinnen und J. G. Thirlwell als Impresario am Laptop. Dabei war es geradezu skurril, dass man auf dem Weg zurück aus der Pause ins Studio im engen Gang sich an den Geigerinnen vorbeiquetschen musste, die sich dort einspielten.

Manorexia

Dabei klang der Einstieg in das einstündige Set so, als ob sie dies umsonst getan hätten. Mit bewusst schrägen Streichpassagen ging es los, alle MusikerInnen spielten dabei vom Blatt, was insbesondere beim Schlagwerker spektakulär aussah, denn er hatte im wahrsten Sinne des Wortes oft alle Hände voll zu tun, wirbelte zwischen den unterschiedlichsten Instrumenten hin und her und hatte dabei nicht selten einen dritten Drumstick zwischen den Zähnen. doch sorgte gerade seine Rhythmus-Arbeit für eine Auflockerung der sonst durchaus anstrengenden Töne. Und wenn es auch für einige Besucher wohl dennoch zu harter Tobak zu vorgerückter Stunde nach Mitternacht war und sie während des Sets bereits den Saal verließen, blieb der Großteil doch gebannt sitzen und wartete gespannt, bis auch wirklich der letzte Ton verklungen war und z. B. der Geigenbogen entspannt zur Seite gelegt wurde, ehe lauter Applaus aufbrandete.


Nach einer Stunde erhoben sich die Musiker und Thirlwell trat nach vorne, um in bester Leonard-Bernstein-Pose die Ovationen entgegen zu nehmen, das Ende eines beeindruckenden Auftritts, der auch ohne Zugabe im Gedächtnis haften blieb.

Manorexia

Paul Wallfisch ließ übrigens während seines Sets durchblicken, dass er bereits an Musik für die kommende Spielzeit arbeite, was hoffentlich auch bedeutet, dass das Small Beast über diese Spielzeit hinaus, die übrigens Ende Mai mit dem Auftritt von And The Wiremen (u. a. mit Mitgliedern von Sparklehorse und Pere Ubu) enden wird, ein fester Bestandteil am Dortmunder Schauspielhaus bleiben wird.

Sonntag, 28. April 2013

Paws

Paws / This April Scenery

22.04.13 Zakk, Düsseldorf

Erinnert sich jemand an die Band Cable? Ihr grandioses Debütalbum Down-Lift The Up-Trodden lebte von dem treibenden Schlagzeugspiel Neil Coopers (jetzt bei Therapy?) und kam mir wieder bei manchen Stücken auf Cokefloat, der aktuellen CD der Glasgower Band Paws, in den Sinn. Bevor das Album erschien, waren die drei Schotten letztes Jahr im September im Vorprogramm der Japandroids zum ersten Mal in Deutschland unterwegs gewesen und hatten mich überzeugt, vor allem durch ihr Tier am Schlagzeug. Nun waren sie das erste Mal als Headliner unterwegs und spielten im kleinen Club des Zakk.

Preisliste Paws (kein politisches Statement, sondern ein Versehen)

Scheinbar rechnete man nicht mit sehr vielen Besuchern, denn nicht einmal die Theke war besetzt und so musste man sich für Getränke auf den Weg durch die leere, große Halle in die Kneipe machen. So hatte man allerdings eine gute Ausrede, nicht zu viel vom Set der Düsseldorfer Vorgruppe This April Scenery mitzubekommen. Deren klassischer Emo-Rock mit rhythmischen Bloc Party-Bröckchen klang nicht schlecht, allerdings passte die Stimme des Sängers für meinen Geschmack nicht so recht da rein und hatte einen auf Dauer nervenden Klang.


Da gefiel der leicht scheppernde Sound der Paws deutlich besser, auch wenn sie auf dem Album im Vergleich zu den EPs davor deutlich ruhiger, Sixties-poppiger klingen. Doch das wurde durch den rauen Live-Auftritt wett gemacht, denn da schimmerten immer wieder die punkigen Wurzeln durch. Und vor allem dem Drummer war eine Schau für sich, denn er spielte mit vollem Körpereinsatz, schien immer wieder von seinem Hocker abzuheben, um mit voller Wucht auf die Felle einzudreschen. Kein Wunder, dass vor der Bassdrum ein dicker Backstein lag, sonst hätte er sein Instrument wohl quer durch den Raum geprügelt.

