Samstag, 30. April 2011

Dÿse

Dÿse / Favorit Parker

27.04.11 Druckluft, Oberhausen

Von den großen Bühnen der Metropolen dieser Welt zurück in die beschaulichen Hinterhöfe des Ruhrgebiets, wo Dÿse einen vor einiger Zeit ausgefallenen Auftritt nachholten.
Bei herrlichem Biergartenwetter blieb das Café des Druckluft um kurz nach halb zehn noch recht leer, als Favorit Parker begannen. Die Band singt inzwischen auf Deutsch und erinnert dabei unweigerlich an Captain Planet, einem Vergleich, auf den man zwar durchaus stolz sein kann, dem sie aber nicht wirklich standhalten können und so doch Eigenständigkeit vermissen ließen.
Diesen Vorwurf brauchen sich Dÿse wahrlich nicht machen lassen, denn das Duo aus Schlagzeug und Gitarre hat definitiv einen eigenen Sound, aus dem man zwar immer wieder Referenzen an diverse Noiserock-Bands raushört, ohne aber auch nur ansatzweise zu kopieren. Dazu schafften sie es immer wieder, ihre hypnotische und auch manchmal durchaus Aufmerksamkeit fordernde Musik aufzulockern mit unglaublich humorigen Einlagen, für die hauptsächlich Schlagzeuger Jan sorgte, der sich schon am Merchstand für mangelnde Aufmerksamkeit für die Kundschaft damit entschuldigte, dass er so gefesselt von den Kontaktanzeigen im Coolibri sei. Andererseits passten die teils absurden Geschichtchen wunderbar zu der abgedrehten Musik, die man wohl am ehesten als eine mit Nomeansno-hafter Selbstironie gewürzte Mischung aus den Melvins und The Jesus Lizard beschreiben könnte. auch fallen mir noch die schottischen Take A Worm For A Walk Week ein.
Im Druckluft spielten sie gut eine Stunde lang Songs aus ihren beiden Alben und begeisterten die Anwesenden restlos.
Dÿse

Descendents

Descendents / Dead To Me / Teenage Bottlerocket

25.04.11 o2 Shepherds Bush Empire, London

In der Schule war Biologie nie mein Lieblingsfach, aber dennoch flog ich extra nach London, um mir den Vortrag eines Doktors der Biochemie anzuhören...
Wenn man um kurz nach sieben in Luton landet und das Konzert erst abends in London ist, hat man ja noch reichlich Zeit, die man rumkriegen muss. Also erst einmal in einem Supermarkt mit Essen eingedeckt und dann rüber in den St. James Park, um bei herrlichem Frühlingswetter im Liegestuhl zu frühstücken und den hauptsächlich italienischen Touristen zuschauen, wie sie Richtung Buckingham Palace pilgern, um dort einen Blick auf die Hochzeitsvorbereitungen zu erhaschen oder den zahlreichen Eichhörnchen im Park hinterher jagen.
Gegen Mittag fuhr ich dann Richtung Shepherds Bush und warf schon einmal einen Blick auf das altehrwürdige Empire.

o2 Shepherds Bush Empire
Danach ging ich dann rüber zur Loftus Road, um mir das Zweitligaspiel Queens Park Rangers - Hull City anzuschauen. Auch wenn ich am Karsamstag noch Hoffnung schöpfen durfte, als die wahre Borussia den kommenden Deutschen Meister aus Dortmund bezwang, wollte ich mich dennoch schon einmal auf die nächste Saison einstimmen, denn QPR konnte mit einem Sieg den Aufstieg in die Premier League perfekt machen. Im ausverkauften Stadion herrschte ausgelassene Party-Atmosphäre nach dem frühen Führungstreffer und auch wenn Hull noch der Ausgleich gelang und damit der Aufstieg rechnerisch noch nicht unter Dach und Fach war, wurde dennoch zur Feier des Tages nach dem Abpfiff der Platz gestürmt.

