Dienstag, 21. Juni 2011

Hurricane Festival

Hurricane Festival

17.-19.06.11 Scheeßel - Eichenring

Nach sieben Jahren Pause ging es mal wieder zum Hurricane Festival. Es war nicht das außergewöhnlich gute Line-Up für diesen Besuch verantwortlich, sondern die Tatsache, dass meine Freundin dort schon seit Jahren hinfährt. Daher stand kein Abarbeiten möglichst vieler Bands auf dem Plan, sondern mehr gepflegtes Beisammensein mit musikalischer Untermalung. Da ja in den letzten Jahren das Hurricane seinem Namen öfter mal alle Ehre gemacht hatte, wurde diesmal nicht gezeltet, sondern ich schloss mich natürlich meiner besseren Hälfte und ihrer Reisegruppe an und nächtigte in deren absolut empfehlenswerten Stammhotel "Zur Mühle".
Der Spielplan sorgte ebenfalls bereits im Vorfeld dafür, sich nicht der Versuchung auszusetzen, zu viele Bands sehen zu wollen, da sich doch einiges überschnitt oder gar parallel spielte. So traten freitags auf der Hauptbühne, der Green Stage, hintereinander Elbow, Portishead und Arcade Fire auf, während auf der zweiten Open-Air-Bühne der Blue Stage, leicht zeitversetzt dazu Glasvegas, Jimmy Eat World und Suede msuizierten. Samstags das gleiche Problem mit Parallelshows von Monster Magnet und den Vaccines sowie Bright Eyes und den Kaiser Chiefs und der Sonntag brachte z. B. die Qual der Wahl zwischen The Hives und The Kills und den Arctic Monkeys und The Eels. Also wurden die drei Tage farbtechnisch aufgeteilt, der Freitag gehörte der Green Stage, der Samstag der Blue Stage und Sonntag dann zum Abschluss der Red Stage im Zelt.
Nach einer staufreien Autofahrt und kurzem Einchecken im Hotel ging es dann kurz nach sieben mit dem Taxi zum Festivalgelände, bzw. bis so ca. 1,5 km davor, so weit das Taxi halt fahren konnte. Danach dann die übliche Rennerei zum Abholen der Festivalbändchen und rauf aufs Areal des Eichenrings, um noch schnell das erste Kaltgetränk einzunehmen. Mit bemerkenswertem Timing standen wir dann auch genau pünktlich zum Beginn von Elbow in der zweiten Reihe. Um uns herum wurde Englisch gesprochen, denn wohl wegen der durchaus britpop-lastigen Besetzung mit Bands wie eben Elbow, Suede etc. waren dieses Jahr so viele Engländer wie selten zuvor auf dem Festival.
Elbow bewiesen dann, dass sie inzwischen reif für die großen Bühnen sind. Wie schon im März in Glasgow machte Guy Garvey den Entertainer, scherzte mit dem Publikum und machte sich sogar einmal auf den für einen Mann seiner Statur mühevollen Weg von der Bühne bis hinein in die Fans am Absperrgitter. Zum ersten Mal wurden so auch in Deutschland die Songs vom neuen Album live zu Gehör gebracht, die reguläre Tour steht ja erst für November auf dem Programm, neben dem Opener The Birds wurden auch Neat Little Rows und Open Arms gespielt, bevor nach einer guten Stunde One Day Like This ein absolut überzeugendes Set beendete.

Elbow
Portishead betrachteten wir dann aus größerer Entfernung. Ich war gespannt, wie die Band mit ihrer eigentlich ja nicht so festivaltauglichen Musik ankommen würde, denn Partymucke geht definitiv anders. Und so wurde es auch ein sicherlich nicht schlechtes Set, aber die Songs vom letzten Album Third wie Silence oder Machine Gun kamen live deutlich besser an, wurden auch druckvoller gespielt als die alten Tränenreisser wie Glory Box. Die Bilder auf den Großleinwänden waren übrigens bei Portishead in schwarz-weiß gehalten, Tristesse mit dem Zaunpfahl sozusagen.

