Sonntag, 22. Juni 2014

The Tiger Lillies

The Tiger Lillies / Paul Wallfisch

20.06.14 Schauspielhaus, Dortmund

Zum Abschluss des NRW-Theatertreffens gab es noch einmal Musik auf die Ohren mit der britischen Kult-Combo The Tiger Lillies. Die scheinen ein so obskurer Kult zu sein, dass sie mir bislang verborgen geblieben waren, eigentlich ein Kunststück bei über 30 Alben in 25 Jahren Bandgeschichte. Doch vor der Entdeckungsreise wanderte ich auf bekannten Pfaden mit Paul Wallfisch als Vorprogramm.
Vorprogramm? Nanu, wie das? Auf ihrer Homepage haben The Tiger Lillies einen eigenen Bereich für Ihre Anforderungen an die Veranstalter, den ich in seiner Ausführlichkeit so noch nicht gesehen hab und da steht
NO SUPPORT ACTS... EVER.
Nein, No, Ne, Non, Nai, Nid oes
The Tiger Lillies do not perform with support acts, we play 2 complete full length sets and do not require or desire a support act. We do not want to have to move our instruments and monitors to accommodate a support. We assume that an audience have come to see us perform and so we prefer to not have the distraction and inconvenience of a support act, no matter how small, nice, similar, different or good they are. After 25 years we think that is fair enough.
Ich gehe mal davon aus, dass für einen alte Bekannten eine Ausnahme gemacht wurde und so kroch Paul um 22 Uhr wie schon bei den letzten beiden Small Beasts auf die Bühne und eröffnete sein Set mit einem Lied des New Yorkers Künstlers Robert Leaver.

Paul Wallfisch, Merle Wasmuth, Julia Schubert, Bettina Lieder

Es folgte ein Best Of aus seinen musikalischen Beiträgen am Dortmunder Theater mit Songs u. a. aus Einige Nachrichten an das AllDer Meister und Margarita oder Woyzeck. Besonders nett war der Auftritt der drei Damen vom Grill, Bettina Lieder, Julia Schubert und Merle Wasmuth in knappen Proll-Girlie-Outfits und mit Lolli im Mund, während Wallfisch im Talar mit Elvis-Perücke ausgestattet wurde. Danach standen dann Mike Pickering und Adrian Stout von den Tiger Lillies am Schlagzeug und singender Säge Wallfisch zur Seite, womit er gleich den passenden Übergang geschaffen hatte, denn danach verließ er die Bühne und Martyn Jaques komplettierte das Trio und das Set der Tiger Lillies begann.

The Tiger Lillies

Das Gewöhnungsbedürftigste ist sicherlich Martyn Jaques' Stimme, dieses an Dame Edna erinnernde Falsett. Ich hatte als Vorbereitung in ihr neuestes Album A Dream Turns Sour reingehört, das die Band bereits vor der Veröffentlichung auf Soundcloud streamt und auf dem Texte über den ersten Weltkrieg vertont wurden. Und während der Gesang dort schon manchmal nervt, passte das live überraschend gut in Kombination mit den geschminkten Gesichtern und der wunderbaren Mimik, die alle seinen typisch englischen Akzent kongenial unterstrichen.
Die Musik der Tiger Lillies bedient sich bei Brecht/Weill'schen Melodiebögen und könnte mit böser Zunge auch als Zirkusmusik bezeichnet werden. Auch textlich bewegt sich Martyn Jaques gerne im Milieu der Dreigroschenoper (nicht umsonst heißt eines ihrer Alben Two Penny Opera), Zeilen wie "I'm a sailor, I'm full of fun / I'm bulging now and full of cum / I need a whore, I need her now / she could be innocent or a cow" ( aus Sailor vom letztjährigen Album Either Or) sind typisch und verdeutlichen den Spaß am Derben und damit auch eine ironische Distanz zu Sozialromantik.