QPR v Hull City, Loftus Road
Zurück am Empire traf ich auch noch auf Marc und andere Punk-Touristen und wir brachten die Zeit bis zum Konzert im australischen Pub nebenan rum, in dem ebenfalls reichlich Betrieb war, denn es war ANZAC Day, ein australischer Nationalfeiertag.
Das Shepherds Bush Empire ist ein 1903 erbautes Musiktheater mit rund 2000 Plätzen und drei Rängen und einer herrlichen Innenarchitektur und damit ein eher ungewöhnliches Ambiente für ein Punk-Konzert. Auf der riesigen Bühne wirkte der Aufbau für die Bands auch fast etwas verloren.
Gegen 19:45 betraten Teenage Bottlerocket die Bühne und legten sofort mit Skate Or Die los. Danach folgten gefühlte 20 Songs in 30 Minuten im besten Ramones-Stil, passend zum "Ramones Museum"-Shirt des Gitarristen, das er tags zuvor in Berlin bekommen hatte.
Dieses Feuerwerk der guten Laune kam auch beim Publikum sehr gut an und auch die Band genoss den für ihre Verhältnisse fast schon kleinen Auftritt, waren sie doch gerade mit No FX in Europa auf Tour und spielten oft größere Hallen. Markenzeichen waren die breitbeinigen Posen, in denen sich die Bandmitglieder geradezu zu übertrumpfen suchten.

Teenage Bottlerocket
Und breitbeinig ging es auch bei Dead To Me weiter. Haben sie sich auf Platte hin zu einem differenzierteren Sound weiterentwickelt, ging es auf der Bühne wie schon letztes Jahr beim Auftritt in Essen zurück zu den Poppunk-Wurzeln, was auch gerade bei den älteren Songs wie Don't Lie und Something New beim Publikum gut ankam.

Dead To Me
Und dann war es soweit, Ich muss ja zugeben, dass ich ALL, die Nachfolge-Band, nachdem sich die Descendents 1987 aufgelöst hatten, da Sänger Milo Aukerman lieber in Biologie promovieren wollte, lieber mag als die Descendents, da ist noch mehr Abwechslung in den Stücken, manchmal auch noch fieseres Gefrickel und ich persönlich halte auch Scott Reynolds oder Chad Price für die besseren Sänger als Milo, aber Descendents sind halt das Original. 14 Jahre nach der letzten Europa-Tour, wo ich sie in Frankfurt und beim Pink Pop Festival gesehen hatte, kamen sie nun für einige Shows über den Teich und betraten nun im Shepherds Bush Empire die Bühne, um mit Descendents loszulegen. Doch Milos Stimme klang direkt sehr angeschlagen, schon nachmittags vor dem Empire, wo ich ihn kurz gesehen hatte, wirkte sie sehr belegt und dieser Eindruck bestätigte sich sofort. Bereits beim dritten Stück, Silly Girl, war nur noch ein heiseres Krächzen zu hören und Milo zertrümmerte wütend sein Mikrofon so infernalisch, dass Splitter kreuz und quer über die Bühne flogen und Gitarrist Stephen Egerton fast ins Auge getroffen hätten. Er versuchte es noch einmal kurz, aber es ging nicht wirklich und so beratschlagte die Band kurz, was zu tun wäre. Das gleiche war bereits vor fünf Monaten in Australien passiert und wie damals behalf man sich nun mit einer Reihe von Gastsängern, immer wieder unterbrochen von ein, zwei Songs, in denen Milo es noch einmal versuchte.
Bei Coolidge, Suburban Home und Sour Grapes half Sam von Dead To Me beim Gesang aus, bei Bikeage Eric Melvin von No FX und bei Clean Sheets sang Drummer Bill Stevenson, während Brandon von Teenage Bottlerocket Schlagzeug spielte. Danach wurden dann drei Songs von Black Flag gecovert mit Stephen am Schlagzeug, Bill an der Gitarre und Milo am Bass, während Bassist Karl Alvarez die Rampensau machte und sang und dabei ständig ins Publikum sprang. Es hatte was von einer offenen Bandprobe, da Bill scheinbar während des Spielens Milo immer die nächsten Akkorde zeigen musste. Auch der Roadie durfte mal ran und einen Zeke-Song singen, gefolgt vom Agent Orange-Klassiker Bloodstains wieder mit Karl am Mikrofon. Milo übernahm dann noch einmal, um mit Myage den Abend zu beenden.
Natürlich war es kein gutes Konzert, aber ich fand es dennoch in Ordnung, dass die Band nicht einfach nach zehn Minuten den Auftritt abgebrochen hat, sondern versucht hat, das Beste aus der Situation zu machen und immerhin gut 70 Minuten auf der Bühne stand.
Als Gesamtpaket war der Kurztrip auf die Insel eh ein wunderbarer Tag und sollten die Descendents ihre Ankündigung wahr machen, für diesen Abend und das komplett abgesagte Konzert am nächsten Tag noch dieses Jahr Wiedergutmachung in Form eines Gratis-Auftritts betreiben zu wollen, werde ich wohl wieder dabei sein. Denn wer weiß, ob ich oder sie in vierzehn Jahren noch rocken können...