Paws

Das nicht besonders volle Zakk brauchte auch etwas um aufzutauen, bekam aber gerade noch rechtzeitig zur Zugabe noch einen kleinen Moshpit hin, was dann die Schotten sogar dazu bewegte, sogar noch ein zweites Mal auf die Bühne zurückzukehren, ehe dann nach einer guten Stunde endgültig Schluss war.
Cable kamen übrigens mit ihren späteren Alben nie wieder an ihren Erstling heran, auch weil Neil Cooper da schon nicht mehr in der Band war. Paws sollten ihren Schlagzeuger daher unbedingt behalten.


Sonntag, 21. April 2013

Amplifier

Amplifier / Charlie Barnes

20.04.13 Kleine Freiheit, Osnabrück

Manchmal muss man die Deutsche Bahn loben. In diesem Fall ist sie dafür verantwortlich, dass meine Freundin und ich ein hervorragendes Konzert in Osnabrück (übrigens mein erstes überhaupt) gesehen haben. Als BahnCard-Inhaber erhielten wir ein Freifahrt-Angebot, das aber noch im April einzulösen war. Also mal schnell so geschaut, wann welche interessanten Bands so in der weiteren Umgebung spielen und für den Auftritt von Amplifier in der Kleinen Freiheit entschieden.

Amplifier

Auf dem Gelände eines ehemaligen Güterbahnhofs und damit in unmittelbarer Nähe des Osnabrücker Hauptbahnhofs gelegen, präsentierte sich die Kleine Freiheit als netter kleiner Club (vielleicht etwas größer als das Gleis 22 in Münster) mit Strandbar vor der Tür. Pünktlich um 21 Uhr eröffnete Charlie Barnes den Abend. Das Projekt um den gleichnamigen Keyboarder aus Leeds überzeugte mit elektronisch angereichertem Kammer-Indie-Pop, etwas weniger poppig als z. B. Perfume Genius und getragen von Barnes markant melancholischer Stimme, die mich an eaststrikewest und auch manchmal an Thom Yorke erinnerte. Auf Albumlänge wirkt es manchmal etwas anstrengend, aber die halbe Stunde live verging sehr schnell. Zum Reinhören sei die Bandcamp-Seite empfohlen.


Amplifier habe ich das erste Mal im Dezember 2003 in Northampton im Vorprogramm von Therapy? gesehen und sie gefielen mir mit ihrem schweren Prog-Rock ziemlich gut. Im Jahr drauf hatten sie ihr erstes Album veröffentlicht und durften erneut Therapy? auf ihrer Europa-Tournee begleiten, weshalb ich sie mehrmals sehen konnte. Danach verlor ich sie fast vollständig aus den Augen, bis Anfang 2011 ihr drittes Album The Octopus erschien. Mir sagte es nicht so zu (zu lang für meinen Geschmack), aber meine bessere Hälfte sah sie zweimal damit auf Tour und war sehr angetan. Im März kam der vierte Longplayer Echo Street raus und konnte mich wiederum nicht völlig überzeugen. Erstmals mit neuem Bassisten eingespielt, fehlt es dem Album etwas an Druck, klingt geradezu weich.
Dieser Eindruck wurde aber live komplett weggewischt. Ein Konzert mit dem letzten Song des neuen Albums zu beginnen ist sicherlich ungewöhnlich, ging aber nicht in die Hose. Als weiteres Plus für den Rest des Konzerts erwies sich der Sound in der Kleinen Freiheit. Schien er bei Charlie Barnes noch an manchen Stellen zu laut und der Gesang leicht übersteuert, passte bei Amplifier alles. Es war angenehm laut, aber dennoch waren die einzelnen Instrumente klar und deutlich zu hören. Zudem hatte sich das Quartett Barnes als Keyboarder und dritten Gitarristen mit auf die Bühne geholt (bei den letzten beiden Alben hatte er bereits Piano gespielt), um noch fetter zu klingen, was vor allem den neuen Stücken sehr gut tat.