The Tiger Lillies

Während auf Platte mir daher die Texte deutlich besser gefallen als die Musik, obwohl sie sich natürlich hervorragend ergänzen, bereitete das Live-Erlebnis, das für mich immer in erster Linie ein musikalisches ist, auch sehr viel Vergnügen. Die Stücke werden zum Teil etwas schneller und wilder gespielt und vor allem an Jaques' Mimik und Pickerings Schlagzeugspiel konnte ich mich nicht satt sehen. Das Drumkit war gespickt mit vielen kleinen Spielzeugen, deren Bedienung weit über normale Rhythmusarbeit hinaus ging.
Die Alben sind oft einem Konzept gewidmet, allein in den letzten drei Jahren vertonten The Tiger Lillies Wedekinds Lulu, Coleridge's Rime Of The Ancient Mariner, Büchners Woyzeck und Shakespeare's Hamlet. Das Set an diesem Abend war hingegen ein normales Konzert mit einer Sammlung von Songs aus allen Phasen der Band. Entgegen ihren eigenen Vorgaben (siehe oben) gab es auch keine Pause, sondern nach einer Pause verabschiedete sich die Band bereits. Paul Wallfisch hatte bereits bei seinem Auftritt angekündigt, dass er sich kürzer fassen werde als üblich, denn die alten Herren wollten nicht zu spät auftreten. Und so kamen sie zwar zu einer Zugabe zurück auf die Bühne des sehr gut gefüllten Schauspielhauses, hielten diese aber recht kurz. Das Publikum wurde kurz um Wünsche für die Zugabe gebeten, dann wählte Martyn Jaques zwei Lieder aus den Vorschlägen aus, die dann kurz und wild über die Bühne gebracht wurden. Danach verließ die Band selbige und marschierte zu stehenden Ovationen durch den Zuschauerraum ins Foyer, um noch CDs zu verkaufen.

Wie sang Jaques so schön in Terrible, einer der Zugaben: "I'm terrible, terrible, shouldn't be allowed to sing my songs of filth to a decent crowd." Dem kann ich nur widersprechen, denn ich werde mir die Band definitiv wieder anschauen, wenn sie irgendwo in der Nähe spielt.

Montag, 16. Juni 2014

Thomas Truax

Thomas Truax

14.06.14 Junge Oper, Dortmund

Thomas Truax war in der abgelaufenen Spielzeit verantwortlich für die Musik zur Inszenierung von Peer Gynt am Schauspielhaus Dortmund. Zwischen den Aufführungen hatte Truax immer mal wieder Solo-Auftritte bestritten, u. a. einen sehr guten im Vorprogramm von Gallon Drunk in Krefeld. Da Peer Gynt nun ausgelaufen ist, könnte dieses Konzert im Rahmenprogramm des NRW-Theatertreffens eine der letzten Gelegenheiten gewesen sein, den sympathischen Amerikaner live in Dortmund zu erleben.
Schauplatz war die Junge Oper, ein kleiner Wellblechschuppen neben dem Schauspielhaus, in dem sonst hauptsächlich Opernaufführungen für Kinder und Jugendliche stattfinden.

Thomas Truax

Gegen 23:15 betrat Truax die ebenerdige Bühne vor ca. 50 Zuschauern, womit der kleine Saal gut gefüllt war. Er bot dabei eine bunte Mischung aus Stücken seiner zahlreichen Alben, natürlich auch aus seinem neuesten Trolls, Girls & Lullabies, dem Soundtrack zu Peer Gynt, sowie zahlreichen Coverversionen.
Wie immer offenbarte er dabei, welch großartiges Spielkind in ihm steckt. Bei Full Moon Over Wowtown begab er sich wieder auf Wanderung, zunächst durch den Zuschauerraum. Dabei versteckte er sich kurz unterhalb einer Kanzel, in der der Ton- und Lichtmensch ihren Job verrichteten, um dann vor die Glasscheibe zu springen und die beiden gehörig zu erschrecken.
Anschließend öffnete er eine Notausgang-Tür nach draußen und drehte einige Runden ums Gebäude. Anschließend erzählte Truax, dass er draußen singend und Gitarre spielend an einer Polizeistreife vorbeikam. Bei der nächsten Runde standen die Beamten immer noch da und schauten wohl etwas komisch, während sich Thomas noch nie so beschützt während eines Auftritts fühlte.
Bei The Butterfly And The Entomologist gab mitten im Lied der kleine Taschenventilator ("It's always good for an artist to have a personal fan") seinen Geist auf, so dass Truax das Lied per Hand zu Ende spielen musste. Solch kleine Pannen brachten ihn aber nicht aus der Fassung, denn ein wenig chaotisch wirkten seine Auftritte schon immer. Wie ein zerstreuter Professor wuselte er zwischendurch immer wieder über die Bühne, als ob er vergessen hatte, was er als nächstes tun wollte.

