Introducing
w/ Chvrches / Claire
11.05.13 Gebäude 9, Köln
Das Intro hatte eine gute Idee und schickt daher seit einiger Zeit mehrere Newcomer unter dem Label Introducing auf Club-Tour. Um das Publikum zu diesen meist recht unbekannten nationalen und internationalen Acts zu locken, kostet der Spaß keinen eintritt, sondern nur eine E-Mail, um sich für die Gästeliste anzumelden.Für die Introducing-Reihe im Mai gelang ihnen dabei der Coup, eine der zur Zeit meist gehypten Bands überhaupt als Headliner zu verpflichten, Chvrches aus Glasgow. Ihre erste Deutschland-Tour (von einem Einzel-Gig in Berlin letzten Monat mal abgesehen) bestreiten sie dabei mit Mighty Oaks, Young Galaxy und Claire.
Claire |
Wie groß die Nachfrage sein würde, konnte man daran erkennen, dass die Registrierungsliste bereits im Vorfeld wegen Überfüllung geschlossen wurde. Da um 19 Uhr Einlass sein sollte, machten wir uns auch rechtzeitig auf den Weg, um schon gegen halb sieben am Gebäude 9 zu sein, denn nur der frühe Vogel würde den Wurm fangen. Der wie üblich chronisch überfüllte Regionalexpress von Dortmund nach Köln kam allerdings mit über 20 Minuten Verspätung in Deutz an und auch wenn der Einlass auf halb acht verschoben worden war, nahmen wir uns ein Taxi anstatt des üblichen 25minütigen Spaziergangs am Messegelände entlang. Als wir in die einfahrt zum Gebäude 9 bogen, beglückwünschten wir uns zu der Entscheidung, denn es hatte sich bereits eine stattliche Schlange gebildet.Dementsprechend öffneten die Tore doch bereits früher als geplant, so dass wir nach erfolgreichem Eintritt gemütlich und entspannt das weitere Treiben von den im Hof aufgestellten Bänken verfolgen konnten.
Chvrches |
Die Menschenschlange nahm kein Ende und wir wunderten uns, wie viele Leute in das Gebäude 9 reingelassen wurden. Erst als um halb neun Mighty Oaks anfingen zu spielen, war der Spuk vorbei und scheinbar war niemand nach Hause geschickt worden, obwohl ich hätte schwören können, dass deutlich mehr Menschen sich angestellt hatten, als in die kleine Werkshalle reinpassen. Da laut Zeitplan Chvrches erst kurz vor halb zwölf spielen sollten, wurden die ersten zwei Bands Opfer der Nahrungs- und Getränkesuche im umliegenden Viertel. Wer wissen möchte, was wir verpasst haben, dem sei hier der Bericht des Manns ohne Zuhause, Christoph vom Konzerttagebuch, empfohlen. Es war übrigens beruhigend zu lesen, dass meine Eindrücke vorab insbesondere von Young Galaxy sich scheinbar bestätigt haben, so dass ich auch im Nachhinein nicht besonders traurig bin, die Prioritäten des frühen Abends nicht auf die Musik gesetzt zu haben.
Gegen viertel nach zehn begaben wir uns dann doch in die Halle, um wegen der zu erwartenden Fülle noch einen guten Platz möglichst weit vorne zu ergattern. so konnten wir dann noch das komplette Set des Münchner Quintetts Claire sehen.Der Fünfer stand musikalisch mit seinem Synthie-Pop sicherlich Chvrches am nächsten, wies aber dennoch deutliche Unterschiede auf. Die Stimme der Sängerin ist kräftiger und wirkte unterkühlter und die Musik zudem einfacher und Rhythmus betonter. Der Beat wurde durch einen richtigen Schlagzeuger vorgegeben und variierte nicht besonders, sondern blieb permanent im Midtempo-Bereich. So mussten Spielereien drumherum für Abwechslung sorgen wie z. B. der Einsatz von zusätzlichem Schlagwerk oder kleine Gitarrensprengsel. Dabei zeigten sich bereits erste Schwächen im Sound, denn trotz wilden Einhämmerns auf einem elektronischen Drumpad war davon nichts zu hören, was dafür dann allerdings optisch bizarr wirkte. Da der Soundmann von Claire ein erfahrener Hase war, ich kannte ihn schon von der zweiten Tour der Münchner Band Instrument mit The Unwinding Hours im Oktober 2010, schien das dann ein Hausproblem zu sein.
Nichtsdestotrotz kamen Claire bei der inzwischen vollen Halle gut an und waren sichtlich gerührt, vor allem Sängerin Josie-Claire Bürkle (damit dürfte auch klar sein, woher der Name der Band kommt) bedankte sich überschwänglich. Klang dabei ihre Stimme recht piepsig, so war ihr Gesang dagegen sehr angenehm (im Gegensatz zum Gitarristen, der am seinem Instrument deutlich besser aufgehoben war), nur das Rappen sollte sie vielleicht lassen, denn das Grandmaster Flash-Zitat aus The Message war nicht wirklich gelungen.