Die Band zeigte sich gut gekleidet (schwarze Hosen und Hemden und dazu stylische schwarze Krawatten mit dem Bandlogo) und zudem gut gelaunt, schien sogar vom Publikumszuspruch positiv überrascht zu sein, denn obwohl der Club höchstens zu zwei Dritteln gefüllt war, seien es doch deutlich mehr Zuschauer gewesen als bei ihrem letzten Auftritt in Osnabrück. Man scherzte, der Gitarrist spielte bei einem "Slayer!"-Zwischenruf mal kurz das Intro von Raining Blood zur allgemeinen Erheiterung an und auch den Kampf gegen den immer wieder auf die Bühne geblasenen Nebel nahmen sie mit Humor.
Die Songauswahl verteilte sich fast gleichmäßig auf drei der vier Alben, nur das Zweitwerk Insider wurde komplett ausgelassen, wobei alles wie aus einem Guss wirkte. Den Leuten gefiel es offensichtlich auch sehr gut und die laut Setlist eh eingeplante Zugabe wurde auch lautstark eingefordert. Kurz nach Mitternacht und damit nach über zweieinviertel Stunden Spielzeit verklangen dann die letzten Takte von Airborne und ließen so gerade noch Zeit für das Bierchen und die Zigarette danach, ehe der Zug zurück ins Ruhrgebiet kam.

Setlist Amplifier

Die Reise hat sich vollends gelohnt, sowohl was den mehr als überzeugenden Auftritt von Amplifier als auch die Entdeckung der Kleinen Freiheit als sehr nette Location betraf.

Setlist:
Mary Rose
The Wave
Interglacial Spell
The Wheel
Extra Vehicular
Motorhead
Interstellar
UFOs
Fall Of The Empire
Panzer
Where The River Goes
Neon
Close
-------------------------
Matmos
Airborne

Montag, 15. April 2013

Casanovas Schwule Seite

Casanovas Schwule Seite / Frau Mansmann

13.04.13 Djäzz, Duisburg

Es war Samstag Abend, kurz nach acht und noch hatte die Dämmerung nicht die kleine Seitenstraße in der Duisburger Innenstadt erfasst. Dennoch herrschte hier ein Betrieb wie auf dem Friedhof von Oer-Erkenschwicker. Da ertönte dumpfes Trommeln aus einem kleinen Kellerloch und urplötzlich erschienen aus allen Ecken merkwürdige Gestalten, die magisch von diesem Weckruf angezogen wurden...

Da aber im Djäzz noch kein Einlass war wegen des Soundchecks, bemühte sich ein freundlicher Herr, die ankommenden Punks zum Lustwandeln in Duisburgs Parkanlagen zu bewegen, um das Klirren von Bierflaschen und laute Gespräche zu verhindern, denn der Kellerclub hat immer wieder mit Beschwerden durch Anwohner zu kämpfen.


Kurz darauf öffneten sich aber die Tore in die Unterwelt und gewährten den begehrten Einlass. Der Soundcheck war noch im vollen Gange, aber zumindest so weit abgeschlossen, dass nicht unnötiger Lärm nach draußen dringen konnte. Dabei erwies sich der Mensch am Mischpult als typischer Parade-Ruhrpottler. Als die Schlagzeugerin von Frau Mansmann mehr Gesang auf ihrem Monitor haben wollte, fragte er trocken zurück: "Willst du das wirklich?"
Frau Mansmann sind ein Quartett aus Berlin, das letztes Jahr sein erstes Album mit dem prosaischen und zugleich gesellschaftskritischem Titel Bio-Bananen sind von glücklichen Affen veröffentlicht hat. Auch musikalisch gibt es unbehandelte Rohkost frei von Geschmacksverstärkern.

Frau Mansmann

Dabei sah das junge Gemüse auf der Bühne durchaus appetitlich genug für erotische Hochglanz-Magazine wie die Super-Illu aus. Der Sänger schälte sich nämlich aus seiner Hose und seinem Shirt und entblößte einen muskulösen Körper, nur noch durch ein Nichts aus feinstem Netz-Polyester verhüllt. Na ja, fast nichts, denn der Feigling trug darunter noch einen roten Tanga, vermutlich damit sein Gemächt nicht Ohnmachtsanfälle unter den sabbernden Mädchen in den vorderen Reihen auslöste. Laut ihrer Homepage hatte die Band bislang nur einmal im Ruhrgebiet gespielt, nämlich 2006 in Dortmund. Eigentlich eine Schande, denn die Hochburg der Ballonseide benötigt so dringend modische Nachhilfe aus der Bundeshauptstadt. Jedenfalls war der Auftritt optisch deutlich ansprechender als musikalisch, denn der rumpelnde Deutschpunk löste nicht gerade Jubelstürme aus und der Klaps auf die nackten Backen des Sängers war fast lauter als der Applaus, den sie durchweg erhielten, von ihrem Gassenhauer Prostituiertenpunk mal abgesehen.