Thomas Truax

Und als wären die Geschichten in seinen Songs nicht schon bizarr genug - man denke nur an Why Dogs Howl At The Moon, einer der schönsten Momente des Abends, so zeigte sich Truax auch dazwischen in Plauderlaune. So erzählte er von seinem Kurzauftritt während der Eröffnungsfeier des Theatertreffens am Abend zuvor, als auch der Bürgermeister der Stadt Dortmund anwesend war und  an einem Rednerpult stand, während daneben auf einem Podest Mother Superior, seine Eigenkonstruktion eines Rhythmusrades, thronte, so dass die Szenerie wie eine Podiumsdebatte zweier Politiker wirkte.
Er ließ sich auch von der Kulisse inspirieren, denn in einer Ecke der Bühne stand eine kleine Rakete, vermutlich eine Requisite von einer vergangenen Aufführung. Er ließ den letzten Akkord auf seiner Gitarre lange weiterhallen und ging dann zu der Rakete rüber und lauschte und erklärte dann, dass er dachte, dass das Geräusch vom Triebwerk der Rakete stamme, weil Mother Superior immer schon einmal zu den Sternen fliegen wolle.
Letzten Monat stellte Thomas Truax für einen Blog acht seiner Lieblingslieder vor und vielleicht spielte er deshalb an diesem Abend so viele Coverversionen. Wie schon Joseph Keckler beim letzten Small Beast trug er seine Version von I Put A Spell On You vor, Satisfaction wurde ja auch in Peer Gynt verarbeitet, aber Sleepwalk gehörte zu eben dieser Bestenliste.


Auch einen brandneuen Song stellte Truax vor. Hatte Joseph Keckler beim Small Beast ein Lied namens I Was A Teenage Goth gespielt, konterte Thomas mit I Was A Teenage Post Punk und der herrlichen Textzeile "Bauhaus for breakfast, Wire for lunch".
Das mit einer psychedelischen Leuchtbrille gespielte Beehive Heart beendet dann fast 75 Minuen das kurzweilige Set.  Und dann passierte etwas Merkwüdiges. Das Publikum, das sich während des ganzen Auftritts merklich prächtig unterhalten fühlte, klatschte normal Beifall, dann war es still, aber niemand machte Anstalten zu gehen. Truax stand sichtlich verwirrt am Bühnenrand und wusste nicht, was er davon halten sollte. Ich hatte so etwas auch noch nicht erlebt und sagte dann zu ihm, dass offenbar niemand gehn würde, ehe er nicht noch etwas spielen würde. Den gefallen tat er uns dann auch und coverte als Rausschmeißer zwischen den Sitzreihen den Country-Klassiker King Of The Road. Jetzt waren offenbar alle zufrieden und machten sich auf den Weg an die frische Luft.

Thomas Truax

Ich werde Thomas Truax am Dortmunder Theater vermissen und hoffe, das er vielleicht das eine oder andere Mal zu Gastauftritten vorbeischaut, denn wie er seinen Spieltrieb kreativ in wunderbare Musik umsetzt, ist schon einzigartig.

Sonntag, 15. Juni 2014

Gallon Drunk

Gallon Drunk / Dazzle Ships

07.06.14 King Georg, Köln

Aller guten Dinge sind drei. Dreimal habe ich dieses Jahr bereits Thalia Zedek und Dÿse live gesehen und nach den zwei wunderbaren Auftritten in Münster und Krefeld Anfang April war es nur logisch, sich Gallon Drunk auch noch ein drittes Mal anzuschauen.
Gegen 20:15 begann die Kölner Vorgruppe Dazzle Ships und sorgte bei mir für leichte Verwunderung. Beide Gallon Drunk-Konzerte im April hatten jeweils gut 80 Minuten gedauert und im King Georg ist normalerweise gegen zehn Schluss mit lauter Live-Musik, also bedeutete eine Vorband ein deutlich kürzeres Set für den Haupz-Act.

Gallon Drunk
Und dann spielten Dazzle Ships auch noch fast eine Dreiviertelstunde. Ihre Musik klang nicht schlecht, angeschrägter Indierock mit netter Elektronik-Unterstützung, aber dafür war ich nicht nach Köln gefahren.
Aber ohne Dazzle Ships hätte ich gar nicht ins King Georg fahren brauchen, denn wie ich später erfuhr, reisten Gallon Drunk nur mit dem nötigsten Gepäck an, also ohne Backline und Drumkit, da sie eigentlich nur für den Auftritt beim Orange Blossom Special tags drauf nach Deutschland kamen und daher nachmittags erst in Köln mit dem Flieger landeten und am nächsten Tag mit dem Zug weiter nach Beverungen fuhren.
Los ging es wieder mit Before The Fire und ich hatte wieder den Eindruck, dass dieser Opener einfach perfekt war, um die Band in die richtige Stimmung zu versetzen. Ruhig beginnend steigerte sich das Stück konstant über zehn Minuten und am Ende waren James Johnston und Co. wieder im Rockmodus.
Das King Georg war gut, aber angenehm gefüllt, es war sogar genug Platz für manche zum expressiven Tanzen. Die Band rollte wie eine gut geölte Dampfwalze durch ihr Set und auch die nicht vorhandene Bühne und die dadurch größere Nähe zum Publikum hielt Gitarrist James nicht vom ausgiebigen Posen ab.
Kurz vor zehn fragte er Richtung Theke, wie viel Zeit sie denn noch hätten und bekam sechs Minuten genannt. Das reichte noch für The Speed Of Fear, aber statt der sechsminütigen Albumversion wurde wieder eine finale Viertelstunde mit allem geboten, was mich schon im April umgehauen hatte. James wanderte etwas durch Publikum, hing seine Gitarre kurz mal einem Zuschauer um und ließ ihn etwas schrammeln, bevor er selber die Decke mit seinem Instrument bearbeitete.