Portishead
Zum Headliner der Green Stage dieses ersten Abends ging es dann wieder direkt vor die Bühne, denn das Spektakel Arcade Fire wollte ich unbedingt aus der Nähe, soweit dieses bei so einer großen Bühne überhaupt möglich ist, genießen. Und ich wurde nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil. Die Band hat ja eh schon nicht wenige Mitglieder, aber diesmal wirkte es, als ob mindestens zwanzig Leute auf der Bühne herumwuselten und gute Laune verbreiteten. Dementsprechend hervorragend war auch die Musik, denn die große Besetzung erlaubte natürlich eine unglaublich gute Umsetzung des fast schon orchestralen Sounds der Band und diese Umsetzung war auch zu hören und ging nicht wie sonst so oft bei Festivals durch matschigen und verwehten Sound unter. Gespielt wurden erstaunlich viele ältere Songs, so folgten schon sehr früh im Set mit Neighbourhood #2 (Laika) und No Cars Go direkt zwei Hits hintereinander. 75 Minuten lang bewiesen Arcade Fire, dass sie sich ihren momentanen Erfolg und diese Headliner-Position redlich verdient hatten, indem sie ein einfach überwältigendes Konzert spielten.

Arcade Fire
Die Zugabe verfolgten wir dann aber doch nur noch aus der Ferne, machten wir uns da nämlich schon auf den Weg zur Blue Stage, wo als allerletzte Band des ersten Tages The Chemical Brothers die Aufgabe hatten, die Massen zum Tanzen zu bringen. Vor Jahren hatte ich sie schon einmal auf dem Hurricane gesehen, wo sie mit einer fantastischen Lightshow und fettem Sound das Zelt damals zum Kochen brachten. und auch Jahre später  unter freiem Himmel sollte es nicht anders sein. Die Band, oder sollte man besser die Knöpfchendreher und Reglerschieber sagen, spielte ein quasi durchgehendes Set, indem die einzelnen Stücke nahtlos ineinander übergingen, aber mit wiederkehrenden Motiven, sowohl optisch als auch akustisch. Dabei wurden die Stücke auch noch verändert, um in diesen Gesamtrahmen zu passen. Hey Boy, Hey Girl z. B. erkannte man nur am Rhythmus und am wiederkehrenden "Here We Go". auch Setting Sun mit seinem typischen Riff wurde ins Set eingewoben. Dieses Prinzip wurde dann erst zum Ende durchbrochen, als man quasi deutlich machte, dass hier die Zugabe begann, indem Galvanized und Block Rockin' Beats deutlich als einzelne Songs erkennbar waren und die Massen um kurz vor zwei Uhr nachts noch einmal kollektiv zum Zappeln und Hüpfen brachten und sogar wildfremde Menschen miteinander Discofox tanzten (!), ein furioses Ende eines grandiosen ersten Tages.