Danach folgte dann das literarische Quartett aus Köln, Casanovas Schwule Seite. In gut 13 Jahren Bandgeschichte haben sie es immerhin geschafft, 2002 ein Album und schon dieses Jahr eine Single rauszubringen, ein Veröffentlichungswahn, den man sich von Scooter wünschen würde. Das Rock'nRoll Imperium schlägt zurück hat absoluten Kultstatus erlangt und das auch völlig zu Recht, denn solch fetten Punkrock'n'Roll haben nicht einmal Gluecifer zu ihren besten Zeiten hinbekommen, von der lyrischen Tiefe der Texte ganz zu schweigen. Daher war es auch nicht verwunderlich, das das kleine Djäzz bereits im Vorfeld ausverkauft war und sich nach der entspannten Blumenwiesen-Atmosphäre bei Frau Mansmann nun der Geruch von Schweiß und Pils über die prall gefüllte Tanzfläche legte.

Casanovas Schwule Seite

Bei der Auswahl der Songs hatten es sich Casanovas Schwule Seite sehr einfach gemacht. Sie spielten einfach alles, sämtliche Stücke der CD und Single. Das sollen ihnen AC/DC mal nachmachen. Das Publikum zeigte sich textsicher und hätte Jürgen Trittin gehört, wie bei Mein Kühlschrank das ganze Djäzz laut "FCKW!" brüllte, er hätte eine Träne der Rührung nicht verbergen können.
In der Kommunikation mit dem Publikum wurden auch (eventuell ungewollt) heiße Eisen der Lokalpolitik nicht ausgespart. So wurde nach dem Legoland Duisburg gefragt, das aber im Dezember bereits seine Pforten schloss, um in den Vorort Oberhausen umzusiedeln. Doch da es noch kein Lego-Pils gibt, war das den anwesenden Punks egal, denn der Samstagabend ist traditionell die Zeit des Schunkelns und guten Laune. Und auch der Musikantenstadl im Kellergewölbe war da keine Ausnahme und sogrinste auch Schlagzeuger Caddy ständig durch die Gegend wie ein Farin Urlaub-Double, während sich Chefdenker Claus hingegen eindrucksvoll in der Mimik des jungen Gunter Gabriel übte. Die Beweisfotos dieser Thesen entnehme der Interessierte bitte der Galerie.


Das Höllenfeuerlicht wurde nach gut 50 Minuten ausgeblasen und mangels Material gab es auch keine Zugabe. Stattdessen erwartete einen vor der Tür inzwischen die dunkle Nacht und der freundliche Herr patrouillierte immer noch vor dem Djäzz auf und ab, um die Ruhe der Nachbarn zu sichern. Das schien ihm auch gelungen zu sein, denn am Bahnhof blieb das Sondereinsatzkommando der Polizei im Regionalexpress nach Dortmund, wo das raue Leben noch pulsierte und mehr für die Hüter der Ordnung zu tun war als in der beschaulichen Industrieruine Duisburg. Der offizielle Grund für das Aufgebot waren angeblich Fußballfans von Preußen Münster auf der Heimreise, dabei hat doch jeder aus zahllosen Western gelernt, dass Rinderherden von Cowboys bewacht werden und nicht von der Polizei.

Setlist Casanovas Schwule Seite

Es gibt Legenden, die man mal live gesehen haben muss und wenn man bedenkt, dass ich die Rolling Stones erst 28 Jahre nach ihrer Gründung live gesehen habe, so war das Coming Out an Casanovas schwuler Seite geradezu zügig und ein Genuss, den ich im Gegensatz zum Auftritt von Mick Jagger und Co. 1990 im Müngersdorfer Stadion (übrigens mit einer inzwischen zur Qual gewordenen Düsseldorfer Stimmungskapelle im Vorprogramm) ohne Reue noch meinen Pflegern im Altersheim erzählen werde.

Setlist:
Ich will dich ficken
Der Mann mit dem goldenen Knie
Radiomoderator halt die Fresse!
Expo 2000
Stille Post
Mein Kühlschrank
Gestern Nacht
Wenn du willst
Ich liebe dich für immer
Rock'n'Roll Bausparvertrag
Das Spiel ist aus
Der Kinn-Nasen-Professor
Was du sagst ist was du wählst
Weisheit mit Messer und Gabel
In Grafenwöhr
Überall Krieg
1980
Du & Ich
Gewalt ist eine Lösung
Höllenfeuerlicht


Dienstag, 9. April 2013

Hidden Orchestra / Poppy Ackroyd

Hidden Orchestra / Poppy Ackroyd

07.04.13 Christuskirche, Bochum

Insgesamt 28 Konzerte fanden nun bereits in der Christuskirche unter der Idee urban urtyp statt, doch aus irgendeinem Grund war mir diese Veranstaltungsreihe bislang nicht bekannt, ehe ich im Februar Bohren & Der Club Of Gore in diesem Rahmen erlebt hatte.