Gallon Drunk

Da das Set zwangsweise kürzer war als normal, kam Köln natürlich nicht an die Shows im Gleis 22 oder der Kulturrampe heran, nichtsdestotrotz schafften es Gallon Drunk wieder mühelos, alle Besucher zu begeistern. Veranstalter Jan stand anschließend vor seinem King Georg und war immer noch hin und weg von diesem Konzert und sagte zu Bekannten, wie froh er sei, dass er es hinbekommen hatte, diese Band zu buchen.
Und sollte sich die Gelegenheit bieten, werde ich mir die Band auch noch ein fünftes Mal oder noch öfter ansehen, denn von Gallon Drunk sollte man nie genug bekommen.

Freitag, 13. Juni 2014

Small Beast w/ Les Colettes & Joseph Keckler

Small Beast

w/ Les Colettes / Joseph Keckler / Paul Wallfisch

31.05.14 Schauspielhaus, Dortmund

Das letzte Small Beast vor der Sommerpause war namentlich eines der schwächeren in dieser Spielzeit, denn Les Colettes hatte ich bereits bei meinem allerersten Small Beast gehört und Joseph Keckler, ein Bariton aus New York, sagte mir überhaupt nichts. Aber als Gewohnheitstiere waren wir natürlich da, diesmal im Studio und nicht im kleineren Institut.

Paul Wallfisch

Das Motto der heutigen Einleitung von Paul Wallfisch schienen Wiederholungen zu sein. Wie im letzten Monat kroch er auf allen Vieren ins Studio und erklärte noch einmal die Geschichte seines Freundes Robbie Leaver und seines Projekts, den Broadway entlang zu kriechen, ehe er dessen Song spielte, den er bereits letztes Mal vorgestellt hatte.
Dabei gab Paul dann einen kurzen einblick in seine Herangehensweise. Er müsse Sachen immer mindestens zweimal spielen, beim dritten Mal werde er dann bereits gelangweilt. Als er danach dann ein weiteres Lied von Robbie Leaver spielte, dieses zum ersten Mal, kündete er bereits die Wiederholung dieses Stücks für das erste Small Beast der neuen Spielzeit im September an. Er blieb dieser Aussage im weiteren Verlauf treu und wiederholte auch sein neues Lied, das er beim letzten Mal mit dem Gitarristen von Elysian Fields präsentiert hatte, diesmal allein.

Joseph Keckler

Nach Pauls Set kam dann Joseph Keckler und ich erwartete ein normales Konzert, aber es wurde eine spektakuläre Performance, die zum Besten gehörte, was ich bislang beim Small Beast gesehen hatte.
Er begann mit einer abstrusen Geschichte, dass er heute und das bei seinem allerersten Besuch in Deutschland in der Dortmunder Fußgängerzone einen alten Bekannten aus New York getroffen hätte. Schnell wurde klar, dass dies nur eine Einleitung war, die überging in eine abstruse Geschichte über den Genuss halluzinogener Pilze, vorgetragen im Stile einer italienischen Oper und auch auf Italienisch gesungen (zum besseren Verständnis lief eine Übersetzung des Textes auf einer Leinwand mit.


Auf dieser Leinwand wurde dann ein Clip von Keckler namens I Was A Teenage Goth gezeigt, der Name war Programm. Musikalisch ging es klassisch weiter, indem er Paul Wallfisch ans Piano rief und dazu Schuberts Der Tod und das Mädchen sang. Seine Opernstimme konnte er aber auch mühelos ablegen und mit einer angenehm normalen Singstimme eigene Songs vortragen, dazu selber Klavier spielend. Mal ließ er die Musik vom Band kommen und trug dazu David Bowies You've Been Around vor.All dies wurde immer von herrlich humoristischen Monologen unterbrochen. Zwischendurch gesellte sich noch Paul Wallfischs Nachbar Wim Wollner am Saxofon zu den beiden für zwei Lieder und so verging fast eine Stunde wie im Fluge. Das Publikum war begeistert und natürlich wurde eine Zugabe erklatscht. Zu der wickelte sich Keckler in Toilettenpapier ein und trug dazu eine wunderbare Version von Tim Buckleys Klassiker Song To The Siren vor. Danach entpackte er sich wieder bis auf einen kleinen Pferdeschwanz aus Klopapier an der Hose und spielte noch einen Song am Klavier, ehe es in die obligatorische Pause ging.