Chvrches |
Über Chvrches selber habe ich bereits letztes Jahr anlässlich ihres zweiten Live-Auftritts überhaupt im Glasgower Stereo einiges geschrieben. Seitdem hat die Band zwei Singles veröffentlicht (The Mother We Share und Recover, dessen Rest-Exemplare auf Vinyl am Merchstand ruckzuck ausverkauft waren) und hat eifrig Konzerte gespielt, u.a. in England im Vorprogramm von Passion Pit und Two Door Cinema Club, sowie eine eigene UK- und eine erste US-Tour rund um die SXSW-Messe. Auch nach der Introducing-Reihe geht es direkt weiter mit weiteren Reisen nach Amerika und Australien, sowie einigen Konzerten im Vorprogramm von Depeche Mode und einigen europäischen Festivals, ehe im September endlich das lang erwartete Debüt-Album erscheinen wird, mit dem man dann natürlich auf Europa-Tournee gehen wird, was auch sonst.
Iain Cook sagte auch nach dem Konzert, dass er gar nicht mehr wisse, wann er mal längere Zeit am Stück zu Hause war, aber dass dies im Vergleich zu den Aereogramme-Touren doch sehr angenehm sei, weil durch den Erfolg alles bequemer sei. So werde die Band für die US-Tour einen eigenen Tourbus haben und nicht in einem schäbigen Miet-Van reisen müssen.
Zum Intro von 1999 von Prince kam die Band um halb zwölf auf die Bühne und legte nahtlos mit Lies los, dem vor genau einem Jahr veröffentlichten ersten Track, der den ganzen Rummel auslöste und aus dem als Spielerei gedachten Nebenprojekt einen Fulltime Job machte. Als Sängerin Lauren den einjährigen Geburtstag erwähnte, brach das Gebäude 9 auch spontan in ein Geburtstagsständchen aus. Leider zeigte sich der Sound noch mehr als bei Claire nicht gerade in Feierlaune, denn vor allem die Bässe wummerten so laut, dass die Synthie-Melodien davon überlagert wurden und zu dünn klangen. Zudem war das Licht einfallslos und zu spartanisch und durch ständigen Nebeleinsatz blieb der optische Eindruck hinter einem diffusen Schleier verborgen. Außerdem hatte Lauren auf auf Bühnen-Makeup verzichtet und ließ so auch noch die Ästhetik der 80er vermissen, die die musikalischen Zitate an diese Zeit so schön verstärkt. Niedlich hingegen ihre immer noch schüchtern wirkenden Ansagen, z. B. ihr offensichtliches Bemühen, trotz schottischem Akzent verstanden zu werden. So entschuldigte sie sich zwischendurch mal für das Gerede untereinander und sagte dabei "patter", den schottischen Ausdruck dafür, ehe sie sich schnell korrigierte und "banter" sagte.
Keyboarder Martin Doherty hingegen wirkte bei seinen Gesangspassagen wie eine erfahrene Rampensau und erinnerte im Gegensatz zur Bühnenrand-Präsenz als Live-Musiker bei Aereogramme und The Twilight Sad an seine früheren Tage als Sänger bei der Glasgower Band Julia Thirteen, so wie ich ihn im Vorprogramm von Aereogramme im November 2004 kennengelernt hatte.
Chvrches |
Ein noch größeres Ärgernis als der dürftige Sound war allerdings wieder einmal das Kölner Szene-Publikum. Neben vielen enthusiastischen Fans gab es leider auch eine Reihe an Menschen, für die das offensichtlich mehr eine lästige Pflichtveranstaltung war, als dass sie aus echtem musikalischen Interesse dort waren. Anders kann ich es mir jedenfalls nicht erklären, dass man in der Umbaupause demonstrativ Quartett spielt und einen Großteil des Auftritts mit dem Rücken zur Bühne in der ersten Reihe steht.
Dieser Menschenschlag war aber zum Glück in der Minderheit, der Rest feierte die Band ab, so dass die drei Schotten, nachdem sie mit The Mother We Share ihr Set beendet hatten, doch noch einmal für eine Zugabe zurück auf die Bühne kamen. Hier schloss sich dann der Kreis, denn Prince hatte ihren Auftritt eingeleitet und mit einem Cover von I Would Die 4 U, das sie als I Would Die For V auch bereits für eine BBC Session aufgenommen hatten, wurde er dann beendet.
Insgesamt wirkte der Auftritt für mich nicht so gut wie der letztes Jahr in Glasgow, was ich aber hauptsächlich auf die Begleitumstände zurückführe, denn musikalisch gibts an den Songs von Chvrches nichts zu meckern. Von daher hoffe ich, sie im Herbst auf ihrer eigenen Tour mit besserem Sound und Licht wiederzusehen.
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