Descendents
Setlist:
Descendents
Hope
Silly Girl
Pervert
Coffee Mug
Coolidge
I Like Food
Enjoy
Suburban Home
I Wanna Be A Bear
Sour Grapes
ALL-O-Gistics
I Don't Want To Grow Up
Weinerschnitzel
No, ALL!
I'm Not A Loser
Bikeage
Clean Sheets
Jealous Again [Black Flag]
Nervous Breakdown [Black Flag]
Revenge [Black Flag]
Van
Punk Rock Records (aber ohne Gewähr, bin mir nicht sicher) [Zeke]
Bloodstains [Agent Orange]
Myage

Tolle Fotos von dem Abend findet man übrigens auf Marcs Seite.

Freitag, 22. April 2011

Snuff

Snuff / Former Cell Mates

21.04.11 Forum, Bielefeld

Oh Bielefeld, du mystischer Ort, du Avalon Ostwestfalens, wer deine Schönheit entdecken will und aus dem Ruhrgebiet mit dem Auto anreist, wird mit Mühsal und Pein gestraft, ehe ihn deine Schönheit entschädigt...
Weniger prosaisch: Stau wegen eines Unfalls in einer Baustelle auf der A2 direkt am Kamener Kreuz und schon braucht man zwei statt nur einer Stunde, um am Forum anzukommen. Wegen des allgemeinen Spaßverbots, genannt Karfreitag, sollte das Konzert schon pünktlich um 20:30 beginnen, so dass wir kurz vor halb zehn davon ausgingen, die Former Cell Mates verpasst zu haben. Doch die drei Engländer spielten noch eine gute halbe Stunde, in Bielefeld scheinen die Uhren also anders zu gehen.
Former Cell Mates sind mit ihrem gerade erschienenen neuen Album Presented As A Work Of Fiction auf kleiner Deutschland-Tour und kreuzten zufällig ihre Wege mit Snuff an diesem Abend. Mit einem ehemaligen Leatherface-Mitglied am Bass und Songs, die an Doctor Bison erinnern, waren sie der perfekte Opener.
Former Cell Mates
Snuff scheinen sich inzwischen eingespielt zu haben, hatten diesmal sogar eine Setlist im Vergleich zum improvisierten Auftritt im Stone vor einer Woche und ein Blick darauf machte klar, dass es erneut eine Ladung Hits geben würde. Das Forum war trotz seiner Größe recht gut gefüllt, bot aber genug Platz, um gemütlich abzutanzen. Doch halt, ein Plakat am Eingang wies direkt darauf hin: "Dies ist ein Konzert, keine Tanzveranstaltung". Doch Bielefeld ignorierte das und feierte für seine Verhältnisse recht euphorisch, ohne allerdings an die rheinische Ausgelassenheit von Düsseldorf ranzukommen. Die Band zeigte sich musikalisch deutlich besser als zum Tourauftakt, man merkte durchaus positiv eine gewisse Routine. So war z. B. inzwischen der Keyboarder aufgetaut und posierte hemmungslos den ganzen Abend herum, während er eine Woche zuvor noch recht schüchtern am Bühnenrand spielte. Nachdem man die Setlist in 55 Minuten abgearbeitet hatte, ging die Band von der Bühne, kam aber doch noch einmal für zwei Stücke, What Kind Of Love und Whatever Happened To The Likely Lads, zurück, ehe dann endlich die Oster-Besinnlichkeit einsetzen konnte.
Snuff
Setlist:
Caught In Session
Walk
Do Nothing
Somehow
Nick Motown
Sweet Dreams
Soul Limbo
Sunny Places
Dicky Trois
Nick Northern
Marbles
B
Bob
Iyehf Taidu Leikh
Night Of The Li's
Too Late
Fuck Off
Arsehole
------------------------------------------
What Kind Of Love
Whatever Happened To The Likely Lads

