Sonntag, 22. Juni 2014

The Tiger Lillies

The Tiger Lillies / Paul Wallfisch

20.06.14 Schauspielhaus, Dortmund

Zum Abschluss des NRW-Theatertreffens gab es noch einmal Musik auf die Ohren mit der britischen Kult-Combo The Tiger Lillies. Die scheinen ein so obskurer Kult zu sein, dass sie mir bislang verborgen geblieben waren, eigentlich ein Kunststück bei über 30 Alben in 25 Jahren Bandgeschichte. Doch vor der Entdeckungsreise wanderte ich auf bekannten Pfaden mit Paul Wallfisch als Vorprogramm.
Vorprogramm? Nanu, wie das? Auf ihrer Homepage haben The Tiger Lillies einen eigenen Bereich für Ihre Anforderungen an die Veranstalter, den ich in seiner Ausführlichkeit so noch nicht gesehen hab und da steht
NO SUPPORT ACTS... EVER.
Nein, No, Ne, Non, Nai, Nid oes
The Tiger Lillies do not perform with support acts, we play 2 complete full length sets and do not require or desire a support act. We do not want to have to move our instruments and monitors to accommodate a support. We assume that an audience have come to see us perform and so we prefer to not have the distraction and inconvenience of a support act, no matter how small, nice, similar, different or good they are. After 25 years we think that is fair enough.
Ich gehe mal davon aus, dass für einen alte Bekannten eine Ausnahme gemacht wurde und so kroch Paul um 22 Uhr wie schon bei den letzten beiden Small Beasts auf die Bühne und eröffnete sein Set mit einem Lied des New Yorkers Künstlers Robert Leaver.

Paul Wallfisch, Merle Wasmuth, Julia Schubert, Bettina Lieder

Es folgte ein Best Of aus seinen musikalischen Beiträgen am Dortmunder Theater mit Songs u. a. aus Einige Nachrichten an das AllDer Meister und Margarita oder Woyzeck. Besonders nett war der Auftritt der drei Damen vom Grill, Bettina Lieder, Julia Schubert und Merle Wasmuth in knappen Proll-Girlie-Outfits und mit Lolli im Mund, während Wallfisch im Talar mit Elvis-Perücke ausgestattet wurde. Danach standen dann Mike Pickering und Adrian Stout von den Tiger Lillies am Schlagzeug und singender Säge Wallfisch zur Seite, womit er gleich den passenden Übergang geschaffen hatte, denn danach verließ er die Bühne und Martyn Jaques komplettierte das Trio und das Set der Tiger Lillies begann.

The Tiger Lillies

Das Gewöhnungsbedürftigste ist sicherlich Martyn Jaques' Stimme, dieses an Dame Edna erinnernde Falsett. Ich hatte als Vorbereitung in ihr neuestes Album A Dream Turns Sour reingehört, das die Band bereits vor der Veröffentlichung auf Soundcloud streamt und auf dem Texte über den ersten Weltkrieg vertont wurden. Und während der Gesang dort schon manchmal nervt, passte das live überraschend gut in Kombination mit den geschminkten Gesichtern und der wunderbaren Mimik, die alle seinen typisch englischen Akzent kongenial unterstrichen.
Die Musik der Tiger Lillies bedient sich bei Brecht/Weill'schen Melodiebögen und könnte mit böser Zunge auch als Zirkusmusik bezeichnet werden. Auch textlich bewegt sich Martyn Jaques gerne im Milieu der Dreigroschenoper (nicht umsonst heißt eines ihrer Alben Two Penny Opera), Zeilen wie "I'm a sailor, I'm full of fun / I'm bulging now and full of cum / I need a whore, I need her now / she could be innocent or a cow" ( aus Sailor vom letztjährigen Album Either Or) sind typisch und verdeutlichen den Spaß am Derben und damit auch eine ironische Distanz zu Sozialromantik.

The Tiger Lillies

Während auf Platte mir daher die Texte deutlich besser gefallen als die Musik, obwohl sie sich natürlich hervorragend ergänzen, bereitete das Live-Erlebnis, das für mich immer in erster Linie ein musikalisches ist, auch sehr viel Vergnügen. Die Stücke werden zum Teil etwas schneller und wilder gespielt und vor allem an Jaques' Mimik und Pickerings Schlagzeugspiel konnte ich mich nicht satt sehen. Das Drumkit war gespickt mit vielen kleinen Spielzeugen, deren Bedienung weit über normale Rhythmusarbeit hinaus ging.
Die Alben sind oft einem Konzept gewidmet, allein in den letzten drei Jahren vertonten The Tiger Lillies Wedekinds Lulu, Coleridge's Rime Of The Ancient Mariner, Büchners Woyzeck und Shakespeare's Hamlet. Das Set an diesem Abend war hingegen ein normales Konzert mit einer Sammlung von Songs aus allen Phasen der Band. Entgegen ihren eigenen Vorgaben (siehe oben) gab es auch keine Pause, sondern nach einer Pause verabschiedete sich die Band bereits. Paul Wallfisch hatte bereits bei seinem Auftritt angekündigt, dass er sich kürzer fassen werde als üblich, denn die alten Herren wollten nicht zu spät auftreten. Und so kamen sie zwar zu einer Zugabe zurück auf die Bühne des sehr gut gefüllten Schauspielhauses, hielten diese aber recht kurz. Das Publikum wurde kurz um Wünsche für die Zugabe gebeten, dann wählte Martyn Jaques zwei Lieder aus den Vorschlägen aus, die dann kurz und wild über die Bühne gebracht wurden. Danach verließ die Band selbige und marschierte zu stehenden Ovationen durch den Zuschauerraum ins Foyer, um noch CDs zu verkaufen.

Wie sang Jaques so schön in Terrible, einer der Zugaben: "I'm terrible, terrible, shouldn't be allowed to sing my songs of filth to a decent crowd." Dem kann ich nur widersprechen, denn ich werde mir die Band definitiv wieder anschauen, wenn sie irgendwo in der Nähe spielt.

1 Kommentar:

  1. Die Lillies hätten bei ihrem Statement zu Support Acts bleiben sollen. Ich bin offen für Kunst, bitte nicht falsch verstehen, aber was da vor den drei Herren auf der Bühne passierte war in meinen Augen nicht mehr als pseudointellektuelles Getue. Mag ja sein dass Herr Wallfisch über exzellente Referenzen verfügt, doch sein Programm war geschmacks- und anspruchslos und passte so überhaupt nicht zum Rest des Abends.

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