Bochum - Christuskirche

Diesmal gab sich das Hidden Orchestra aus Edinburgh die Ehre und Poppy Ackroyd, Mitglied des Quintetts, bestritt zudem das Vorprogramm.
Um halb acht kam Frau Ackroyd mit ihrem musikalischen Partner John Lemke auf die Bühne, um Stücke aus ihrem Album Escapement, letztes Jahr bei Denovali erschienen zum Besten zu geben. Sie spielte dabei hauptsächlich Klavier und Geige, während ihr Partner für die elektronischen Effekte und Beats sorgte. Dabei gefielen mir die rhythmischen Stücke wie Seven oder Mechanism ausgesprochen gut, während die ruhigeren Momente dann etwas mehr in die Gefilde eines George Winston abzudriften drohten.

Poppy Ackroyd

Das Bemerkenswerteste an ihrer Musik ist aber, dass sie zu 100% aus "organischen" Klängen besteht, d.h. alle Geräusche stammen vom Klavier oder der Geige und wenn auch nur kleine Schläge auf das Instrument zu Beat-Loops gesampelt wurden. Aber es fiel auch auf, wie oft die beiden Musiker auf der Bühne den Blickkontakt suchten, um den nächsten Tastendruck genau aufeinander abzustimmen.
Nach einer Dreiviertelstunde folgte dann die obligatorische Umbaupause, die Tasteninstrumente wurden vom Bühnenrand in den Hintergrund gerückt, so dass die rechts und links auf der Bühne postierten Schlagzeuge sich quasi duellierten.

Hidden Orchestra

Denn das herausragende Element der Musik von Hidden Orchestra sind sicherlich die zwei Drummer, die mit ihrer Hyperaktivität die meist von trägen Basslinien getragenen Songs zum Leben erwecken, während auf diesem Teppich dann das Saxophon oder die Geige weitere Akzente setzen. Das klingt jazzig und auch die Schublade Trio Hop liegt da natürlich nahe, mir fiel beim ersten Hören sofort die britische Band Red Snapper ein, die bereits Mitte der 90er eine ähnliche Art von Musik machten.


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Beim Hidden Orchestra erging es mir dann ähnlich wie bei Poppy Ackroyds Set, je rhythmischer, desto besser. Das Zusammenspiel der Drums war hervorragend, sie duellierten sich weniger, als dass sie sich ergänzten und eben durch dieses Wechselspiel jenen Eindruck von Hyperaktivität erzeugten und somit die sonst zu sehr in Jazz-Gefilde abdriftenden Saxophon-Melodien einfingen.


Neben dem reinen Compilation-Track The Burning Circle wurden ansonsten Songs aus den beiden bislang erschienenen Alben gespielt, wobei man ständig den Musikern den Spaß an ihrer arbeit anmerkte. Immer wieder grinsten sie sich während der Stücke an und genossen offensichtlich den Abend. Nach fast 80 Minuten. beendeten sie dann mit Antiphon ihr reguläres Set. Doch das begeisterte Publikum in der sehr gut gefüllten Kirche, das übrigens auch bei der Vorstellung der einzelnen Bandmitgliedern den Schlagzeugern am meisten Applaus geschenkt hatte, wollte noch eine Zugabe, die es auch in Form der B-Seite The Revival bekam.


Hatte ich bei Bohren noch den etwas fehlenden sakralen Charakter des Konzerts bemängelt, so passte diesmal die sehr lockere Atmosphäre sehr schön zu der Musik, die ja durch ihre Rhythmik sogar zum Tanzen einlädt, was allerdings angesichts der recht unbeweglichen Kirchenbänke gelassen wurde.
Die Reihe urban urtyp macht nun Sommerpause, wird aber fortgesetzt werden und kann daher nur jedem empfohlen werden. Ich werde bestimmt nicht das letzte Mal dabei gewesen sein.