The Chemical Brothers
Gegen drei Uhr waren wir dann im Hotel und genossen den Luxus einer Nacht im bequemen Bett und einem sagenhaften Frühstück. Da das Haus ausschließlich von Hurricane-Besuchern belegt war, gab es Frühstück nachtschwärmerfreundlich von neun bis zwölf.
Kurz nach drei bezogen wir dann wieder unser "Hauptquartier" am Red Bull-Stand der Blue Stage und bekamen noch ein wenig von Warpaint und British Sea Power mit, was aber nicht wirklich umhaute. Danach verzog sich der Großteil meiner Reisegruppe zu Monster Magnet, während ich erstmals das Zelt der Red Stage betrat, um mir The Vaccines anzuschauen, deren Album mir sehr gut gefällt. Eine schlechte Entscheidung, denn der Auftritt fiel flach, da die Band den Flieger verpasst hatte und so zu spät in Hamburg gelandet war, um es noch rechtzeitig nach Scheeßel zu schaffen. Monster Magnet hingegen sollen toll gewesen sein, da ein sichtlich in die Breite gegangener Dave Wyndorf wie zu den alten Zeiten von Dopes To Infinity gerockt haben soll.
Wieder versammelt an der Blue Stage wurden die Friendly Fires als unauffälliger Soundtrack zur Nahrungs- und Getränkeaufnahme missbraucht. Danach sollten eigentlich die Augen auf die Bühne, bzw. auf die langen Beine der Frontfrau der Sounds gerichtet werden, doch die langweilige Musik trieb uns dann doch ganz schnell zurück zum Chillen auf der Wiese, denn allen Unkenrufen zum Trotz war es von vereinzelten kleinen Tropfen abgesehen doch trocken.
Zum Two Door Cinema Club ging es dann etwas näher an die Bühne. Letztes Jahr hatten sie noch im Zelt gespielt und scheinbar positiven Eindruck hinterlassen, denn vor der Bühne drängelte sich reichlich Jungvolk, um den irischen Indiedancepop abzufeiern. Die optisch noch Milchbubis machten ihre Sache auch gut, konnten mich aber nicht wirklich  überzeugen, da ihre Musik dafür nicht abwechslungsreich genug ist und es dann doch etwas langweilte, wenn der fünfte Song hintereinander den gleichen Beat hatte und auch die Melodiebögen nicht so vor Abwechslung sprühten.

Two Door Cinema Club
Aber sie waren um Längen besser als die nachfolgenden Kasabian, die mich mit ihrem belanglosen Britrock richtig langweilten und zudem ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatten, da sie sich mehrmals mit "Thank you, Hamburg" bedankten.
Zum Abschluss spielten dann die Kaiser Chiefs, deren neues Album The Future Is Medieval gerade erschienen ist und für meinen Geschmack zu lang und zu midtempolastig ausgefallen ist. Aber live waren sie ein würdiger Headliner der Blue Stage, denn ihr gut 75minütiges Set war ausgewogen, da sich die neuen Songs wie Little Shocks oder das sehr gute Dead Or In Serious Trouble immer wieder mit alten Hits abwechselten. Everyday I Love You Less And Less als Opener sorgte sofort für ausgelassene Stimmung und auch I Predict A Riot oder Ruby wurden recht früh gespielt. Zudem präsentierte sich Sänger Ricky Wilson als energiegeladener Frontmann, dem zuzuschauen auch einfach Spaß machte. Mit Oh My God wurde dann der entspannte zweite Tag noch mit einem Highlight beendet.

Kaiser Chiefs
Sonntag setzte dann der vorhergesagte Regen ein, begleitet von einem unangenehm starken Wind. Nur gut, dass wir eh den Tag fast ausschließlich im Zelt verbringen wollten. Vorbei an den scheinbar nicht tot zu kriegenden Mumien von Selig bekam man auf der Blue Stage noch etwas An Horse zu hören, die sehr vielversprechend klangen, mit ihrem zwar sicherlich nicht bahnbrechenden Indierock mit Frauengesang, aber sie ließen dabei genug Potential erkennen, um in der Kürze einen deutlich besseren Eindruck zu hinterlassen als z. B. Warpaint am Vortag.
Von der nachfolgenden Band Of Horses konnte ich leider nur noch die ersten drei Songs mitbekommen, da wir dann schon ins Zelt gingen, wo zwar The Kills erst später auf der Bühne standen, wir aber hier unbedingt gute Plätze haben wollten. Dafür mussten wir dann auch The Asteroids Galaxy Tour anhören, die mit ihren Bläsern und ihrem nett swingenden Indiepop gar nicht so schlimm gewesen wären, wenn nicht die Sängerin eine so furchtbar quäkende Stimme hätte.