Sonntag, 17. April 2011

Snuff

Snuff / Nimrods

15.04.11 Stone, Düsseldorf

Huch, wo kommen die denn plötzlich her? Das letzte Mal waren Snuff vor gefühlt zehn Jahren auf Tour, hatten sich 2005 aufgelöst, um dann drei Jahre später für vereinzelte Konzerte wieder zusammen zu kommen und nun aus dem Nichts eine kleine Deutschland-Tour mit Auftakt an einem sonnigen Frühlingsfreitag in der Düsseldorfer Altstadt zu spielen.
Den Auftakt machten die coolsten Oberhausener seit Erfindung der Sonnenbrille, die Nimrods. Am zehnten Todestag von Joey Ramone ließen sie mit ihrem schmissigen Poppunk dessen Geist wieder auferstehen getreu ihrem Motto "Drei Akkorde, eine Basssaite und kein Talent". Das ganze wurde untermalt durch aufwändige Pyroeffekte wie Wunderkerzen und so ausgefeilte Posen, wie es der Bierbauch-Ansatz halt zulässt. Das erinnerte an das Chixdiggit-Konzert eine Woche zuvor an gleicher Stelle, zumal die Kanadier auch vor zwei Wochen bei der Release Party anlässlich des neuen Albums der Nimrods im Zentrum Altenberg aufgespielt hatten.
Nimrods
Snuff haben über 20 Jahre Bandgeschichte auf dem Buckel, wirken dabei aber deutlich jünger als der verrostete alte Bully, mit dem sie erst um kurz nach acht am Stone ankamen. Durch die späte Ankunft entfiel der Soundcheck, zudem erkrankten der Posaunist und der Keyboarder und mussten kurzfristig durch Gastmusiker ersetzt werden. Und so wirkte der Opener What Kind Of Love noch unglaublich holprig und ließ für den Rest des Konzerts Schlimmes befürchten. Doch die alten Hasen fingen sich unglaublich schnell, unterstützt von einem feierwilligen Düsseldorfer Publikum, so dass der Auftritt zu einer ausgelassenen Party wurde. Auf Zuruf wurden Hits gespielt und bei zwei Stücken, Martin und I Think We're Alone Now (danke an Michael fürs Filmen), holte man sich einfach Sangeswillige auf die Bühne. Nach knapp 70 Minuten Querschnitt durchs gesamte Repertoire - gespielt wurden u. a. Nick Northern, Too Late, Night Of The Li's, Pixies, Marbles, B - verabschiedete sich die Band mit Arsehole, kam aber noch einmal für eine Zugabe zurück, ehe dann nach Whatever Happened To The Likely Lads endgültig Schluss war.
Einmal mehr erwies sich Düsseldorf als Hochburg für Punkkonzerte und im Juni wartet mit Leatherface im Stone bereits das nächste Highlight.
Snuff