Sonntag, 7. April 2013

Evening Hymns

Evening Hymns

04.04.13 Druckluft, Oberhausen

Liegt ein Fluch auf Oberhausen? Hat irgendjemand bestimmt, dass im Ruhrgebiet folkige Bands nur in Duisburg den verdienten Zuschauerzuspruch erfahren dürfen? Als ich um kurz vor neun die Halle des Druckluft betrat, war ich das fünfte Rad am Wagen. Als vierzig Minuten später Jonas Bonnetta, die einzige Konstante im Line Up der kanadischen Band Evening Hymns, mit seinen beiden aktuellen Mitstreitern Jon Hynes und Sylvie Smith die Bühne betrat, waren immerhin ca. 15 Personen anwesend, um sich die folgenden gut 70 Minuten musikalisch exzellent unterhalten zu lassen.

Evening Hymns

Die Besuchermasse erinnerte an das Konzert von Sparrow And The Workshop hier vor gut anderthalb Jahren und auch musikalisch waren (in den elektrifizierten Momenten) Ähnlichkeiten zu erkennen, wie auch zu Low oder Tu Fawning, während vor allem Bonnettas Stimme bei den ruhigen, akustischen Songs sogar Calexico als Assoziation in mir aufkommen ließ.


Die Evening Hymns sind zum zweiten Mal nach September 2012 mit ihrem aktuellem Album Spectral Dusk in Europa auf Tour und hatten damals im Steinbruch gespielt, so dass Bonnetta seine positiven Erinnerungen an den Duisburger Landschaftspark Nord mitteilte. Überhaupt präsentierte er sich sehr redselig und erzählte kleine Geschichten zu Stücken wie Lanterns oder You And Jake. Auch der Wechsel zwischen akustisch instrumentierten Songs wie Asleep In The Pews und elektrischen wie Dead Deer sorgte für Abwechslung, so dass die Zeit wie im Fluge verging.


Nach dieser Tour werden Evening Hymns in Kanada mit den Aufnahmen zu ihrem dritten Album beginnen und als Vorgeschmack wurden auch bereits zwei neue Songs gespielt. Nach etwas über eine Stunde ging die Band von der Bühne, aber auch 15 begeisterte Zuhörer können genug Lärm machen, so dass Bonnetta noch einmal für eine Zugabe in Form des Titelsongs Spectral Dusk allein zurückkehrte. auch hier erzählte er kurz die Geschichte des Stücks, es markierte den Schlusspunkt der Aufnahmen zum Album irgendwo in der kanadischen Einöde, ca. vier Autostunden von Toronto entfernt und dass er mit diesem Stück auch seine Gefühle gegenüber den daran beteiligten Personen ausdrücken wollte. Dies spürte man auch im Vortrag, denn irgendwann stand er zwei Meter vom Mikro entfernt im hinteren Bühnenbereich und sang so in sich versunken, dass es ein Gänsehaut-Finale und neben meinem Lieblingsstück Cabin In The Burn das Highlight des Abends war.


Sollte er mit dem nächsten Album wieder im Ruhrgebiet vorbeischauen, werde ich versuchen, alle Bekannten an den Haaren hin zu zerren, damit die Evening Hymns vor so vielen Zuschauen spielen, wie sie es verdient haben.

Mittwoch, 3. April 2013

Rocket From The Crypt

Rocket From The Crypt / Blackup

02.04.13 Festsaal Kreuzberg, Berlin

Im Dezember 2011 war John "Speedo" Reis mit seinen reformierten Hot Snakes auf Tour und anlässlich des Auftritts im Gebäude 9 äußerte ich den Wunsch, er möge doch mal wieder Rocket From The Crypt auferstehen lassen. Genau ein Jahr später begann der Vorverkauf für die erste offizielle RFTC-Show seit ihrer Auflösung 2005 und wo könnte man besser Wiedervereinigung feiern als in Berlin.

Berlin - Festsaal Kreuzberg

Das Ereignis fand im Festsaal Kreuzberg statt. Die äußere Erscheinung hat sich dem Kreuzberger Abriss-Charme angepasst, aber von innen wirkte der ehemalige türkische Hochzeitssaal sehr gemütlich.
Um 20:15 begannen die belgischen Rocker Blackup das Vorprogramm. John Reis scheint sie ins Herz geschlossen zu haben, denn auch schon bei den Hot Snakes waren sie im Vorprogramm. An meinem damaligen Urteil gibt es nichts zu revidieren, netter, aber zu einförmiger Rock'n'Roll, der aber für eine halbe Stunde nicht weiter störte.