Les Colettes hatten danach einen schweren Stand bei mir. Die Französinnen sind inzwischen vom Quartett zum Trio geschrumpft. Die Schlagzeugerin hat die Band verlassen, die Rhythmusarbeit übernahm gelegentlich die Sängerin mit einer einfachen Tom, ansonsten wurde reduzierter nur mit Gitarre (abwechselnd auch Geige) und Bass musiziert. Das erinnerte an Minimalrock und klang grundsätzlich gut, zumal die Geige nicht fiedelte, sondern auch fast wie eine Gitarre klang, und hat die Band auch schon ins Vorprogramm von Nick Cave gebracht, konnte mich aber nicht so recht überzeugen.

Les Colettes

Zum einen wurde die Stimme der Sängerin sehr schnell quäkig, wenn sie lauter wurde, zum Anderen war vor allem ihr Schlagzeugspiel manchmal etwas arg holprig und ließ die Songs in meinen Ohren unrund klingen. Auch fand ich ihr Cover von In Heaven aus Eraserhead nicht so toll, bin da aber einfach zu sehr Fan der Pixies-Version. Aber mit meiner mangelnden Begeisterung war ich wohl der einzige im Studio, auch wenn meine Freundin bemerkte, dass Joseph Keckler, der den Auftritt von Les Colettes am Rand verfolgte, auch nicht besonders beeindruckt zu wirken schien. Doch zur Zugabe versöhnten mich Les Colettes dann mit einer sehr gelungenen Version von Bei mir bist du schön von den Andrews Sisters.


Nachdem mich die Tage zuvor Son Lux umgehauen und auch Die Nerven wieder überzeugt hatten, hatte das Small Beast eigentlich einen schweren stand im Vorfeld gehabt, aber Joseph Keckler sorgte für einen dieser magischen Momente, wo man nichts erwartet und am Ende mit leuchtenden Augen da sitzt und vollkommen hin und weg ist und die mich immer wieder darin bestätigen, dass ich nicht zu viele Konzerte besuche.
Zur Verabschiedung kündigte Paul Wallfisch dann noch an, dass beim nächsten Small Beast im September Howe Gelb von Giant Sand zu Gast sein wird, was die Vorfreude auf die neue Spielzeit noch erhöhte.

Montag, 9. Juni 2014

Die Nerven

Die Nerven / Inseln

30.05.14 Die Trompete, Bochum

Die Trompete, das klingt doch ganz klar nach einem Jazzclub. Dazu noch die auf Schickimicki machenden aber im Grunde doch ziemlich verranzt aussehenden Säulen am Eingang und dieser überdimensionale Aschenbecher vor der Tür...halt, das war gar nicht Die Trompete, sondern eine Möchtegern-Schickimicki-Bar am Rande des Bochumer Bermuda-Dreiecks. Zur Trompete gings daneben durch eine unscheinbare Tür, die den Charme eines Lieferanteneingangs versprühte und direkt in den Keller führte.

Inseln

Doch dieser Keller war geräumiger als vermutet mit kleiner Tanzfläche und reichlich Sitzecken, Teppichen, Lämpchen etc., die scheinbar aus diversen Heimen der Marke Eiche rustikal zusammengesammelt wurden, aber eine gemütliche, wenn auch leicht skurrile Atmosphäre schufen.
Auf einer solchen Wohnzimmergarnitur seitlich hinter der Bühne betrachteten wir die lokale Vorband Inseln, die nett vor sich hin schrammelten, aber zumindest bei mir nicht die Müdigkeit wegblasen konnten, die sich angesichts der bequemen Schräglage auf der Couch einstellte.
Zu Die Nerven verließen wir dann die Komfortzone und begaben uns näher an die "Bühne", wobei wir auf einer Ebene mit der Band standen. Davor ging es eine kleine Stufe runter zu einer Art Zwischenebene, bevor es noch einmal eine Stufe tiefer zur Tanzfläche ging. Wer also direkt vor der Bühne stehen wollte, versperrte dadurch den hinter ihm Tiefergelegten automatisch die Sicht. Daher war die Tanzfläche gut gefüllt, während soviel Einsicht zur Rücksicht herrschte, dass der Raum vor der Bühne leer blieb. Die alten Herren wie wir standen seitlich an einem Stehtisch, Logenplätze geradezu.

