Donnerstag, 18. August 2011

Listener

Listener

16.08.11 Steinbruch, Duisburg

Würde man Dan Smith, die Stimme von Listener, als Rapper bezeichnen, könnte dies ein falsches Bild von ihm erzeugen trotz seiner Hip Hop-Vergangenheit in den 90er Jahren, zumal er auch stimmlich definitiv kein Sänger ist, sondern vielmehr ein rhythmischer Erzähler. Das deutsche Wort Sprechgesang trifft es da geradezu perfekt, kategorisieren Listener ihren Stil selber gerne als Talk Music, wobei Smiths Texte auch ohne musikalische Untermalung als Gedichte bestehen und somit das Schaffen des amerikanischen Duos sicher in der Tradition der Beat Poetry oder des Talking Blues eingeordnet werden kann.
Aufmerksam geworden bin ich auf Listener durch puren Zufall, denn die Duisburger Band Kokomo, neulich live bei Gifts From Enola in Oberhausen im Vorprogramm, postete auf ihrer Facebook-Seite einen Link zur Konzertankündigung im Steinbruch. In Erwartung, dass sich hinter Listener eine weitere gitarrenschwere Postrock-Band verbergen würde, suchte ich im Netz nach Hörproben und landete fasziniert auf ihrer Bandcamp-Seite und war sofort angefixt. Und scheinbar gibt es noch mehr Leute mit offenen Ohren, denn auch ohne große Präsenz in den einschlägigen Medien war das Steinbruch sehr gut gefüllt.
Schon vor Beginn des Konzerts suchte Dan Smith Kontakt zum Publikum, sprach einfach irgendwelche Besucher an, ehe er kurz nach neun mit seinem Partner Chris Nelson, der für die musikalische Vertonung von Smiths Lyrik verantwortlich ist, die Bühne betrat. Mit You Have Never Lived Because You Have Never Died vom aktuellen, zweiten Album Wooden Heart, allerdings schon vor gut einem Jahr erschienen, gings los, Nelson an der Gitarre, Smith am Bass und die restliche Musik vom Laptop.
Wie auch auf Platte spuckte Smith seine Texte geradezu aus, ständig war sein Kopf in Bewegung, dabei um das Mikrofon kreisend, es beinahe mehr als Ansprechpartner denn als Werkzeug benutzend, während Nelson fast stoisch am Rand spielte. Dieser eruptive Stil, seine ganze Körpersprache vermittelte dabei eine Intensität, die die Zuhörer sofort gefangen nahm und beinahe beängstigend wirkte. Zum Glück nahm Smith selber zwischen den Stücken durch seine Ansagen immer etwas den Wind aus den Segeln, erzählte scheinbar absichtlich schlechte Witze und forderte als Running Gag das Publikum bei fast jedem Song auf, gerne mitzusingen, was bei Listeners Art von Musik eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist. Er suchte ständig Kontakt zum Publikum, fragte nach, ob sie etwa Fragen an ihn hätten oder sonst jemand etwas mitzuteilen hätte. Zwar erntete er dabei meistens Schweigen, da der normale Konzertbesucher es einfach nicht gewohnt ist, derart in einen Auftritt einer Band einzugreifen, doch Smith spielte auch mit dieser an sich peinlichen Situation, ließ das Schweigen nie unangenehm werden, fand im Gegenteil diese aufmerksame Stille sehr angenehm, denn schließlich wollen Listener gehört werden. In seiner Einleitung zu Building Better Bridges erläuterte er quasi seine Überzeugung, dass die Kommunikation zwischen den Menschen für ihn das Wichtigste sei, getreu der Textzeile "Our lives are a bridge for us to give, I want to buiild a better bridge". Daran hielt sich Smith auch konsequent den Auftritt über und kam so unglaublich sympathisch rüber.

Listener
Aber Listener boten ja nicht nur Lyrik mit Hintergrundmusik, der Soundtrack zur Poesie war vielmehr vielschichtig und auch für sich hörenswert. Bei besonders emotionalen Stücken wie Wooden Heart schwebte ein feiner atmosphärischer Gitarrenteppich durch den Raum, zwei Tracks wurden auch komplett ohne Musik als reine Gedichte vorgetragen, schließlich ist Wooden Heart auf der Bandcamp-Seite auch als reine Spoken-Word-Version erhältlich. Mal setzte Smith an der Trompete musikalische Kontrapunkte, offenbarte dabei durchaus Schwächen in der Beherrschung des Instruments, was allerdings schlicht und ergreifend seiner Atemlosigkeit durch seinen kraftraubenden Vortragsstil zuzuschreiben sein mag. Neben klassischer Americana-Musik blitzte zwischendurch auch der Indierock bei Stücken wie Falling In Love With Glaciers durch, bei denen dann Gitarrist Chris Nelson plötzlich explodierte und man sich auf einem normalen Rock-Konzert wähnte. Nicht umsonst wurde mit Priests And Paramedics ein Song der Emo-Legende Pedro The Lion gecovert. Smiths Hip Hop-Wurzeln, die auf dem ersten Listener-Longplayer Return To Struggleville in Songs wie Ozark Empire noch durchscheint, blieben live außen vor.
Nach gut 75 Minuten verabschiedeten sich Smith und Nelson von den  begeisterten Zuhörern, kehrten aber noch einmal für zwei Zugaben zurück. Dabei wurde zum Abschluss noch einmal die Magie, die diesen Abend ausmachte, deutlich. Listener suchten die Nähe zum Publikum, setzten sich auf den Bühnenrand und baten alle, sich doch auch hinzusetzen, was auch brav befolgt wurde, so dass Death By Shotgun bei Lagerfeueratmosphäre einen wunderbaren Auftritt beendete.
"Come on and sew us together, we're just tattered rags stained forever. We only have what we remember" sang Smith in Wooden Heart und es war in der Tat ein unvergesslicher Auftritt.


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