Samstag, 30. April 2011

Descendents

Descendents / Dead To Me / Teenage Bottlerocket

25.04.11 o2 Shepherds Bush Empire, London

In der Schule war Biologie nie mein Lieblingsfach, aber dennoch flog ich extra nach London, um mir den Vortrag eines Doktors der Biochemie anzuhören...
Wenn man um kurz nach sieben in Luton landet und das Konzert erst abends in London ist, hat man ja noch reichlich Zeit, die man rumkriegen muss. Also erst einmal in einem Supermarkt mit Essen eingedeckt und dann rüber in den St. James Park, um bei herrlichem Frühlingswetter im Liegestuhl zu frühstücken und den hauptsächlich italienischen Touristen zuschauen, wie sie Richtung Buckingham Palace pilgern, um dort einen Blick auf die Hochzeitsvorbereitungen zu erhaschen oder den zahlreichen Eichhörnchen im Park hinterher jagen.
Gegen Mittag fuhr ich dann Richtung Shepherds Bush und warf schon einmal einen Blick auf das altehrwürdige Empire.

o2 Shepherds Bush Empire
Danach ging ich dann rüber zur Loftus Road, um mir das Zweitligaspiel Queens Park Rangers - Hull City anzuschauen. Auch wenn ich am Karsamstag noch Hoffnung schöpfen durfte, als die wahre Borussia den kommenden Deutschen Meister aus Dortmund bezwang, wollte ich mich dennoch schon einmal auf die nächste Saison einstimmen, denn QPR konnte mit einem Sieg den Aufstieg in die Premier League perfekt machen. Im ausverkauften Stadion herrschte ausgelassene Party-Atmosphäre nach dem frühen Führungstreffer und auch wenn Hull noch der Ausgleich gelang und damit der Aufstieg rechnerisch noch nicht unter Dach und Fach war, wurde dennoch zur Feier des Tages nach dem Abpfiff der Platz gestürmt.

QPR v Hull City, Loftus Road
Zurück am Empire traf ich auch noch auf Marc und andere Punk-Touristen und wir brachten die Zeit bis zum Konzert im australischen Pub nebenan rum, in dem ebenfalls reichlich Betrieb war, denn es war ANZAC Day, ein australischer Nationalfeiertag.
Das Shepherds Bush Empire ist ein 1903 erbautes Musiktheater mit rund 2000 Plätzen und drei Rängen und einer herrlichen Innenarchitektur und damit ein eher ungewöhnliches Ambiente für ein Punk-Konzert. Auf der riesigen Bühne wirkte der Aufbau für die Bands auch fast etwas verloren.
Gegen 19:45 betraten Teenage Bottlerocket die Bühne und legten sofort mit Skate Or Die los. Danach folgten gefühlte 20 Songs in 30 Minuten im besten Ramones-Stil, passend zum "Ramones Museum"-Shirt des Gitarristen, das er tags zuvor in Berlin bekommen hatte.
Dieses Feuerwerk der guten Laune kam auch beim Publikum sehr gut an und auch die Band genoss den für ihre Verhältnisse fast schon kleinen Auftritt, waren sie doch gerade mit No FX in Europa auf Tour und spielten oft größere Hallen. Markenzeichen waren die breitbeinigen Posen, in denen sich die Bandmitglieder geradezu zu übertrumpfen suchten.

Teenage Bottlerocket
Und breitbeinig ging es auch bei Dead To Me weiter. Haben sie sich auf Platte hin zu einem differenzierteren Sound weiterentwickelt, ging es auf der Bühne wie schon letztes Jahr beim Auftritt in Essen zurück zu den Poppunk-Wurzeln, was auch gerade bei den älteren Songs wie Don't Lie und Something New beim Publikum gut ankam.

