Sonntag, 17. April 2011

Snuff

Snuff / Nimrods

15.04.11 Stone, Düsseldorf

Huch, wo kommen die denn plötzlich her? Das letzte Mal waren Snuff vor gefühlt zehn Jahren auf Tour, hatten sich 2005 aufgelöst, um dann drei Jahre später für vereinzelte Konzerte wieder zusammen zu kommen und nun aus dem Nichts eine kleine Deutschland-Tour mit Auftakt an einem sonnigen Frühlingsfreitag in der Düsseldorfer Altstadt zu spielen.
Den Auftakt machten die coolsten Oberhausener seit Erfindung der Sonnenbrille, die Nimrods. Am zehnten Todestag von Joey Ramone ließen sie mit ihrem schmissigen Poppunk dessen Geist wieder auferstehen getreu ihrem Motto "Drei Akkorde, eine Basssaite und kein Talent". Das ganze wurde untermalt durch aufwändige Pyroeffekte wie Wunderkerzen und so ausgefeilte Posen, wie es der Bierbauch-Ansatz halt zulässt. Das erinnerte an das Chixdiggit-Konzert eine Woche zuvor an gleicher Stelle, zumal die Kanadier auch vor zwei Wochen bei der Release Party anlässlich des neuen Albums der Nimrods im Zentrum Altenberg aufgespielt hatten.
Nimrods
Snuff haben über 20 Jahre Bandgeschichte auf dem Buckel, wirken dabei aber deutlich jünger als der verrostete alte Bully, mit dem sie erst um kurz nach acht am Stone ankamen. Durch die späte Ankunft entfiel der Soundcheck, zudem erkrankten der Posaunist und der Keyboarder und mussten kurzfristig durch Gastmusiker ersetzt werden. Und so wirkte der Opener What Kind Of Love noch unglaublich holprig und ließ für den Rest des Konzerts Schlimmes befürchten. Doch die alten Hasen fingen sich unglaublich schnell, unterstützt von einem feierwilligen Düsseldorfer Publikum, so dass der Auftritt zu einer ausgelassenen Party wurde. Auf Zuruf wurden Hits gespielt und bei zwei Stücken, Martin und I Think We're Alone Now (danke an Michael fürs Filmen), holte man sich einfach Sangeswillige auf die Bühne. Nach knapp 70 Minuten Querschnitt durchs gesamte Repertoire - gespielt wurden u. a. Nick Northern, Too Late, Night Of The Li's, Pixies, Marbles, B - verabschiedete sich die Band mit Arsehole, kam aber noch einmal für eine Zugabe zurück, ehe dann nach Whatever Happened To The Likely Lads endgültig Schluss war.
Einmal mehr erwies sich Düsseldorf als Hochburg für Punkkonzerte und im Juni wartet mit Leatherface im Stone bereits das nächste Highlight.
Snuff