Die Nerven

Unmittelbar vor Beginn des Auftritts machte sich Nerven-Schlagzeuger Kevin bühnenfein, indem er sich seiner Hose, Schuhe und Socken (nicht in dieser Reihenfolge) entledigte, wobei ihm alle zusehen konnten, denn der Backstage-Raum war einfach die hinter dem Equipment befindliche Sitzecke. So bereit für die folgende Energieleistung legten Die Nerven dann los. Im Gegensatz zur Show im King Georg im Februar standen sie diesmal nicht unter Zeitdruck, was sich sehr positiv auswirkte. Schon damals schrieb ich von "repetitiven Gitarrenwänden" und das wurde diesmal noch deutlich getoppt. Den Unterschied machte Hörst du mir zu?, auf der Fun etwas mehr als drei Minuten lang, in der Trompete in eine gefühlte Endlosschleife gelegt. Immer wieder gab es einen entspannten Sonic Youth-Groove, bei dem Drummer Kevin auch relaxed aufrecht hinter seinem Schlagzeug saß, bis irgendwann wieder ein Noise-Ausbruch folgte, wieder aufgelöst in entspanntes Schrammeln. Dieses Spiel trieben die drei weit über zehn Minuten lang und hätten es auch gerne noch stundenlang so weiter machen können, denn es wurde dabei nicht langweilig.


Der Rest des Sets war natürlich auch sehr gut, aber nach dieser Monumentalversion konnte eigentlich nichts mehr kommen. Natürlich kam doch noch etwas, eine Zugabe wurde auch gefordert und gewährt und danach riss Kevin das Fell von seiner Bassdrum ab, um jedem klar zu machen, dass mehr nicht drin war.
Eigentlich war es ein so guter Auftritt wie in Köln, aber durch dieses eine Lied wurde es ein grandioses Konzert.

Sonntag, 8. Juni 2014

Son Lux

Son Lux

29.05.14 FZW, Dortmund

Vom 29. bis 31. Mai fand in mehreren Dortmunder Clubs zum ersten Mal das Way Back When Festival statt, sozusagen eine kleine Ausgabe des Hamburger Reeperbahn Festivals. Das FZW war dabei der zentrale Anlaufpunkt, andere Spielstätten waren u. a. das Domicil und die Kaktusfarm. Das festival setzte bewusst nicht auf große Namen, hatte aber einige Bands, die ich durchaus gerne gesehen hätte wie Instrument, Honig, Spring Offensive oder auch Johnossi.

Son Lux

Auf Grund anderer Konzerttermine konnte ich aber letztlich nur den ersten Tag mitnehmen, aber das war vollkommen ok, spielten doch am Donnerstag Abend Son Lux im Club des FZW und die waren von allen Bands die einzigen, auf die ich richtig heiß war.
Der Abend begann mit einem Besuch im Theater, dem unter die Haut gehenden Stück 4.48 Psychose von Sarah Kane mit Musik von Tommy Finke. Danach dann ein kurzer Spaziergang zum FZW, wo bereits die ersten Bands spielten. Die sporadischen Kurzeindrücke von Com Truise, Life In Film oder The Rifles reichten nicht wirklich aus, um einen guten Eindruck von den Künstlern zu bekommen, machten aber auch nicht Lust auf mehr. Wir bezogen daher bereits unsere Plätze im während der Umbaupause geradezu verwaisten Club des FZW. Dabei konnten wir jemanden beobachten, der mehrmals vom Schlagzeug-Podest sprang und versuchte, genau auf einem Gitarren-Pedal zu landen, sehr merkwürdig.
Ich hatte das aktuelle, ihr mittlerweile drittes, Album Lanterns von Son Lux letztes Jahr nur durch Zufall entdeckt, aber der elektronische Indiesound mit Hip Hop-Wurzeln, die ersten beiden Alben wurden auf dem für seine avantgardistischen Hip Hop-Projekte bekannten Label Anticon veröffentlicht, gefiel mir sofort. Bekannter wurde der New Yorker Ryan Lott, das Mastermind von Son Lux, durch seine Arbeit mit Sufjan Stevens unter dem Namen Sisyphus und seine Zusammenarbeit mit Lorde auf dem Remake des Lanterns-Tracks Easy.

Son Lux

Gespannt war ich, wie er den komplexen Studiosound live umsetzen würde. Die Band trat als Trio auf, Schlagzeug, Gitarre und Ryan Lott am Keyboard, das nicht waagerecht stand, sondern nach vorne geneigt zum Publikum.
Alternate Worlds, der Opener von Lanterns, eröffnete den Abend und sofort war klar, dass Son Lux gar nicht erst versuchten, die Stücke möglichst 1:1 vom Album auf die Bühne zu bringen. Vor allem die Gitarre machte aus dem Auftritt ein Rockkonzert, ohne allerdings den elektronischen Charakter der Stücke völlig zu verdrängen, dafür war der Keyboard-Sound zu mächtig, aber dennoch wurde dem Gitarristen genug Raum für Soli gegeben, Währenddessen ging dann Ryan Lott begeistert mit, klatschte dazu und rief immer wieder was ins Mikro. Dieser Spaß an der eigenen Musik übertrug sich auch spielend aufs Publikum. War zu Beginn des Sets der Club gut gefüllt, wurde er immer voller, natürlich auch, weil inzwischen The Rifles in der großen Halle ihren Auftritt wohl beendet hatten. Und die Leute spürten einfach die Spielfreude und belohnten sie mit immer lauter werdendem Applaus, was umgekehrt wieder die Band erfreute und ihre Lust an dieser Show noch zu erhöhen schien.


