Montag, 9. Juni 2014

Die Nerven

Die Nerven / Inseln

30.05.14 Die Trompete, Bochum

Die Trompete, das klingt doch ganz klar nach einem Jazzclub. Dazu noch die auf Schickimicki machenden aber im Grunde doch ziemlich verranzt aussehenden Säulen am Eingang und dieser überdimensionale Aschenbecher vor der Tür...halt, das war gar nicht Die Trompete, sondern eine Möchtegern-Schickimicki-Bar am Rande des Bochumer Bermuda-Dreiecks. Zur Trompete gings daneben durch eine unscheinbare Tür, die den Charme eines Lieferanteneingangs versprühte und direkt in den Keller führte.

Inseln

Doch dieser Keller war geräumiger als vermutet mit kleiner Tanzfläche und reichlich Sitzecken, Teppichen, Lämpchen etc., die scheinbar aus diversen Heimen der Marke Eiche rustikal zusammengesammelt wurden, aber eine gemütliche, wenn auch leicht skurrile Atmosphäre schufen.
Auf einer solchen Wohnzimmergarnitur seitlich hinter der Bühne betrachteten wir die lokale Vorband Inseln, die nett vor sich hin schrammelten, aber zumindest bei mir nicht die Müdigkeit wegblasen konnten, die sich angesichts der bequemen Schräglage auf der Couch einstellte.
Zu Die Nerven verließen wir dann die Komfortzone und begaben uns näher an die "Bühne", wobei wir auf einer Ebene mit der Band standen. Davor ging es eine kleine Stufe runter zu einer Art Zwischenebene, bevor es noch einmal eine Stufe tiefer zur Tanzfläche ging. Wer also direkt vor der Bühne stehen wollte, versperrte dadurch den hinter ihm Tiefergelegten automatisch die Sicht. Daher war die Tanzfläche gut gefüllt, während soviel Einsicht zur Rücksicht herrschte, dass der Raum vor der Bühne leer blieb. Die alten Herren wie wir standen seitlich an einem Stehtisch, Logenplätze geradezu.

Die Nerven

Unmittelbar vor Beginn des Auftritts machte sich Nerven-Schlagzeuger Kevin bühnenfein, indem er sich seiner Hose, Schuhe und Socken (nicht in dieser Reihenfolge) entledigte, wobei ihm alle zusehen konnten, denn der Backstage-Raum war einfach die hinter dem Equipment befindliche Sitzecke. So bereit für die folgende Energieleistung legten Die Nerven dann los. Im Gegensatz zur Show im King Georg im Februar standen sie diesmal nicht unter Zeitdruck, was sich sehr positiv auswirkte. Schon damals schrieb ich von "repetitiven Gitarrenwänden" und das wurde diesmal noch deutlich getoppt. Den Unterschied machte Hörst du mir zu?, auf der Fun etwas mehr als drei Minuten lang, in der Trompete in eine gefühlte Endlosschleife gelegt. Immer wieder gab es einen entspannten Sonic Youth-Groove, bei dem Drummer Kevin auch relaxed aufrecht hinter seinem Schlagzeug saß, bis irgendwann wieder ein Noise-Ausbruch folgte, wieder aufgelöst in entspanntes Schrammeln. Dieses Spiel trieben die drei weit über zehn Minuten lang und hätten es auch gerne noch stundenlang so weiter machen können, denn es wurde dabei nicht langweilig.


Der Rest des Sets war natürlich auch sehr gut, aber nach dieser Monumentalversion konnte eigentlich nichts mehr kommen. Natürlich kam doch noch etwas, eine Zugabe wurde auch gefordert und gewährt und danach riss Kevin das Fell von seiner Bassdrum ab, um jedem klar zu machen, dass mehr nicht drin war.
Eigentlich war es ein so guter Auftritt wie in Köln, aber durch dieses eine Lied wurde es ein grandioses Konzert.

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