Dear Landlord

Dear Landlord / The 20 Belows / Zatopeks

12.04.11 Sonic Ballroom, Köln

Treffen sich ein Amerikaner, ein Däne und ein Engländer in Köln... Was wie ein schlechter Scherz klingt, war an diesem Abend in der kleinen Punk-Eckkneipe Sonic Ballroom das Abendprogramm.
Um kurz nach neun eröffnete die englische Pop-Punk-Combo Zatopeks den Abend und brachte gleich richtig gute Laune unter die Anwesenden. Klingen sie auf Platte manchmal recht eintönig, zeigten sie live Biss und rockten das Haus. Der Sänger wagte sich mehrmals ins Publikum, wanderte dabei sogar einmal bis zur Theke und zurück, zugegeben keine Riesenwanderung bei der Größe des Ladens. Die Bandmitglieder überraschten mich dann durch Ansagen in sehr gutem Deutsch (drei der vier Briten leben seit Jahren in Berlin, wie ich im nachhinein erfahren habe) und sogar der neue österreichische (!) Gitarrist war sehr gut zu verstehen.
Zatopeks
Nach einer sehr unterhaltsamen halben Stunde räumten die Zatopeks dann die Bühne für ihre dänischen Kollegen The 20 Belows, mit denen sie vor Jahren bereits eine Split-Single veröffentlicht haben und derzeit gemeinsam auf kurzer Europa-Tour sind. Die Jungs wirkten gleich optisch eine Runde härter, zutätowierter und ein nicht ganz so herzliches Grinsen im Gesicht, vor allem der kleine Gitarrist im Strike Anywhere-Shirt sah aus, als hätte er gerade eine Schlägerei gegen einen Trupp Skinheads verloren. Auch musikalisch war der Pop-Faktor zugunsten einer gehörigen Dosis Streetpunk zurückgefahren, was zwar nicht schlecht klang, aber nicht ganz so meine Kragenweite war wie die Gute-Laune-Musik der Zatopeks.
The 20 Belows
Vor einem Jahr waren Dear Landlord bereits mit ihrem 2009er Album Dream Homes auf Tour in Deutschland gewesen und hatten mich vollkommen überzeugt. Seitdem hatten sie noch kein neues Material veröffentlicht (die Split-Single mit den Dopamines zum Record Store Day kam erst wenige Tage danach raus) und daher wurde in den gut 45 Minuten das Album fast komplett gespielt und es gab nur einen neuen Song zu hören.Wirkte die Band zu Beginn noch etwas distanziert und müde, tauten sie doch im Laufe des Abends auf, wie auch das Publikum immer mehr mitging, zum Teil animiert von den vor der Bühne ausgelassen mitfeiernden Zatopeks samt Anhang. Und als dann ihre Dampfwalze á la Dillinger 4 oder Nothington so richtig ins Rollen gekommen war, packten sie mich auch sofort wieder.  Nach der letzten Zugabe Three To The Beach entschuldigte sich der Sänger noch kurz, dass sie einfach nicht mehr Songs im Repertoire hätten und dann war Schluss mit diesem kosmopolitischen Dreierpack.
Dear Landlord

Sonntag, 10. April 2011

Chixdiggit

Chixdiggit / The Yoohoos

08.04.11 Stone, Düsseldorf

Letztes Jahr im Juni mussten die Boxhamsters ihr Konzert im Stone kurzfristig absagen, doch schon 10 Monate später stand ja der Nachholtermin auf dem Programm. Im Zug nach Düsseldorf twitterte mich dann ein Bekannter an, dass sie auch diesmal angeblich nicht spielen sollten. Dementsprechend skeptisch kam ich am Ratinger Hof in der Altstadt an und ein Zettel am Eingang verkündete tatsächlich, dass die Gießener abgesagt hatten, da ihr Schlagzeuger wenige Stunden zuvor ausgestiegen sei. Auf der Facebook-Seite des Stone hieß es allerdings, dass sie es wegen einer Autopanne nicht nach Düsseldorf geschafft hätten. Hmmm, vielleicht ist er also nur aus dem Wagen ausgestiegen?
Kanadas antwort auf No FX, Chixdiggit, mutierte so von der Vorband zum Headliner und hatte als Unterstützung noch schnell The Yoohoos mitgebracht, mit denen sie am Abend zuvor in Köln gespielt hatten. Die zwei Jungs und ein Mädel machen ebenfalls gutgelaunten Punkrock im Stile der Ramones und Jet Bumpers und sorgten nach anfänglich etwas zähem Beginn für mächtig Stimmung. Neben gelungenen Coverversionen wie Bizarre Love Triangle von New Order spielte dabei ein Pogostick eine nicht unwichtige Rolle, denn den schenkte der Sänger seiner Freundin von der Bühne herunter zum Geburtstag. Sie probierte ihn auch gleich aus - ein herrliches Bild, das auch von meiner Begleitung auf Video festgehalten wurde. Der ältere Herr auf der Bühne war übrigends Kepi Ghoulie, der Chixdiggit auf ihrer Europa-Tour am Bass unterstützte und bei den Yoohoos mehrere Lieder mitsang.