Dear Landlord

Dear Landlord / The 20 Belows / Zatopeks

12.04.11 Sonic Ballroom, Köln

Treffen sich ein Amerikaner, ein Däne und ein Engländer in Köln... Was wie ein schlechter Scherz klingt, war an diesem Abend in der kleinen Punk-Eckkneipe Sonic Ballroom das Abendprogramm.
Um kurz nach neun eröffnete die englische Pop-Punk-Combo Zatopeks den Abend und brachte gleich richtig gute Laune unter die Anwesenden. Klingen sie auf Platte manchmal recht eintönig, zeigten sie live Biss und rockten das Haus. Der Sänger wagte sich mehrmals ins Publikum, wanderte dabei sogar einmal bis zur Theke und zurück, zugegeben keine Riesenwanderung bei der Größe des Ladens. Die Bandmitglieder überraschten mich dann durch Ansagen in sehr gutem Deutsch (drei der vier Briten leben seit Jahren in Berlin, wie ich im nachhinein erfahren habe) und sogar der neue österreichische (!) Gitarrist war sehr gut zu verstehen.
Zatopeks
Nach einer sehr unterhaltsamen halben Stunde räumten die Zatopeks dann die Bühne für ihre dänischen Kollegen The 20 Belows, mit denen sie vor Jahren bereits eine Split-Single veröffentlicht haben und derzeit gemeinsam auf kurzer Europa-Tour sind. Die Jungs wirkten gleich optisch eine Runde härter, zutätowierter und ein nicht ganz so herzliches Grinsen im Gesicht, vor allem der kleine Gitarrist im Strike Anywhere-Shirt sah aus, als hätte er gerade eine Schlägerei gegen einen Trupp Skinheads verloren. Auch musikalisch war der Pop-Faktor zugunsten einer gehörigen Dosis Streetpunk zurückgefahren, was zwar nicht schlecht klang, aber nicht ganz so meine Kragenweite war wie die Gute-Laune-Musik der Zatopeks.
The 20 Belows
Vor einem Jahr waren Dear Landlord bereits mit ihrem 2009er Album Dream Homes auf Tour in Deutschland gewesen und hatten mich vollkommen überzeugt. Seitdem hatten sie noch kein neues Material veröffentlicht (die Split-Single mit den Dopamines zum Record Store Day kam erst wenige Tage danach raus) und daher wurde in den gut 45 Minuten das Album fast komplett gespielt und es gab nur einen neuen Song zu hören.Wirkte die Band zu Beginn noch etwas distanziert und müde, tauten sie doch im Laufe des Abends auf, wie auch das Publikum immer mehr mitging, zum Teil animiert von den vor der Bühne ausgelassen mitfeiernden Zatopeks samt Anhang. Und als dann ihre Dampfwalze á la Dillinger 4 oder Nothington so richtig ins Rollen gekommen war, packten sie mich auch sofort wieder.  Nach der letzten Zugabe Three To The Beach entschuldigte sich der Sänger noch kurz, dass sie einfach nicht mehr Songs im Repertoire hätten und dann war Schluss mit diesem kosmopolitischen Dreierpack.
Dear Landlord

Sonntag, 10. April 2011

Chixdiggit

Chixdiggit / The Yoohoos

08.04.11 Stone, Düsseldorf

Letztes Jahr im Juni mussten die Boxhamsters ihr Konzert im Stone kurzfristig absagen, doch schon 10 Monate später stand ja der Nachholtermin auf dem Programm. Im Zug nach Düsseldorf twitterte mich dann ein Bekannter an, dass sie auch diesmal angeblich nicht spielen sollten. Dementsprechend skeptisch kam ich am Ratinger Hof in der Altstadt an und ein Zettel am Eingang verkündete tatsächlich, dass die Gießener abgesagt hatten, da ihr Schlagzeuger wenige Stunden zuvor ausgestiegen sei. Auf der Facebook-Seite des Stone hieß es allerdings, dass sie es wegen einer Autopanne nicht nach Düsseldorf geschafft hätten. Hmmm, vielleicht ist er also nur aus dem Wagen ausgestiegen?
Kanadas antwort auf No FX, Chixdiggit, mutierte so von der Vorband zum Headliner und hatte als Unterstützung noch schnell The Yoohoos mitgebracht, mit denen sie am Abend zuvor in Köln gespielt hatten. Die zwei Jungs und ein Mädel machen ebenfalls gutgelaunten Punkrock im Stile der Ramones und Jet Bumpers und sorgten nach anfänglich etwas zähem Beginn für mächtig Stimmung. Neben gelungenen Coverversionen wie Bizarre Love Triangle von New Order spielte dabei ein Pogostick eine nicht unwichtige Rolle, denn den schenkte der Sänger seiner Freundin von der Bühne herunter zum Geburtstag. Sie probierte ihn auch gleich aus - ein herrliches Bild, das auch von meiner Begleitung auf Video festgehalten wurde. Der ältere Herr auf der Bühne war übrigends Kepi Ghoulie, der Chixdiggit auf ihrer Europa-Tour am Bass unterstützte und bei den Yoohoos mehrere Lieder mitsang.