Irgendwann im Set bestieg der Gitarrist übrigens das Schlagzeug-Podium und beendete ein Solo durch einen punktgenauen Sprung auf sein Pedal, Übung macht halt den Meister.
Dann wurde leider auch schon der letzte Song angekündigt, doch zum Glück war es Lost It To Trying, mein Favorit von Lanterns. Der mehrstimmige Frauengesang vom Album wurde wie bei allen anderen Stücken zuvor komplett von Ryan Lott übernommen, was bei seiner sanften Stimme auch gut passte. Zudem wurde das Stück eines echten Finales würdig auf über sieben Minuten ausgedehnt und war so der krönende Abschluss eines fulminanten Auftritts.


Son Lux schafften es, meine sehr hohen Erwartungen an sie sogar noch bei weitem zu übertreffen und hinterließen nicht nur bei mir im Club des FZW leuchtende Augen vor Begeisterung, ein echter Anwärter auf das Konzert des Jahres.

Daily Thompson

Daily Thompson

23.05.14 Subrosa, Dortmund

Letztes Jahr sah ich Daily Thompson zum ersten Mal in der Pauluskirche und war sofort sehr angetan von dem jungen Dortmunder Trio. Nun haben sie endlich ihr erstes Album im Kasten und veröffentlicht und luden zur Release-Party ins Subrosa und es kamen so viele Leute, dass der Laden ausverkauft war.

Daily Thompson
Wenn man eine Band schon vor der ersten Veröffentlichen live gesehen hat, bietet die CD in der Regel keine großen Überraschungen, denn natürlich enthält sie Stücke, die schon vorher live zum Repertoire gehörten. Bei Daly Thompson war das nicht anders. Songs wie Blackwood oder Be Gone hatten sie bereits in der Pauluskirche gespielt und klingen auf dem Album nicht viel anders als live, denn genau diesen Sound hatten sie auch im Studio rekonstruieren wollen. Und so macht das Hören der CD genau so viel Spaß wie der auftritt der Band, denn hatte ich mich letztes Jahr gewundert, wie eingespielt das junge Trio klang, so waren sie in der Zwischenzeit sogar noch souveräner geworden.
Zudem hat Sänger Danny so eine typische Ruhrpott-Schnauze am Start, dass auch zwischen den Liedern das Grinsen auf dem Gesicht blieb.Angesichts der stickigen Atmosphäre im proppevollen Subrosa rief jemand "Hier ist keine Luft", worauf er trocken antwortete "Dann atme Bier", ein willkommenes Motto für den Abend.


Als Zugabe hatten sie dann noch ein Cover von Nirvanas School zu bieten, das nahe am Original lag und ein guter Rausschmeißer für eine mehr als gelungene Release-Party war.
Daily Thompson machen Musik von gestern für die Jugend von heute, die man hoffentlich auch noch morgen hören wird.

Sonntag, 1. Juni 2014

Iron Chic

Iron Chic / No Weather Talks

15.05.14 Sputnihalle, Münster

Auf Yo-Yo Records, dem deutschen Plattenlabel von Iron Chic, kann man sich verlassen. Auf einen Tourstopp im Aetherblissement in Köln folgt meistens ein Konzert in Münster, so dass nicht nur die Band keine lange Fahrtzeit von Auftritt zu auftritt hat, sondern auch jemand aus Dortmund, die Band gleich zweimal sehen kann und zudem noch diesmal an einem Ort mit richtiger Bühne.

No Weather Talks

Das Café Sputnik ist zwar etwas kleiner als die Sputnikhalle, aber immer noch bedeutend geräumiger als das Aetherblissement und verfügt über eine normale Bühne, die nicht nur eine Treppenstufe höher liegt als der Rest des Raumes. Diese luftigen Höhen erklommen zunächst No Weather Talks und machten ihre Sache richtig gut. Druckvoller Punkrock mit kräftigem weiblichem Gesang und auch genug Energie auf der Bühne und nicht nur schüchternes Bodenbetrachten. Einziges Manko, die Songs waren fast alle im gleichen Tempo, so dass eine gewisse Abwechslung fehlte. aber der Auftritt war kurz und knackig genug, um keine Langeweile aufkommen zu lassen.

