Montag, 15. April 2013

Casanovas Schwule Seite

Casanovas Schwule Seite / Frau Mansmann

13.04.13 Djäzz, Duisburg

Es war Samstag Abend, kurz nach acht und noch hatte die Dämmerung nicht die kleine Seitenstraße in der Duisburger Innenstadt erfasst. Dennoch herrschte hier ein Betrieb wie auf dem Friedhof von Oer-Erkenschwicker. Da ertönte dumpfes Trommeln aus einem kleinen Kellerloch und urplötzlich erschienen aus allen Ecken merkwürdige Gestalten, die magisch von diesem Weckruf angezogen wurden...

Da aber im Djäzz noch kein Einlass war wegen des Soundchecks, bemühte sich ein freundlicher Herr, die ankommenden Punks zum Lustwandeln in Duisburgs Parkanlagen zu bewegen, um das Klirren von Bierflaschen und laute Gespräche zu verhindern, denn der Kellerclub hat immer wieder mit Beschwerden durch Anwohner zu kämpfen.


Kurz darauf öffneten sich aber die Tore in die Unterwelt und gewährten den begehrten Einlass. Der Soundcheck war noch im vollen Gange, aber zumindest so weit abgeschlossen, dass nicht unnötiger Lärm nach draußen dringen konnte. Dabei erwies sich der Mensch am Mischpult als typischer Parade-Ruhrpottler. Als die Schlagzeugerin von Frau Mansmann mehr Gesang auf ihrem Monitor haben wollte, fragte er trocken zurück: "Willst du das wirklich?"
Frau Mansmann sind ein Quartett aus Berlin, das letztes Jahr sein erstes Album mit dem prosaischen und zugleich gesellschaftskritischem Titel Bio-Bananen sind von glücklichen Affen veröffentlicht hat. Auch musikalisch gibt es unbehandelte Rohkost frei von Geschmacksverstärkern.

Frau Mansmann

Dabei sah das junge Gemüse auf der Bühne durchaus appetitlich genug für erotische Hochglanz-Magazine wie die Super-Illu aus. Der Sänger schälte sich nämlich aus seiner Hose und seinem Shirt und entblößte einen muskulösen Körper, nur noch durch ein Nichts aus feinstem Netz-Polyester verhüllt. Na ja, fast nichts, denn der Feigling trug darunter noch einen roten Tanga, vermutlich damit sein Gemächt nicht Ohnmachtsanfälle unter den sabbernden Mädchen in den vorderen Reihen auslöste. Laut ihrer Homepage hatte die Band bislang nur einmal im Ruhrgebiet gespielt, nämlich 2006 in Dortmund. Eigentlich eine Schande, denn die Hochburg der Ballonseide benötigt so dringend modische Nachhilfe aus der Bundeshauptstadt. Jedenfalls war der Auftritt optisch deutlich ansprechender als musikalisch, denn der rumpelnde Deutschpunk löste nicht gerade Jubelstürme aus und der Klaps auf die nackten Backen des Sängers war fast lauter als der Applaus, den sie durchweg erhielten, von ihrem Gassenhauer Prostituiertenpunk mal abgesehen.


Danach folgte dann das literarische Quartett aus Köln, Casanovas Schwule Seite. In gut 13 Jahren Bandgeschichte haben sie es immerhin geschafft, 2002 ein Album und schon dieses Jahr eine Single rauszubringen, ein Veröffentlichungswahn, den man sich von Scooter wünschen würde. Das Rock'nRoll Imperium schlägt zurück hat absoluten Kultstatus erlangt und das auch völlig zu Recht, denn solch fetten Punkrock'n'Roll haben nicht einmal Gluecifer zu ihren besten Zeiten hinbekommen, von der lyrischen Tiefe der Texte ganz zu schweigen. Daher war es auch nicht verwunderlich, das das kleine Djäzz bereits im Vorfeld ausverkauft war und sich nach der entspannten Blumenwiesen-Atmosphäre bei Frau Mansmann nun der Geruch von Schweiß und Pils über die prall gefüllte Tanzfläche legte.

Casanovas Schwule Seite

Bei der Auswahl der Songs hatten es sich Casanovas Schwule Seite sehr einfach gemacht. Sie spielten einfach alles, sämtliche Stücke der CD und Single. Das sollen ihnen AC/DC mal nachmachen. Das Publikum zeigte sich textsicher und hätte Jürgen Trittin gehört, wie bei Mein Kühlschrank das ganze Djäzz laut "FCKW!" brüllte, er hätte eine Träne der Rührung nicht verbergen können.
In der Kommunikation mit dem Publikum wurden auch (eventuell ungewollt) heiße Eisen der Lokalpolitik nicht ausgespart. So wurde nach dem Legoland Duisburg gefragt, das aber im Dezember bereits seine Pforten schloss, um in den Vorort Oberhausen umzusiedeln. Doch da es noch kein Lego-Pils gibt, war das den anwesenden Punks egal, denn der Samstagabend ist traditionell die Zeit des Schunkelns und guten Laune. Und auch der Musikantenstadl im Kellergewölbe war da keine Ausnahme und sogrinste auch Schlagzeuger Caddy ständig durch die Gegend wie ein Farin Urlaub-Double, während sich Chefdenker Claus hingegen eindrucksvoll in der Mimik des jungen Gunter Gabriel übte. Die Beweisfotos dieser Thesen entnehme der Interessierte bitte der Galerie.


Das Höllenfeuerlicht wurde nach gut 50 Minuten ausgeblasen und mangels Material gab es auch keine Zugabe. Stattdessen erwartete einen vor der Tür inzwischen die dunkle Nacht und der freundliche Herr patrouillierte immer noch vor dem Djäzz auf und ab, um die Ruhe der Nachbarn zu sichern. Das schien ihm auch gelungen zu sein, denn am Bahnhof blieb das Sondereinsatzkommando der Polizei im Regionalexpress nach Dortmund, wo das raue Leben noch pulsierte und mehr für die Hüter der Ordnung zu tun war als in der beschaulichen Industrieruine Duisburg. Der offizielle Grund für das Aufgebot waren angeblich Fußballfans von Preußen Münster auf der Heimreise, dabei hat doch jeder aus zahllosen Western gelernt, dass Rinderherden von Cowboys bewacht werden und nicht von der Polizei.

Setlist Casanovas Schwule Seite

Es gibt Legenden, die man mal live gesehen haben muss und wenn man bedenkt, dass ich die Rolling Stones erst 28 Jahre nach ihrer Gründung live gesehen habe, so war das Coming Out an Casanovas schwuler Seite geradezu zügig und ein Genuss, den ich im Gegensatz zum Auftritt von Mick Jagger und Co. 1990 im Müngersdorfer Stadion (übrigens mit einer inzwischen zur Qual gewordenen Düsseldorfer Stimmungskapelle im Vorprogramm) ohne Reue noch meinen Pflegern im Altersheim erzählen werde.

Setlist:
Ich will dich ficken
Der Mann mit dem goldenen Knie
Radiomoderator halt die Fresse!
Expo 2000
Stille Post
Mein Kühlschrank
Gestern Nacht
Wenn du willst
Ich liebe dich für immer
Rock'n'Roll Bausparvertrag
Das Spiel ist aus
Der Kinn-Nasen-Professor
Was du sagst ist was du wählst
Weisheit mit Messer und Gabel
In Grafenwöhr
Überall Krieg
1980
Du & Ich
Gewalt ist eine Lösung
Höllenfeuerlicht


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