Sonntag, 6. Mai 2012

Chixdiggit / Nimrods

Chixdiggit / Nimrods

04.05.12 The Tube, Düsseldorf

Es ist Freitag Abend, ich sitze im Regionalexpress von Dortmund nach Düsseldorf, um mir dort erneut die großartigen Kanadier Chixdiggit sowie die nicht minder famosen Oberhausener Meister der drei Akkorde, die Nimrods, anzusehen und blättere während der Fahrt auf dem Smartphone durch die mehr oder weniger belanglosen Tweets, als meine Augen auf dem Display von einem Link, den ausgerechnet der in London lebende und für den Guardian schreibende deutsche Fußball-Kolumnist Raphael Honigstein postete, kleben zu bleiben. Es war die Nachricht vom Tode Adam Yauchs, besser bekannt als MCA von den Beastie Boys. Gerade 47 Jahre alt wurde er und starb nicht den kläglichen Tod einer Amy Winehouse oder Whitney Houston, die sich ihr Leben selbst durch Drogen und/oder Alkohol versauten, sondern es war der bereits 2009 diagnostizierte Krebs, der den längeren Atem hatte, nachdem es so aussah, als hätte er ihn zwischenzeitlich besiegt, zumal die Beastie Boys ja erst letztes Jahr ein neues Album veröffentlicht hatten.
Mir fiel wieder der 20. Juni 1994 ein, als die Beasties gerade Ill Communication veröffentlicht hatten und allein schon wegen der Vorab-Single Sabotage jeder das Konzert in der Live Music Hall sehen wollte. Die Halle war über ihr Fassungsvermögen hinaus ausverkauft und wir kamen trotz gültiger Eintrittskarten nur mit Glück noch rein, es war sommerlich warm draußen und dementsprechend in der überfüllten Halle tropisch, so dass schon ehe die Band auf die Bühne kam, der Schweiß von den Wänden und der Decke perlte. Die Beastie gehörten zu den Guten im Geschäft und dementsprechend wirkte wirklich jeder über die Todesmeldung betroffen. Am treffendsten formulierte es jemand so: "I feel that if you don't like at least one thing about the Beastie Boys (a song, a video, a joke, the attitude), not one, you're not human."
Ich war mir nicht sicher, ob mir die Vorfreude auf einen unterhaltsamen Abend mit punkiger Partymusik nicht verhagelt war, doch letztlich fand sich das passende Motto auf der Rückseite der Gitarre von KJ Jansen, dem Sänger der Chixdiggit:


In diesem Sinne: R.I.P. MCA and Rock On!

The Tube liegt direkt in der Düsseldorfer Altstadt und ist wie so viele Altstadt-Kneipen eigentlich nur ein langer, schmaler Schlauch, an dessen ende halt eine kleine und auch nicht besonders tiefe Bühne steht.
Eine Woche zuvor im Joe's in Oer-Erkenschwick hatten die Bands genug Platz zum Rumtoben und zudem eine Lichtanlage im Rücken, die gerade die Posen der Nimrods in für sie sicherlich ungewöhlichem Glanz erstrahlen ließ. Doch auch durch die Enge ließen sich die drei Oberhausener nicht beirren, auch wenn Gitarrist und Bassist sich einige Mal ineinander verhakten. Vielmehr inspirierte sie die Enge zu neuen artistischen Verrenkungen.

Nimrods

Wie immer saßen die Sonnenbrillen korrekt und auch die Konfetti-Bombe und Wunderkerzen kamen zum Einsatz. Kepi Ghoulie sang erneut Johnny B. Goode mit ihnen, auch wenn man ihn mehrmals rufen musste, da er in den Katakomben des Tube verschollen zu sein schien.

Nimrods w/ Kepi Ghoulie

Sogar eine Zugabe wurde den Nimrods abgerungen, die übrigens im Juni ihr 15jähriges Bestehen mit einem Konzert im Druckluft begehen, bei dem auch Kepi im Rahmen seiner Solotour zu Gast sein wird.



Um halb elf begannen dann Chixdiggit ihr Set wie eine Woche zuvor mit Welcome To The Daiso. Sah es bei den Nimrods noch so aus, als könnte die Provinz Oer-Erkenschwick die Weltstadt Düsseldorf in puncto Zuschauerzahlen und Stimmung schlagen, wurde schon bei den ersten Takten klar, wo der Punk seine Bierchen trinkt. Der Raum vor der Bühne war sehr gut gefüllt und die Anwesenden waren auch gewillt, sich von KJ animieren zu lassen und eine Party zu feiern. Eine feste Setlist gab es nicht, Wünsche wurden gerne erfüllt, mal prompt, mal mit Verspätung. So setzte KJ z. B. nach Zuruf von Henry Rollins Is No Fun zu einer längeren Geschichte an, wie einst angeblich eine Postkarte von Rllins erhalten habe, um dann doch ein völlig anderes Lied zu spielen, ein anderes Mal wurde nach. I Hate Basketball verlangt und sofort geliefert, allerdings umbenannt in I Hate Wuppertal.


Da die Band offensichtlich fürsorglich betreut worden war und mit dem lokalen Kräutergebräu Killepitsch Bekanntschaft gemacht hatte, ließen sie sich davon gleich eine Flasche auf die Bühne bringen.
Auch von technischen Widrigkeiten zeigten sie sich unbeeindruckt. So löste sich Kepis Bassgurt komplett vom Instrument, so dass er sein Instrument nur mühsam aufs Knie gestützt weiterspielen konnte, doch eine waghalsige Notoperation von Dr. Killer Nimrod am offenen Song rettete die Situation.

Chixdiggit

Natürlich wurde das Publikum auch wieder reichlich zum Mitsingen animiert und hier zeigte sich Düsseldorf dann besonders textsicher und auch in puncto Lautstärke den Erkenschwickern überlegen, wie man es von einem (Noch-)Zweitligisten gegenüber einem Oberligisten auch erwarten durfte.


Als KJ ankündigte, noch zwei Lieder zu spielen, dann kurz auf der Bühne einen zu trinken, um dann anschließend als Zugabe 27 weitere Songs zum besten zu geben, hielt er das noch für einen Scherz. Doch die Anwesenden machten dermaßen Rabatz und wünschten sich einfach noch so viele bis dahin ungespielte Lieder, dass der Abend in harte Arbeit für die Kanadier ausartete. Kepi bastelte aus den zahlreichen Forderungen noch schnell einen verbindlichen Zugabenblock zusammen, den KJ in seiner chaotischen Art gleich wieder umwarf. So wurde noch kurzfristig Hemp Hemp Hooray eingebaut und dafür ein Gastsänger aus der Oberhausener Gang auf die Bühne geholt.
Nach 75 Schweiß treibenden Minuten war dann aber doch Schluss und man brauchte nur in die strahlenden Gesichter der Band zu schauen, um Sänger KJ seine Worte abzunehmen, dass es ihnen sehr viel bedeute, wenn bei inzwischen nur noch 20-30 Konzerten, die die Band im Jahr spielen würde, sie bei ihrem Aufenthalt in Europa auf so positive Resonanz stoßen würden.
Da kann man nur hoffen, dass ihr nächster Urlaub sie wieder nach Nimrodland führt und beide Bands wieder zusammen irgendwo in NRW auf der Bühne stehen werden.



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