Sonntag, 28. Oktober 2012

Small Beast w/ Little Annie & Baby Dee

Small Beast

w/ Little Annie & Baby Dee / Jordan Hunt / Paul Wallfisch

26.10.12 Schauspielhaus, Dortmund

Das kleine Biest ist wieder los. Ich hatte ja schon anlässlich des Dear Reader-Auftritts im März diese kleine Reihe im Dortmunder Schauspielhaus wärmstens empfohlen. Nun stand nach der Sommerpause erstmals wieder ein Konzert an und Paul Wallfisch hatte Little Annie & Baby Dee eingeladen, die fast auf den Tag genau vor zwei Jahren auch bei der Premiere in Dortmund dabei waren.
Doch zunächst gab es eine örtliche Neuorientierung, denn wegen der großen Nachfrage wurde die Veranstaltung aus dem winzigen Institut ins Studio verlegt und war auch hier bereits im Vorfeld ausverkauft. Vor allem für die Musiker bedeutete dies deutlich mehr Platz als in der sehr beengten Theaterkneipe, aber wenigstens standen die tropischen Temperaturen unter dem Dach des Schauspielhauses denen im Institut in nichts nach. Paul Wallfisch machte wie üblich den Conferencier und spielte zur Einleitung am Klavier.
Neben einem Stück für eine aktuelle Inszenierung namens Einige Nachrichten an das All erzählte er ausführlich über ein gerade gelesenes Buch über die amerikanische Bürgerrechtlerin Angela Davis und ließ sich davon inspirieren. So spielte er das Davis gewidmete Sweet Black Angel von den Rolling Stones und Bob Dylans George Jackson.

Paul Wallfisch & Brian Viglione
Außerdem kam er irgendwie auf den Sänger und Schauspieler Dean Reed zu sprechen, der in der DDR lebte und ein Star in der Sowjetunion war. Auf Wallfischs Frage ans Publikum, wer denn Dean Reed kenne, gab es nur ein, zwei positive Handzeichen. Bei der Kurzfassung von Reeds Biografie fiel ihm dann ein, dass das Dortmunder Ensemble-Mitglied Andreas Beck der ideale Mann sei, um Reeds Hit Our Sommer Romance zu singen. doch da dieser gerade nicht anwesend war, musste das Publikum aushelfen. Just als das Lied beendet war, kam Beck doch noch angeschlurft. Paul erzählte ihm, dass er gerade von Dean Reed erzähle, worauf Beck sofort in die Runde fragte, ob denn jemand Dean Reed kenne, was ihm ein kollektives Aufstöhnen á la "Nicht schon wieder!" einbrachte.
Zum Abschluss der Einleitung kam dann der gerade aus New York eingeflogene Brian Viglione ans Schlagzeug für den Botanica-Song Shira & Safia.

Jordan Hunt

Als nächstes kam dann Jordan Hunt an die Reihe. Der klassisch ausgebildeter Musiker gehört zur Band von Little Annie & Baby Dee und durfte seine eigenen Werke vorstellen. Und das war absolut beeindruckend. Er  begann mit hoher Stimme eine Tonfolge, die er dann am Klavier musikalisch untermalte und dabei elektronische Hilfsmittel einsetzte. Später wechselte er öfter noch von seiner tieferen Gesangs- in die Kopfstimme und zauberte so wunderschöne, melancholische Kleinode aus dem Hut, die an Perfume Genius oder auch an The Irrepressibles erinnerten. In letzterer Band spielt er auch Geige und steuert Backing Vocals bei. Eigene Veröffentlichungen gibt es zwar noch keine, aber eine EP ist in Arbeit.
Gegen Mitternacht war dann das Vorprogramm beendet und nach einer kurzen Pause begann dann die Hauptattraktion. Zunächst kam Baby Dee im rosa Kleidchen auf die Bühne, erinnerte dabei an eine von Ralf Königs Trümmertunten oder auch an Andreas Kunze als Doc Snyders Mutter. Jordan Hunt kam dann auch noch hinzu, diesmal an der Geige. Der eigentlich sonst sehr schrille und laute Baby Dee verblüffte hier mit zwei wunderschönen, traurigen Songs, die durch die sehr spröde, geradezu knarzig klingende Geige von Jordan Hunt noch trostloser klangen. Fast schon entschuldigend merkte Baby Dee danach an, dass er extra so schrill sei, um die Leute nicht komplett in Depressionen zu stürzen.

Little Annie & Baby Dee

Danach kamen noch die restlichen Begleitmusiker an Schlagzeug und Bass auf die Bühne und last but not least Little Annie im schwarzen Kostüm und mit schwarzem Stock. Es war aber keine Altersschwäche, auch wenn Gesicht und auch Stimme durchaus von einem ereignisreichen Leben ahnen ließen. Sie tänzelte immer wieder über die Bühne, dass man sich an Cab Calloway erinnert fühlte. Die Lieder im Cabaret-Stil, den die Dresden Dolls wieder salonfähig gemacht haben, waren mitreißend (leider so sehr, dass ausgerechnet hinter uns jemand immer haarscharf am Takt vorbei mitstampfte und -schnippte, dass man ausrasten mochte) und auch Brian Viglione (bekanntlich eine Hälfte der Dresden Dolls, bevor er sich Botanica anschloss) am Rand begeistert mitging. Little Annies Stimme wirkte nur bei ruhigeren Passagen brüchig, ansonsten hätte sie das Studio auch ohne Mikrofon unterhalten können. Und das, obwohl sie ständig eine Zigarette griffbereit hatte. Man hatte ihr das Privileg eingeräumt, auf der Bühne rauchen zu dürfen und extra einen Aschenbecher auf einem kleinen Tischchen hingestellt. Das nutzte dann auch ein heftig angetrunkener Gast aus dem Publikum aus, der ebenfalls rauchte und dann plötzlich nach vorne ging und rücksichtsvoll die Zigarette im Ascher entsorgte, dabei allerdings Promille abhängig äußerst elegant stolperte und nur um Haaresbreite nicht in andere Besucher fiel, sondern letztlich unversehrt wieder in seinen Sessel plumpste.
Da die Band am nächsten Morgen früh nach Hamburg weiterreisen musste, wurde es nicht die sonst durchaus übliche Veranstaltung bis in die Puppen, sondern "nur" ein recht kurzes Set. Nach knapp einer Stunde verließ das Quintett die Bühne, kam aber noch einmal für eine lautstark geforderte Zugabe zurück.


Wünsche blieben bei dieser wunderbaren Revue eigentlich keine offen, auch wenn ich mich persönlich über Because You're Gone gefreut hätte, einer Kollaboration von Paul Wallfisch und Little Annie, die auf ihrem Album Genderful und auch auf Botanicas Who You Are zu finden ist und letztes Jahr auch von David J (dem ehemaligen Bassisten von Bauhaus) auf seinem Album Not Long For This World.gecovert wurde. Und passenderweise wird David J auch beim nächsten Small Beast Ende November zu Gast sein, wieder im Studio des Dortmunder Schauspielhauses und natürlich wieder mit mir im Publikum.

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