Dead To Me
Und dann war es soweit, Ich muss ja zugeben, dass ich ALL, die Nachfolge-Band, nachdem sich die Descendents 1987 aufgelöst hatten, da Sänger Milo Aukerman lieber in Biologie promovieren wollte, lieber mag als die Descendents, da ist noch mehr Abwechslung in den Stücken, manchmal auch noch fieseres Gefrickel und ich persönlich halte auch Scott Reynolds oder Chad Price für die besseren Sänger als Milo, aber Descendents sind halt das Original. 14 Jahre nach der letzten Europa-Tour, wo ich sie in Frankfurt und beim Pink Pop Festival gesehen hatte, kamen sie nun für einige Shows über den Teich und betraten nun im Shepherds Bush Empire die Bühne, um mit Descendents loszulegen. Doch Milos Stimme klang direkt sehr angeschlagen, schon nachmittags vor dem Empire, wo ich ihn kurz gesehen hatte, wirkte sie sehr belegt und dieser Eindruck bestätigte sich sofort. Bereits beim dritten Stück, Silly Girl, war nur noch ein heiseres Krächzen zu hören und Milo zertrümmerte wütend sein Mikrofon so infernalisch, dass Splitter kreuz und quer über die Bühne flogen und Gitarrist Stephen Egerton fast ins Auge getroffen hätten. Er versuchte es noch einmal kurz, aber es ging nicht wirklich und so beratschlagte die Band kurz, was zu tun wäre. Das gleiche war bereits vor fünf Monaten in Australien passiert und wie damals behalf man sich nun mit einer Reihe von Gastsängern, immer wieder unterbrochen von ein, zwei Songs, in denen Milo es noch einmal versuchte.
Bei Coolidge, Suburban Home und Sour Grapes half Sam von Dead To Me beim Gesang aus, bei Bikeage Eric Melvin von No FX und bei Clean Sheets sang Drummer Bill Stevenson, während Brandon von Teenage Bottlerocket Schlagzeug spielte. Danach wurden dann drei Songs von Black Flag gecovert mit Stephen am Schlagzeug, Bill an der Gitarre und Milo am Bass, während Bassist Karl Alvarez die Rampensau machte und sang und dabei ständig ins Publikum sprang. Es hatte was von einer offenen Bandprobe, da Bill scheinbar während des Spielens Milo immer die nächsten Akkorde zeigen musste. Auch der Roadie durfte mal ran und einen Zeke-Song singen, gefolgt vom Agent Orange-Klassiker Bloodstains wieder mit Karl am Mikrofon. Milo übernahm dann noch einmal, um mit Myage den Abend zu beenden.
Natürlich war es kein gutes Konzert, aber ich fand es dennoch in Ordnung, dass die Band nicht einfach nach zehn Minuten den Auftritt abgebrochen hat, sondern versucht hat, das Beste aus der Situation zu machen und immerhin gut 70 Minuten auf der Bühne stand.
Als Gesamtpaket war der Kurztrip auf die Insel eh ein wunderbarer Tag und sollten die Descendents ihre Ankündigung wahr machen, für diesen Abend und das komplett abgesagte Konzert am nächsten Tag noch dieses Jahr Wiedergutmachung in Form eines Gratis-Auftritts betreiben zu wollen, werde ich wohl wieder dabei sein. Denn wer weiß, ob ich oder sie in vierzehn Jahren noch rocken können...

Descendents
Setlist:
Descendents
Hope
Silly Girl
Pervert
Coffee Mug
Coolidge
I Like Food
Enjoy
Suburban Home
I Wanna Be A Bear
Sour Grapes
ALL-O-Gistics
I Don't Want To Grow Up
Weinerschnitzel
No, ALL!
I'm Not A Loser
Bikeage
Clean Sheets
Jealous Again [Black Flag]
Nervous Breakdown [Black Flag]
Revenge [Black Flag]
Van
Punk Rock Records (aber ohne Gewähr, bin mir nicht sicher) [Zeke]
Bloodstains [Agent Orange]
Myage

Tolle Fotos von dem Abend findet man übrigens auf Marcs Seite.

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