The Asteroids Galaxy Tour
Danach kamen dann The Kills und zeigten, wie mit wenig Aufwand und allein durch unglaubliche Bühnenpräsenz das Haus gerockt werden kann. Minimalistische Beats vom Band, dazu die Gitarre von Jamie Hince und No Wow als Opener und wer sah, wie Alison Mosshart dazu sang und sich bewegte, bei dem machte es sehr wohl "Wow!". Leider trübte der Sound ein wenig das Vergnügen, denn sobald die Rhythmen vom Band etwas zu basslastig wurden, wie z. B. bei Satellite von ihrem neuen Album, dröhnte es unangenehm scheppernd aus den Boxen. Auch die Passagen, in denen Alison ebenfalls zur Gitarre griff, klangen zu undifferenziert. Dennoch war es ein guter Auftritt, denn dafür sind die Songs der Kills einfach zu eigenständig und herausragend und die Performance war auch zu überzeugend.

The Kills
Als nächstes standen die Eels auf dem Programm, bei denen man ja nie weiß, was live zu erwarten ist. Diesmal präsentierten sie sich als Good Ole Blues Brothers Boys Band Revue, zwar nicht im schwarzen Outfit, aber einheitlich wie eine Barbershop Combo mit Sonnenbrillen. Drei Gitarren, zwei Bläser (teilweise spielte auch noch eine der Gitarristen Trompete) und es wurde sofort heftig gerockt. Mister Everett präsentierte sich als Frohnatur, klatschte sich mal herrlich übertrieben mit seinen Mitstreitern ab, bedankte sich beim Publikum für den frenetischen Applaus mit "Danke scheen, my schatzis!" und war auch bei der Bandvorstellung zu Scherzen aufgelegt. So unterbrach er das Sologegniedel eines Gitarristen, indem er einfach mal auf dessen Saiten haute und stellte den anderen als "Guitar Magazine's Best Trumpet Player Of The Year" vor. Es wurde Sly & The Family Stone's Hot In The Summertime gecovert und auch die eigenen Klassiker wie Love Of The Loveless, Saturday Morning, Souljacker (Part I) und Novocaine For The Soul begeisterten mich und den Rest im proppevollen Zelt. Zum Abschluss joggte E von der Bühne, kam noch einmal wieder und holte sich eine Runde Applaus ab und joggte erneut davon, während die Gitarristen tatsächlich wie in Blues Brothers aufeinander zushuffelten. Lautstark wurde eine Zugabe gefordert, die es wie bei Festivals üblich aber nicht gab, auch wenn sie mehr als verdient gewesen wäre, war dieser Auftritt der Eels doch das absolute Highlight des Festivals, gerade weil es so unerwartet kam und in puncto Musikalität und Performance alle um Längen schlug und da nur Arcade Fire mithalten konnten.

The Eels
Danach leerte sich das Zelt rapide und füllte sich auch nur zur Hälfte wieder, als die Klaxons anfingen. Die ließen aber die Anwesenden noch einmal richtig abzappeln mit ihrem Elektrorock. Sie legten los wie die Feuerwehr, hielten das Tempo aber nicht ganz durch. Dabei wirkten sie auch auf der Bühne so hyperaktiv wie Duracell-Hasen auf Acid, was aber genau richtig war nach drei langen, anstrengenden Festivaltagen.

Klaxons
Nach gut vierzig Minuten verließen wir aber die Red Stage, denn wir hatten noch einen längerem Marsch zum in Scheeßel abgestellten Auto zurückzulegen. Dabei wurden wir dann noch mit etwas Clueso von der Blue Stage gefoltert und hörten, wie Dave mit seinen Foo Fighters auf der Green Stage gröhlte.
Zwar habe ich nur einen Bruchteil der Bands gesehen, die an den drei Tagen auftraten, aber dafür war es ein um so entspannteres Erlebnis, auch mit dem Komfort eines Hotels im Rücken und da das Wetter mitspielte bzw. durch unsere Planung ausgebremst wurde. Vielleicht auf Wiedersehen nächstes Jahr...

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