Superchunk / Girls Against Boys
03.12.13 Electric Ballroom, London
"Konzert des Jahres!!!" waren meine Worte anlässlich des Superchunk-Konzerts vor fast auf den Tag genau zwei Jahren in der Londoner Scala. Nun haben sie dieses Jahr wieder eine neue Platte veröffentlicht und sind wieder in Europa auf Tour (und natürlich wieder nicht in Deutschland), also ging es wieder nach London, aber auch wieder zu einem Konzert des Jahres?Electric Ballroom |
Der Electric Ballroom liegt in Camden und wirkt von außen eher wie ein Pub mit überdimensionierter Leuchtreklame. Doch tatsächlich bietet er Platz für ca. 1100 Gäste. Eine halbe Stunde vor Einlass war von denen aber noch nichts zu sehen, so dass ich mich mit einer Delegation des Gleis 22, die ebenfalls am Morgen von Dortmund aus nach London geflogen war, in den nächsten Pub begab.
Girls Against Boys |
Kurz nach 20 Uhr ging es dann in den Club, der seine wahre Größe dann nach ein paar Stufen hinunter offenbarte. Es war tatsächlich eine Halle fast so groß wie die Live Music Hall und auf der Bühne spielten bereits Girls Against Boys. Genau, die gibt es auch noch, bzw. wieder. Ende der 80er hatte ich im Fahrwasser von Fugazi die Band Soul Side, ebenfalls auf Dischord, entdeckt. Aus Soul Side gingen, ergänzt um den Produzenten Eli Janney, Girls Against Boys hervor, deren Sound die Hardcore-Wurzeln noch erkennen ließ, aber durch reichlich Elektronik und vor allem zwei Bässe aufgepeppt wurde. Ihren Stil sind sie bis heute treu geblieben, wovon auch die neue, im Sommer veröffentlichte EP zeugt. Live klang das an diesem Abend auch stellenweise richtig gut, vor allem bei alten Songs wie Kill The Sexplayer. Für britische Verhältnisse spielten sie für eine Vorgruppe geradezu epische 50 Minuten, die mich zwar nicht durchweg begeisterten, aber schon deutlich besser waren, als z. B. Let's Wrestle vor zwei Jahren.
Superchunk |
Pünktlich um halb zehn kamen dann Superchunk auf die Bühne. Bassistin Laura Ballance ist zwar nur noch auf Platte dabei, hat das Touren wegen ihrer Hyperakusis, eine Schall-Überempfindlichkeit, aufgegeben, aber mit Jason Narducy aus der Live-Band Bob Moulds war ein fast ebenbürtiger Ersatz dabei. Zwar beherrschte er die hohe Kunst des Flumminierens, wie ein kleiner Gummiball kreuz und quer über die Bühne zu hüpfen, nicht annähernd so gut wie Laura, war dafür umso versierter in allen anderen Posing-Disziplinen.
Das Set wurde mit zwei Songs vom aktuellen Album I Hate Music eröffnet, das zwar weniger offensichtliche Hits wie Majesty Shredding aufweist, aber dennoch erneut die einsame Klasse des Songwriters Mac McCaughan aufzeigt. Das dies ein besonderer Abend auch für ihn war, zeigte sich recht bald, als er auf Grund der vielen Wünsche einen Song spielen würde, den sie sonst eigentlich nicht im Programm hätten, worauf Ribbon folgte. Da direkt im Anschluss auch noch Package Thief und Punch Me Harder gespielt wurden, war dies früh bereits ein echter Höhepunkt. Mac meinte danach scherzhaft, eine Superchunk-Setlist gehorche nur einer Regel, der nächste Song müsse schneller sein als der vorherige. doch natürlich hielten sie das nicht durch.
Danach wechselten sich neue mit älteren Songs ab, aber es fehlten die frühen Kracher dabei. Dennoch herrschte ausgezeichnete Stimmung im Ballroom, die dann überkochte, als Digging for Something und vor allem Slack Motherfucker das reguläre Set beendeten. Es wurde lauthals mitgesungen und getanzt, was bei Slack Motherfucker zu erwarten war, aber der Enthusiasmus auch bei Digging For Something (von der Majesty Shredding) belegte, dass Superchunk nach ihrer fast zehnjährigen Abstinenz nicht allein von der Nostalgie leben müssen, sondern auch mit neuen Songs immer noch begeistern können.
Superchunk |
Natürlich gab es eine Zugabe und Mac zeigte sich schon etwas gerührt vor fast ausverkauften Haus und erklärte dies auch, dass sie zwar auf Festivals vor größerem Publikum spielen würden, aber da halt vor manchmal etwas trägem Publikum, das halt nicht nur wegen ihnen da wäre und dies hier bei den knapp 1000 Zuschauern eben komplett anders sei. Als Belohnung gab es dann die ebenfalls selten gespielte Coverversion 100,000 Fireflies, eine alte B-Seite und im Original vom ersten Album der Magnetic Fields.
Nach Throwing Things verabschiedeten sich die vier erneut von der Bühne und das wäre eigentlich sonst das ende des Konzerts gewesen. Doch London ist für die Band schon immer ein spezieller Ort gewesen und Camden erst recht, spielten sie doch um die Ecke in der Underworld vor über zwanzig Jahren ihre allererste Show in Europa. Und so kamen sie für eine zweite Zugabe zurück. Pünktlich zur Sperrstunde um 23 Uhr verklangen dann die letzten Töne von Precision Auto und ließen ein verschwitztes und mehr als zufriedenes Publikum zurück.
Links neben mir hatte während des Konzerts ein Mann gestanden, schätzungsweise ein Enddreißiger, der vom Aussehen und auch vom Verhalten her eher einen zurückhaltenden Eindruck machte. Die meiste Zeit hatte er den Blick leicht gesenkt, schaute dann immer wieder zur Bühne hinauf. Während er noch fast bewegungslos stand, nur manchmal leicht im Takt mitwippte, huschte aber immer wieder ein zufriedenes Lächeln kurz über seinen Mundwinkel. Dies wurde mit zunehmender Dauer zu einem immer breiteren Grinsen, bis er schließlich auch mitsang und -hüpfte und eben nicht nur bei den alten Hits, vermutlich aus seiner Jugend. Dieser Mann war für mich symptomatisch für das Konzert, denn selbst wenn man eventuell kein so eingefleischter Fan der Band ist oder ein eher reservierter Typ, packte einen dieser Auftritt, konnte man sich der positiven Energie einfach nicht entziehen
Piccadilly Circus |
Am Nachmittag hatte sich London im weihnachtlichen Gewand präsentiert und der Abend war bereits die vorgezogene Bescherung. Konzert des Jahres? Ja!!!
Setlist:
Breaking Down
FOH
For Tension
Ribbon
Package Thief
Punch Me Harder
Void
Out Of The Sun
The Popular Music
Kicked In
Iron On
Water Wings
Low F
Me & You & Jackie Mittoo
Digging for Something
Slack Motherfucker
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100,000 Fireflies
Detroit Has A Skyline
Throwing Things
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Learned To Surf
Precision Auto
Definitiv das Konzert des Jahres, auch wenn ich dieses Jahr deutlich weniger Bands besucht habe als du. Ein Deutschland-Gig nächstes mal wäre schön, obwohl ich glaube, dass die Konzerte in London immer unerreicht sein werden...
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