The Yoohoos w/ Kepi Ghoulie
Kurz nach zehn begann dann das große Wunschkonzert der Chixdiggit. Sie hatten an der Wand neben der Bühne einen großen Zettel angebracht, auf dem alle Songs standen, die die Band spielen kann. Und der Zettel war wirklich groß, schließlich exisitiert die Gruppe schon seit gut 20 Jahren.. So wurden also gerne Publikumswünsche erfüllt, Auch meiner nach I Hate Basketball von der neuen EP Safeways Here We Come wurde gespielt, allerdings musste Kepi dazu unter seiner Monitorbox nach einem Zettel mit den Akkorden kramen, da er meinte, dass ausgerechnet das der Song sei, den er am schlechtesten kenne, was man ihm aber nicht anmerkte.
Sänger KJ gab den ganzen Auftritt über die Rampensau, poste wild herum und animierte das Publikum zum Mitsingen, z. B. bei Spanish Fever, was dieses auch gerne tat. Nach zwei Songs riss zwar bereits Kepis Bassgurt, aber er spielte das Konzert einfach mit dem Instrument der Yoohoos-Bassistin weiter. Gegen Ende rissen dann gleich mehrere Saiten von KJs Gitarre und er verlegte sich ganz aufs Singen.
Nach einer guten Stunde und gefühlten 57 Songs war dann das Konzert vorbei und ich war alles andere als traurig darüber, dass die Boxhamsters wieder nicht erschienen waren, denn mit diesem furiosen Auftritt hätten ihnen die Chixdiggit wohl locker die Show gestohlen.

Chixdiggit

Dienstag, 5. April 2011

The Thermals

The Thermals / The Coathangers

03.04.11 Gebäude 9, Köln

Vor über einem halben Jahr veröffentlichten The Thermals ihr aktuelles Album Personal Life, auf dem sie auch erstmals ruhigere Töne anschlugen und sogar Songs jenseits der Vier-Minuten-Grenze aufnahmen, für ihre Verhältnisse also geradezu Rockopern. Nun hatte man endlich Gelegenheit zu sehen, ob sich auch live etwas geändert hat, oder ob The Thermals immer noch die großartige Partyband sind, als die ich kennen und lieben gelernt habe.
Doch zunächst traten vier weibliche Kleiderbügel auf die Bühne des ausverkauften Gebäude 9. The Coathangers kann man durchaus in den Riot Grrl-Kontext einordnen, manchmal recht simple Garagenmucke, mal etwas softer wie die Vivian Girls, mal mit Sleater-Kinney-Referenzen, vor allem wenn die optisch beeindruckende Schlagzeugerin los röhrte und manchmal auch an den Elektropunk der Goldenen Zitronen erinnernd, wenn das Keyboard im Vordergrund stand. Dazu wurden ab der Hälfte ihres gut 40minütigen Sets wild die Instrumente gewechselt, was eigentlich nach einer unterhaltsamen, abwechlungsreichen Show klingt. Beim Publikum kamen sie auch sehr gut an, nur bei mir nicht, da ich einfach zu sehr vom Gesang genervt war. War das Gebrülle der Drummerin noch halbwegs erträglich, ging das schrille Gekeife und Gekreische (sorry, Gesang kann ich das wirklich nicht nennen) der Gitarristin für meine Ohren gar nicht. Aber den meisten Anwesenden gefiel es offensichtlich und auch die Band schien auf der Bühne großen Spaß zu haben
Nach kurzer Umbaupause begannen dann The Thermals um kurz vor zehn gleich mit Time To Lose von ihrem ersten Album More Parts Per Million und deuteten so gleich an, dass es ein Abend voller Hits werden würde. In den gut 60 Minuten bretterten sie 24 Songs runter, wobei der Schwerpunkt im Gegensatz zur letzten Tour deutlich stärker auf älteren Stücken lag. Und spätestens bei Our Trip waren die Kölner auch richtig aufgetaut und gingen mit, wobei es trotz ausverkauften Hauses angenehm geräumig vor der Bühne war.
Mein persönliches Highlight des Abends war aber Never Listen To Me, bei der Kathys Gesang im Refrain stärker als auf Platte zum Tragen kam und dem Lied einen umwerfenden Pop-Charme verlieh.
Es war ein großartiges Konzert, das viel besser zu dem herrlichen Frühlingswetter des Vortages gepasst hätte als zu diesem trüben, verregneten Sonntag Abend. Aber so haben The Thermals noch einmal die Sonne in die Herzen der Zuschauer zurück gebracht.