The Yoohoos w/ Kepi Ghoulie
Kurz nach zehn begann dann das große Wunschkonzert der Chixdiggit. Sie hatten an der Wand neben der Bühne einen großen Zettel angebracht, auf dem alle Songs standen, die die Band spielen kann. Und der Zettel war wirklich groß, schließlich exisitiert die Gruppe schon seit gut 20 Jahren.. So wurden also gerne Publikumswünsche erfüllt, Auch meiner nach I Hate Basketball von der neuen EP Safeways Here We Come wurde gespielt, allerdings musste Kepi dazu unter seiner Monitorbox nach einem Zettel mit den Akkorden kramen, da er meinte, dass ausgerechnet das der Song sei, den er am schlechtesten kenne, was man ihm aber nicht anmerkte.
Sänger KJ gab den ganzen Auftritt über die Rampensau, poste wild herum und animierte das Publikum zum Mitsingen, z. B. bei Spanish Fever, was dieses auch gerne tat. Nach zwei Songs riss zwar bereits Kepis Bassgurt, aber er spielte das Konzert einfach mit dem Instrument der Yoohoos-Bassistin weiter. Gegen Ende rissen dann gleich mehrere Saiten von KJs Gitarre und er verlegte sich ganz aufs Singen.
Nach einer guten Stunde und gefühlten 57 Songs war dann das Konzert vorbei und ich war alles andere als traurig darüber, dass die Boxhamsters wieder nicht erschienen waren, denn mit diesem furiosen Auftritt hätten ihnen die Chixdiggit wohl locker die Show gestohlen.

Chixdiggit

Dienstag, 5. April 2011

The Thermals

The Thermals / The Coathangers

03.04.11 Gebäude 9, Köln

Vor über einem halben Jahr veröffentlichten The Thermals ihr aktuelles Album Personal Life, auf dem sie auch erstmals ruhigere Töne anschlugen und sogar Songs jenseits der Vier-Minuten-Grenze aufnahmen, für ihre Verhältnisse also geradezu Rockopern. Nun hatte man endlich Gelegenheit zu sehen, ob sich auch live etwas geändert hat, oder ob The Thermals immer noch die großartige Partyband sind, als die ich kennen und lieben gelernt habe.
Doch zunächst traten vier weibliche Kleiderbügel auf die Bühne des ausverkauften Gebäude 9. The Coathangers kann man durchaus in den Riot Grrl-Kontext einordnen, manchmal recht simple Garagenmucke, mal etwas softer wie die Vivian Girls, mal mit Sleater-Kinney-Referenzen, vor allem wenn die optisch beeindruckende Schlagzeugerin los röhrte und manchmal auch an den Elektropunk der Goldenen Zitronen erinnernd, wenn das Keyboard im Vordergrund stand. Dazu wurden ab der Hälfte ihres gut 40minütigen Sets wild die Instrumente gewechselt, was eigentlich nach einer unterhaltsamen, abwechlungsreichen Show klingt. Beim Publikum kamen sie auch sehr gut an, nur bei mir nicht, da ich einfach zu sehr vom Gesang genervt war. War das Gebrülle der Drummerin noch halbwegs erträglich, ging das schrille Gekeife und Gekreische (sorry, Gesang kann ich das wirklich nicht nennen) der Gitarristin für meine Ohren gar nicht. Aber den meisten Anwesenden gefiel es offensichtlich und auch die Band schien auf der Bühne großen Spaß zu haben
Nach kurzer Umbaupause begannen dann The Thermals um kurz vor zehn gleich mit Time To Lose von ihrem ersten Album More Parts Per Million und deuteten so gleich an, dass es ein Abend voller Hits werden würde. In den gut 60 Minuten bretterten sie 24 Songs runter, wobei der Schwerpunkt im Gegensatz zur letzten Tour deutlich stärker auf älteren Stücken lag. Und spätestens bei Our Trip waren die Kölner auch richtig aufgetaut und gingen mit, wobei es trotz ausverkauften Hauses angenehm geräumig vor der Bühne war.
Mein persönliches Highlight des Abends war aber Never Listen To Me, bei der Kathys Gesang im Refrain stärker als auf Platte zum Tragen kam und dem Lied einen umwerfenden Pop-Charme verlieh.
Es war ein großartiges Konzert, das viel besser zu dem herrlichen Frühlingswetter des Vortages gepasst hätte als zu diesem trüben, verregneten Sonntag Abend. Aber so haben The Thermals noch einmal die Sonne in die Herzen der Zuschauer zurück gebracht.