Blackup

Nach dem Ende füllte sich der Club zusehends, schließlich war der Saal restlos ausverkauft. Und auch auf der recht kleinen Bühne wurde es immer voller, denn zahlreiche Mikrofonständer für die Bläser-Sektion wurden aufgestellt. Um 21:20 war es dann endlich so weit, mein zweites RFTC-Konzert nach 1996 im Kölner Underground begann.
In einheitlichem Bühnenoutfit kam das Sextett auf die Bühne. Allerdings ging es zunächst nicht musikalisch los, denn Speedo quasselte sich erst einmal warm, erzählte, dass die Band angeblich erst nachmittags in Berlin gelandet sei und man noch ein wenig Jet Lag habe. Da man zudem keinen richtigen Soundcheck gemacht hätte, wolle man erst einmal reinkommen. Und dann setzte die Musik ein mit dem instrumentalen Pushed von der Hot Charity, doch gut zweieinhalb Minuten später brodelte es im ohnehin schweißtreibend warmen Festsaal, denn die ersten vier Songs von Scream, Dracula, Scream! wurden nacheinander runtergebrettert und man hatte den Eindruck, die Band war niemals acht Jahre aufgelöst.


Rocket From The Crypt ragten durch ihre Bläser schon immer aus den ganzen Garagen-/Punk-Rock-Bands heraus und erzeugten so einen unheimlich fetten und druckvollen, aber zugleich positiven Party-Sound, der automatisch gute Laune erzeugte, trotz der manchmal düsteren Texte. Im folgenden wurde fast der gesamte musikalische Output der Bandgeschichte gestreift, nur das Debüt Paint As A Fragrance blieb außen vor, wobei die Songs immer gebündelt gespielt wurden wie eben die Opener oder z. B. I Know, Panic Scam und Made For You von RFTC. Ähnlich war John Reis ja auch bei den Hot Snakes vorgegangen.

Rocket From The Crypt

Kurz vor Ende ging es dann mit Speedo durch und er ließ einen längeren, geradezu philosophischen Monolog über die Traurigkeit des Anblicks eines Hundes, der auf eine Wiese kackt, vom Stapel. Dann forderte er alle auf, doch einfach mal ihren Vordermann an die Schultern zu fassen, denn Shows seinen doch genau dazu da, fremde Menschen zusammen zu bringen. Natürlich wurde dennoch kein Hippie-Happening, denn die Band kriegte die Kurve und rockte mit Come See, Come Saw noch einmal das Haus.
Bei ähnlichen Konzerten ist danach das Publikum zu erschöpft, um lautstark eine Zugabe zu fordern, doch trotz der Hitze, brüllte Berlin nach mehr. Und sie bekamen mehr, sogar mehr als die Setlist versprach, denn kurzer Hand wurde die Zugabe außerplanmäßig mit Dick On A Dog eröffnet, womöglich inspiriert von Speedos Rede kurz zuvor.


Nach dem Hüftenschwinger When In Rome folgte dann das großartige Finale mit zwei Songs von Circa: Now!, meiner ersten und immer noch liebsten RFTC-Scheibe, noch vor Scream, Dracula, Scream! mit all ihren Hits. Glazed mit seinem ausufernden Finale stellte nach insgesamt 85 Minuten den idealen Schlusspunkt dar, danach brachte die kalte Berliner Nacht die benötigte Abkühlung.
Eine Band kommt nach Jahren für eine Handvoll Konzerte wieder zusammen und verleitet so dazu, Zeit und Geld für weite Fahrten auszugeben. Dabei war meine Fahrt aus Dortmund nach Berlin noch ein recht kurzer Weg. Es waren Leute extra aus England und Norwegen angereist, überhaupt schien die Amtssprache im Saal Englisch zu sein, denn natürlich waren auch viele, wohl meistens in Berlin lebende, Amerikaner unter den Zuschauern. War es das wert für anderthalb Stunden Nostalgie? Ja, denn so frisch und druckvoll wie RFTC klingen immer noch wenige Bands und diesen beschwingten Tritt in den Hintern von ihnen möchte ich jedenfalls nicht missen.
Rocket From The Crypt legten jedenfalls die Messlatte für das Konzert des Jahres 2013 mit diesem Auftritt sehr, sehr hoch.

