Montag, 20. August 2012

Simple Minds

Simple Minds

19.08.12 E-Werk, Köln

Was könnte es heutzutage noch für einen Grund geben, sich die Simple Minds anzuschauen? Ihren Zenith haben sie längst überschritten und schon im Juni 1989, als ich die Band das erste und bislang einzige Mal in der Dortmunder Westfalenhalle sah, stießen mir Songs wie Belfast Child schon komisch auf.
Ein abgewracktes Greatest Hits-Programm hätte mich also nicht zu einem Konzertbesuch bewegen können, doch es wurde etwas ungleich Besseres angekündigt. Anfang des Jahres wurde X5 veröffentlicht, ein Box-Set der ersten fünf Alben der Bandgeschichte, zu dem es eine kleine Europa-Tour unter dem Motto 5x5 gab, auf der die Band je fünf Stücke dieser ersten fünf LPs spielte und sonst nichts, kein Don't You (Forget About Me), kein Alive And Kicking.
Köln sollte nun ebenfalls Schauplatz dieser Werkschau werden, ausgerechnet aber an einem der heißesten Tage des Jahres. Nach angenehmer Fahrt in einem klimatisierten Auto umwehte uns auf dem kurzen Weg vom Parkplatz zum E-Werk bereits ein laues Lüftchen, das sich anfühlte, als ob jemand einem einen Fön ins Gesicht hält. In der nahezu ausverkauften Halle fehlte nur ein frischer Aufguss, ansonsten war die Sauna-Atmosphäre perfekt. Es hatte kurz vor Beginn noch extra eine Durchsage gegeben, dass nur Stücke der ersten Alben gespielt würden, möglicherweise um Publikumsrufe nach den unvermeidbaren Hits zu vermeiden, auch wurde eine kurze Pause im Set angekündigt.

Simple Minds
Pünktlich um 20 Uhr ging das Licht aus und I Travel eröffnete das Set. Bemerkenswert, dass Sänger Jim Kerr ein Sakko über seinem T-Shirt trug, dabei aber noch von Keyboarder Andy Gillespie getoppt wurde, der im Anzug mit hochgeknöpftem Hemd und Krawatte hinter seinem Tastenturm thronte. Zwei weitere Stücke von Empires And Dance folgten, ehe es mit Life In A Day noch weiter zurück zum gleichnamigen Debütalbum ging.
Der Sound war für Kölner Verhältnisse akzeptabel, nur hätte man sich ab und zu die Keyboards noch prominenter im Vordergrund gewünscht, dafür wummerte der Bass schön. Die erste Hälfte kam bis auf Premonition ohne (zumindest meiner Meinung nach) weitere richtige Klassiker aus und nach gut 55 Minuten verließ die Band die Bühne für die angekündigte Pause, die auf Grund der Temperaturen in der Halle auch beim Publikum gut ankam.
Statt zehn wurden es dann auch gut zwanzig Minuten, ehe die Band mit The American gleich mit einem echten Highlight den Auftritt fortsetzte. Kerr hatte Sakko und Shirt gegen ein - allerdings langärmeliges - Hemd getauscht und der Keyboarder hatte sich sogar der Krawatte entledigt und die obersten Knöpfe des Hemds geöffnet. Das reguläre Set wurde dann ohne weitere Kleidungswechsel und getreu dem Standardwerk "Setlists für Anfänger" mit Promised You A Miracle und Someone Somewhere In Summertime beendet.
Die obligatorische Zugabe begann instrumental mit dem großartigen Theme For Great Cities, danach erschien Kerr wieder mit Sakko und T-Shirt, und Glittering Prize kam auch noch dran, ehe nach über zwei Stunden New Gold Dream (81/82/83/84) das Konzert mit dem 25. Lied beendete.
Das Konzept wurde also durchgehalten, auch wenn es nicht exakt 5x5 war, da Empires And Dance mit sechs Stücken, Real To Real Cacophony nur mit vier vertreten war, an der Setlist gab es also nichts zu bemäkeln, auch wenn ich gerne King Is White And In The Crowd gehört hätte, aber das zählt nicht wirklich.

Simple Minds
Anders sah es schon bei der Performance aus, denn da fühlte ich mich schon unangenehm an 1989 erinnert. Jim Kerr hat halt über die Jahre gelernt, wie man mit Menschenmassen umgeht und spulte hier das ganze Repertoire ab, immer wieder willkürlich mit dem Finger in die Menge zeigend, um Leuten das Gefühl zu geben, genau sie seien ihm aufgefallen. Am Bühnenrand posierte er mit fast schon debilem Grinsen und Winken wie ein Disneyland-Maskottchen für Erinnerungsfotos. Überhaupt ging er ständig in die Knie, legte sich einmal sogar ganz auf die Bühne, was man nach 35 Jahren Bandgeschichte nun wirklich nicht mehr als emotionalen Ausdruck der Stücke auffassen konnte. Verbale Kommunikation mit dem Publikum fand hingegen kaum statt außer der ebenfalls ausgelutschten Phrase "Are you ok?", dafür  wurde um so öfter zum Mitklatschen aufgefordert, was natürlich problemlos klappte. Die Versuche, das Publikum manchen Refrain übernehmen zu lassen, scheiterten hingegen öfter, was allerdings wohl hauptsächlich auf die Hitze zu schieben sein dürfte, die die Kehlen gnadenlos austrocknete. Auch Kerr merkte man den Kräfteverschleiß während der über zwei Stunden deutlich an, seine Tänzeleien und die dynamischen Bewegungsausbrüche wurden langsamer und vor allem seine Stimme ließ zum ende schon deutlich nach.
Doch das sei einem 53-jährigen verziehen, wenn sogar zahlreiche Bundesliga-Profis bei der Hitze an diesem Pokal-Wochenende noch nicht einmal über 90 Minuten ihre Leistung abrufen konnten, seine Stadionrock-Posen hingegen nicht, da diese gerade bei der unterkühlten Atmosphäre, die ja gerade diese alten Songs auf Platte auszeichnete, deplatziert wirkte.
So war es eine musikalisch sehr befriedigende Zeitreise, die aber schon bestätigte, warum ich die Band die letzten 23 Jahre nur noch am Rande wahrgenommen habe, wobei aber schon Inhalt über Form siegte, denn man kann ja zur Not auch mit geschlossenen Augen Musik hören oder sich über die Klischee-Posen amüsieren.

Setlist: (dankbar abgeschrieben von Kleines Konzerttagebuch)
I Travel
Thirty Frames A Second
Today I Died Again
Life In A Day
Calling Your Name
Hunter And The Hunted
Premonition
Wasteland
Love Song
Pleasantly Disturbed
Room
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(Pause)
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The American
In Trance As Mission
70 Cities As Love Brings The Fall
Celebrate
Changeling
Factory
This Fear Of Gods
Promised You A Miracle
Someone Somewhere In Summertime
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Theme For Great Cities
Someone
Chelsea Girl
Glittering Prize
New Gold Dream (81/82/83/84)

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