Iron Chic

Bei Iron Chic war der Laden dann auch gut gefüllt, ohne dass schwitzige Enge entstand, letztlich sicherlich mehr Zuschauer als im winzigen Aetherblissement den Abend zuvor. Dadurch blieb genug Platz für jeden, aber es fehlte etwas diese konzentrierte Energie, die einfach jeden mitreißt und die auch die Band durchaus zu mögen scheint, denn auch wenn man bei den Auftritten in Köln manchmal den Eindruck bekommen konnte, dass Sänger Jason sich fast etwas erdrückt fühlte von der Nähe des Publikums, so suchte er doch immer wieder auch dessen Nähe.


Das soll aber nicht heißen, dass die Münsteraner reserviert waren, auch sie sangen mit und tanzen, es war nur nicht der ganze Laden wie in Köln.
Die Setlist blieb unverändert, genauso wie die Nachfrage nach verdampfenden Rauschmitteln durch Gitarrist Robert. Zudem wirkten sie fast etwas wacher, möglicherweise die Folgen eines Zuckerschocks, denn auf dem Weg von Köln nach Münster hatten sie einen Zwischenhalt bei Haribo in Solingen gemacht.


Letztlich war das Kölner Konzert eine Spur besser als dieses, denn die Qualität der Goldbären auf der Bühne hängt eindeutig auch von der Begeisterung davor ab und da war Köln nicht zu toppen, was natürlich zu erwarten war. Nichtsdestotrotz war aber auch Münster ein gutes Konzert, so dass ich es natürlich nicht bereute Iron Chic zweimal innerhalb von 24 Stunden gesehen zu haben.

Iron Chic

Iron Chic / Sleep Kit / And Now Run

14.05.14 Aetherblissement, Köln

Zum dritten Mal waren Iron Chic in Deutschland auf Tour, zum dritten Mal in Folge spielten sie im kleinen Aetherblissement um die Ecke vom Sonic Ballroom und zum dritten Mal war es ausverkauft. Doch zunächst galt es, zwei Vorgruppen zu überstehen.
Erst prügelten sich And Now Run durch ihr Hardcore-Set, danach schrammelten Sleep Kit jeweils eine gute knappe halbe Stunde vor sich hin, ohne wirklich zu überzeugen, aber auch ohne richtig zu nerven.

Iron Chic

Dann wurde es langsam kuschelig eng vor der kleinen Bühne, denn Iron Chic waren an der Reihe. Im letzten Jahr waren sie ja noch vor Erscheinen des neuen aktuellen Albums The Constant One hier gewesen, da sollten nun ja mal mehr Songs davon auf der Setlist auftauchen. Doch los legten sie mit DEM Mitgröhlhit Cutesy Monster Man von der Not Like This, einem dieser berühmten Lieder für die einsame Insel. Dabei hätte es gar nicht eines solchen Knallers zum Auftakt bedurft, denn das Kölner Publikum erwies sich in der folgenden Dreiviertelstunde eh als vollkommen textsicher und bewegungshungrig und ging wieder bei jedem Song, egal ob alt oder neu, mit vollem Einsatz und zum Teil richtig akrobatisch mit.

Iron Chic

Wie immer wirkte Sänger Jason Lubrano, als ob er jeden Moment zusammenbrechen würde. Das konnte aber auch andere Ursachen als Erschöpfung haben, denn Gitarrist Robert fragte bestimmt nicht umsonst nach etwas zu rauchen.
Im Set regierte zwar immer noch das Material von Not Like This, aber immerhin fünf Stücke von The Constant One wurden auch gespielt, die Setlist dabei gut durchgemischt, wobei sie erneut Spooky Action From A Distance, die Vorabsingle und meinen Liebling, außen vor ließen. Und so wie sie den Abend mit einer Mitgröhlhymne eröffnet hatten, beendeten sie ihn auch, nämlich mit Time Keeps On Slipping Into The (Cosmic) Future. Eine Zugabe gab es danach dann auch noch, so dass der Auftritt erst nach Rekord verdächtigen 51 Minuten beendet war.

Iron Chic

Auch wenn The Constant One sicher nicht die Hitdichte wie der Vorgänger hat, war es dennoch schön, einige Songs daraus endlich mal live hören zu dürfen und Iron Chic im Aetherblissement war das erwartet gute Heimspiel.


Setlist:
Cutesy Monster Man
Wolf Dix Rd.
Timecop
Prototypes
I Always Never Said That
Know What I Mean, Jellybean?
(Castle) Numbskull
Every Town Has An Elm Street
A Serious House On Serious Earth
Don't Drive Angry
In One Ear
Steel Wall Method
Time Keeps On Slipping Into The (Cosmic) Future
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Black Friday