Setlist Rocket From The Crypt

Setlist:
Pushed
Middle
Born in 69
On A Rope
Young Livers
Straight American Slave
Carne Voodoo
Boychucker
I Know
Panic Scam
Made For You
Dirch Digger
Sturdy Wrists
I'm Not Invisible
Get Down
Bring Us Bullets
My Arrow's Aim
Light Me
A+ In Arson Class
Rid Or Ride
Come See, Come Saw
--------------------------
Dick On A Dog
When In Rome (Do The Jerk)
Don't Darlene
Glazed


...And You Will KNow Us By The Trail Of Dead

...And You Will Know Us By The Trail Of Dead / Ribozyme

01.04.13 Zakk, Düsseldorf

Düsseldorf präsentierte sich am 1. April als Gitarrenhauptstadt NRWs. In der Philipshalle, die man nicht nur mit einem Mitsubishi anfahren kann, spielten The Gaslight Anthem und hatten zudem mit Apologies I Have None und den Japandroids zwei erstklassige Vorgruppen am Start. Dennoch fiel die Entscheidung zu Gunsten des kleineren und gemütlicheren Zakk und ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead, nachdem sie letztes Jahr im Grammatikoff schon überzeugt hatten.
Auch Trail Of Dead boten zwei Support Acts auf, die jedoch bei der Wahl des zu besuchenden Konzerts keine Rolle spielten. The Coathangers hatte ich vor zwei Jahren schon einmal mit den Thermals gesehen und da hatten sie mich ziemlich genervt. Insofern war ich nicht besonders enttäuscht, dass sie bereits gegen halb acht, trotz angekündigten Konzertanfangs für 20 Uhr, begonnen hatten, so dass ich sie verpasste. Dafür bekamen wir den Auftritt des norwegischen Trios Ribozyme komplett mit.

Ribozyme

Die drei scheinen reichlich Alice In Chains gehört zu haben, denn vor allem beim Gesang versuchten sie sehr oft, diese kehlige Dramatik rauszupressen, was leider nicht recht zu dem doch recht straighten Alternative-Rock passte. Wurde Tempo rausgenommen, klang es gut, doch wirkte dann der sehr gute Drummer unterfordert, denn seine Stärke waren definitiv die schnellen Passagen mit Double-Bass-Einsatz. Insofern wirkte das Ganze etwas unausgegoren, aber letztlich nicht so schlecht, dass man sich gelangweilt hätte.

...And You Will Know Us By The Trail Of Dead

Letztes Jahr spielten Trail Of Dead in Duisburg ihr erstes Konzert der Tour, das Album war noch gar nicht erschienen und so hatte man trotz der begeisternden Spielfreude noch die Unsicherheit gemerkt. Ein halbes Jahr später ist die Maschine geölt und warm gelaufen. Von dem guten aktuellem Album Lost Songs sind zwar nur drei Songs im Set, aber der rockige Grundton bestimmte auch diesmal die Song-Auswahl, so waren So Divided und The Century Of Self überhaupt nicht vertreten. Schon mit Tao Of The Dead hatte sich ja dieser Kurswechsel angedeutet und wird scheinbar seitdem konsequent umgesetzt.


Zusätzlich schien der schottische Roadie noch mehr Sicherheit zu geben, denn er sorgte für reibungslose Instrumente-Wechsel, während der arme Kerl in Duisburg damals komplett überfordert wirkte und so für reichlich Unmut bei der Band gesorgt hatte. Bassist Autry Fulbright zog auch diesmal wieder das ganze Posen-Register inklusive eines Ausflugs ins Publikum, doch wirkte es diesmal viel natürlicher und spontaner.

...And You Will Know Us By The Trail Of Dead

Das Zakk war wohl auch wegen der parallel stattfindenden Konkurrenz in der Mitsubishi Electric Halle vielleicht gerade mal zur Hälfte gefüllt, doch dafür war das Publikum um so enthusiastischer und nutzte den Freiraum, um ausgelassen zu tanzen. Die Setlist enthielt keine Zugaben, scheinbar lässt sich die Band da von der Laune des Augenblicks leiten. Im Zakk war auf Grund des frenetischen Beifalls klar, dass sie noch einmal auf die Bühne kommen würden und taten das auch mit den zwei Klassikern Mistakes & Regrets und Richter Scale Madness, ehe nach gut 80 Minuten endgültig Schluss war und die Entscheidung, das intime Konzert dem Arenen-Rock vorzuziehen, nicht eine Sekunde bereut wurde.

Setlist Trail Of Dead

Setlist:
It Was There That I Saw You
Worlds Apart
Catatonic
Up To Infinity
Flower Card Games
Clair De Lune
Another Morning Stoner
Will You Smile Again?
Spiral Jetty
Weight Of The Sun (Or The Post-Modern Prometheus)
Aged Dolls
A Perfect Teenhood
Homage
Caterwaul
Totally Natural
-----------------------------------
Mistakes & Regrets
Richter Scale Madness