Setlist:
Time To Lose
Returning To The Fold
I Don't Believe You
It's Trivia
Brace And Break
We Were Sick
I Let It Go
Our Trip
Every Stitch
Not Like Any Other Feeling
Never Listen To Me
Here's Your Future
I Might Need You To Kill
An Ear For Baby
A Stare Like Yours
Power Lies
Your Love Is So Strong
St. Rosa And The Swallows
How We Know
Overgrown, Overblown
Now We Can See
A Pillar Of Salt
------------------------------
Back To Gray
No Culture Icons

The Thermals

Sonntag, 3. April 2011

Phillip Boa And The Voodooclub

Phillip Boa And The Voodooclub

01.04.11 Zeche, Bochum

Wenn man lang genug im Geschäft ist, dann scheint es Mode zu werden, live mal ganze Alben aus seinem Gesamtwerk zu präsentieren, meistens begleitet von einer Wiederveröffentlichung als Deluxe-Jubiläums-Schnickschnack-Edition mit irgendwelchen Bonustracks. In England touren Primal Scream gerade mit Screamadelica, die Pixies haben es mit Doolittle auch schon gemacht, warum sollte also Phillip Boa da außen vor bleiben. Nach 20, bzw. 18 Jahren wurden gerade Helios und Boaphenia wiederveröffentlicht und auf der begleitenden Tour sollen nur Stücke dieser beiden Alben gespielt werden.
Das löste bei mir allerdings eher geringe Erwartungen aus, da vor allem die sperrige Helios nun nicht gerade zu meinen Favoriten gehört und mit And Then She Kissed Her eigentlich nur einen Klassiker enthält.
Die (mir unbekannte) Vorgruppe wurde elegant verpasst, da sie recht früh spielen musste, denn bereits um 20:45 war für Boa Showtime. Zunächst standen die Songs von Helios im Vordergrund, wurden allerdings nicht in der Reihenfolge des Albums gespielt. Sicher war es interessant, mal Live-Raritäten wie Pfirsicheisen zu hören, aber viele im Publikum waren wohl doch eher aus Tradition bei Boas "Heimspiel" da, denn der Geräuschpegel stieg bei den vertrackten Liedern deutlich an, man wollte eher die poppigen Hits wie Life After Being A Zombie hören.
Boa selber wirkte trotz der inzwischen jahrzehntelangen Bühnenerfahrung immer noch herrlich ungelenk, was sich in den bekannten, geradezu epileptischen Tanzbewegungen immer wieder manifestierte. Auch sein Einsatz an den Bongos bei einem Lied wirkte in seiner Unsicherheit fast niedlich.
Die Stimmung und die Bewegung im Publikum steigerten sich im Boaphenia-Teil dann deutlich, lud der doch mit Krachern wie Love On Sale, Get Terminated oder Hyperactive Cracker eher zur Party ein. Nach gut 90 Minuten verabschiedete sich die Band, kam aber noch einmal für eine Zugabe wieder, in der dann mehrmals lautstark nach Kill Your Idols verlangt wurde, eigentlich der klassische Rausschmeißer einer Boa-Show, nur heute nicht weil vom "falschen" Album, was sich diese Intelligenzbestien eigentlich hätten denken können. Stattdessen wurde And Then She Kissed Her als Finale geboten.
Boa bedankte sich artig beim Publikum, sprach auf seiner Facebook-Seite danach sogar von einer "sold out show, grosses Kino", aber das war es beides nicht, aber sicherlich gute Unterhaltung in einer sehr gut gefüllten Zeche.