Setlist:
Time To Lose
Returning To The Fold
I Don't Believe You
It's Trivia
Brace And Break
We Were Sick
I Let It Go
Our Trip
Every Stitch
Not Like Any Other Feeling
Never Listen To Me
Here's Your Future
I Might Need You To Kill
An Ear For Baby
A Stare Like Yours
Power Lies
Your Love Is So Strong
St. Rosa And The Swallows
How We Know
Overgrown, Overblown
Now We Can See
A Pillar Of Salt
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Back To Gray
No Culture Icons

The Thermals

Sonntag, 3. April 2011

Phillip Boa And The Voodooclub

Phillip Boa And The Voodooclub

01.04.11 Zeche, Bochum

Wenn man lang genug im Geschäft ist, dann scheint es Mode zu werden, live mal ganze Alben aus seinem Gesamtwerk zu präsentieren, meistens begleitet von einer Wiederveröffentlichung als Deluxe-Jubiläums-Schnickschnack-Edition mit irgendwelchen Bonustracks. In England touren Primal Scream gerade mit Screamadelica, die Pixies haben es mit Doolittle auch schon gemacht, warum sollte also Phillip Boa da außen vor bleiben. Nach 20, bzw. 18 Jahren wurden gerade Helios und Boaphenia wiederveröffentlicht und auf der begleitenden Tour sollen nur Stücke dieser beiden Alben gespielt werden.
Das löste bei mir allerdings eher geringe Erwartungen aus, da vor allem die sperrige Helios nun nicht gerade zu meinen Favoriten gehört und mit And Then She Kissed Her eigentlich nur einen Klassiker enthält.
Die (mir unbekannte) Vorgruppe wurde elegant verpasst, da sie recht früh spielen musste, denn bereits um 20:45 war für Boa Showtime. Zunächst standen die Songs von Helios im Vordergrund, wurden allerdings nicht in der Reihenfolge des Albums gespielt. Sicher war es interessant, mal Live-Raritäten wie Pfirsicheisen zu hören, aber viele im Publikum waren wohl doch eher aus Tradition bei Boas "Heimspiel" da, denn der Geräuschpegel stieg bei den vertrackten Liedern deutlich an, man wollte eher die poppigen Hits wie Life After Being A Zombie hören.
Boa selber wirkte trotz der inzwischen jahrzehntelangen Bühnenerfahrung immer noch herrlich ungelenk, was sich in den bekannten, geradezu epileptischen Tanzbewegungen immer wieder manifestierte. Auch sein Einsatz an den Bongos bei einem Lied wirkte in seiner Unsicherheit fast niedlich.
Die Stimmung und die Bewegung im Publikum steigerten sich im Boaphenia-Teil dann deutlich, lud der doch mit Krachern wie Love On Sale, Get Terminated oder Hyperactive Cracker eher zur Party ein. Nach gut 90 Minuten verabschiedete sich die Band, kam aber noch einmal für eine Zugabe wieder, in der dann mehrmals lautstark nach Kill Your Idols verlangt wurde, eigentlich der klassische Rausschmeißer einer Boa-Show, nur heute nicht weil vom "falschen" Album, was sich diese Intelligenzbestien eigentlich hätten denken können. Stattdessen wurde And Then She Kissed Her als Finale geboten.
Boa bedankte sich artig beim Publikum, sprach auf seiner Facebook-Seite danach sogar von einer "sold out show, grosses Kino", aber das war es beides nicht, aber sicherlich gute Unterhaltung in einer sehr gut gefüllten Zeche.